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II ZR 186/96 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 30.06.1997
Aktenzeichen: II ZR 186/96
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zum Umfang des Abzugs "neu für alt" bei Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung einer beschädigten Sache, wenn die Wiederherstellungskosten schadensbedingt erhöht waren (hier: Austausch eines einzelnen Dalbens aus einer Dalbengruppe). Erfordert die Ersatzbeschaffung besondere Planungsleistungen, so kann der Geschädigte, der diese Leistungen durch eigene Angestellte selbst erbringt, den ihm dabei entstandenen Aufwand grundsätzlich nach den Honorarregelungen der HOAI abrechnen. (Leitsätze des BGH) 

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, ein Grorunternehmen der chemischen Industrie, ist Eigentümerin ei­ner am Rheinufer errichteten Tankerbrücke mit sechs 1966 gesetzten Dalben. Im Juni 1991 wurde der oberstrom stehende Dalben Nr. 2 durch einen Koppelverband der der Beklagten angefahren und beschädigt. Die Parteien streiten um die Höhe der der Klä­gerin daraus zustehenden Entschädigung. Die Klägerin ließ den beschädigen Dalben entfernen und an seiner Stelle zwei neue Dalben mit stärkeren Profilen setzen. Mit der Klage hat sie die Kosten für den Austausch eines dieser Dalben - einschließ­lich eigener Planungskosten von 19.966,­DM - in einer Gesamthöhe von 176.988,49 DM sowie die Kosten eines von ihr beauf­tragten Sachverständigen geltend gemacht, zusammen 181.654,54 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat hierauf insgesamt 80.494,19 DM gezahlt; insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsa­che für erledigt erklärt.

Im übrigen hat sich die Beklagte unter anderem auf einen Ab­zug „neu für alt" berufen sowie die Höhe der Planungskosten bestritten. Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Be­klagte zur Zahlung weiterer 10.464.98 DM nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin. mit der nunmehr auch die Kosten des zusätzlich gesetzten zweiten Dalbens (85.558,65 DM) geltend gemacht wurden, hat das Berufungsgericht ihr nach dem ur­sprünglichen Klageantrag - bei geändertem Tenor - geringfügig mehr, nämlich 91.457,99 DM nebst Zinsen, abzüglich auf die Hauptforderung gezahlter 80.494,19 DM, zuerkannt; die weitergehende Klage einschließlich der darin enthaltenen Klage­erweiterung hat es abgewiesen.

Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin nur insoweit angenommen, als die Klage auch wegen eines Betrags von 46.896,46 DM (Abzug neu für alt (sowie weiterer 14.966,- DM (Planungskosten) - jeweils nebst Zinsen - abgewiesen wor­den ist.

Die Revision hatte im Umfang der An­nahme Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„ I. Abzug neu für alt

1. Nach Ansicht des - sachverständig beratenen - Berufungsgerichts muß sich die Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Vor­teilsausgleichs einen Abzug von 75.230,55 DM gefallen lassen, den das Gericht bei einer Nutzungsdauer der Dalben von vier­zig Jahren auf jährlich 2,5 % bemißt, ent­sprechend dem Alter des beschädigten Dalbens von fünfundzwanzig Jahren insge­samt auf 62,5 % aus den von der Klägerin aufgewendeten anteiligen Material- und Arbeitskosten für die Neuerrichtung des einen Dalbens in Höhe von 120.368,88 DM. Im Regelfall führe zwar der Austausch eines Dalbens aus einer Dalbengruppe nicht zu einer relevanten Vermögensvermehrung, da grundsätzlich alle Dalben gemeinsam nach Ablauf ihrer üblichen Lebensdauer ausgetauscht würden, einschließlich sol­cher, die aufgrund ihres besseren Erhal­tungszustands oder jüngeren Alters sonst auch noch längere Zeit stehenbleiben könn­ten. Für den Streitfall gelte jedoch etwas anderes. Denn der hier ersetzte Dalben Nr. 2 gehöre zu den besonders beanspruchten oberstromseitig stehenden Dalben, nach deren Zustand sich die Auswechslung der übrigen Dalben richten müsse. Nach Ab­lauf seiner restlichen Lebensdauer von noch etwa dreizehn Jahren entspreche es daher wirtschaftlicher Überlegung, lediglich den weiteren Oberstromdalben Nr. 1 auszutau­schen, die weniger abgenutzten Unter­stromdalben dagegen zu belassen. Dafür spreche im Streitfall weiter, dar die Kläge­rin anstelle des beschädigten Dalbens Nr. 2 gleich zwei neue Dalben mit zudem stär­kerem Profil gesetzt habe. Unverhältnismä­ßige Zusatzkosten entstünden hierdurch nicht.

2. Diese Ausführungen halten den An­griffen der Revision nicht in jeder Hinsicht stand. a) Im Ausgangspunkt nicht zu beanstan­den ist es allerdings, dar das Berufungsge­richt hier die Voraussetzungen einer Vor­teilsanrechnung im Wege des Abzugs „neu für alt" (vgl. dazu BGHZ 30 29, 30 ff.; 102, 322, 331; BGH, Urt. v. 25. Oktober 1996 - V ZR 158/95, NJW 1997, 520; H. Lange, Schadensersatz, 2. Aufl., § 6 V S. 258 ff.) dem Grunde nach bejaht. Die Verfahrens­rügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, die Revision daher auch teilweise nicht ange­nommen. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO). b) Mit Recht rügt jedoch die Revision, dar das Berufungsgericht die Höhe des Abzugs mit 75.230,55 DM nicht zutreffend ermittelt hat. Das Berufungsgericht legt, ausgehend von den Materialkosten in Höhe von 45.334.54 DM und den im Streitfall tatsächlich angefallenen Arbeitskosten von insgesamt 75.034,34 DM, einen Sachwert des neuen Dalbens von 120.368.88 DM zugrunde, den es zu einem Anteil von 62,5 % (75.230,55 DM) als den der Klägerin zugefallenen Mehrwert berücksichtigt. Dar­an ist richtig, dar sich der Wert eines Dalbens nicht allein nach den reinen Sach­kosten, sondern auch nach dem zu seiner Errichtung erforderlichen Arbeitsaufwand bemißt. Für den Umfang dieser Kosten wird der Tatrichter vielfach, zumindest im Rah­men der Schadensschätzung (§ 287 ZPO), die dem Geschädigten für die Wiederher­stellung der beschädigten oder zerstörten Sache entstandenen konkreten Aufwendun­gen zugrunde legen können. Eine Ausnah­me ist aber dann geboten, wenn diese Auf­wendungen die gewöhnlichen Herstellungs­kosten übersteigen, weil sie schadens­bedingt erhöht sind; unter solchen Umstän­den beschränkt sich der auszugleichende Wertzuwachs beim Geschädigten wegen des Erwerbs einer neuen Sache anstelle ei­ner gebrauchten auf den Umfang der für Ersatzbeschaffungen sonst üblichen Her­stellungskosten. Von einem derartigen Ausnahmefall ist hier auszugehen. Es liegt auf der Hand und war im einzelnen auch von der Klägerin vorgetragen, dar der Ersatz eines einzigen Dalbens aus einer Dalbengruppe regelmä­ßig Mehraufwendungen verursacht. Das Berufungsgericht hätte sich deshalb nicht ohne weiteres auf die aus den vorgelegten Rechnungen sowie den Parteigutachten er­mittelten tatsächlichen Kosten der Kläge­rin für den Austausch des beschädigten Dalbens stützen dürfen, sondern hätte fik­tiv, ausgehend von einer Neuerrichtung der gesamten Dalbenreihe, den auf den Ersatz­dalben entfallenden Anteil an den Arbeits­kosten ermitteln müssen. Dabei war zu­gleich der von der Revision hervorgehobe­nen Behauptung der Klägerin nachzugehen, dar dann zumindest die Kosten für das Abschneiden des alten Dalbens unterhalb der Flursohle in Höhe von 35.000,- DM nicht angefallen wären, möglicherweise auch sonstige Kostenanteile der zur Scha­densbeseitigung erforderlich gewordenen Aufwendungen. Damit das Berufungsgericht diese Fest­stellungen noch treffen kann, muß das an­gefochtene Urteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurück­verwiesen werden.

II. Planungskosten

1. Die geltend gemachten Planungs­kosten von 19.966,- DM stehen der Klä­gerin nach Meinung des Berufungsgerichts nicht in voller Höhe zu. Die Klägerin habe lediglich Anspruch auf den bei Wasserbau­reparaturen als „Regiekosten" des Eigen­tümers üblichen Satz von 3 % der Repara­turkosten, hier maximal 5.000,- DM. Den mit der Klage ursprünglich behaupteten Planungsaufwand von 134 Ingenieur­stunden zu je 149.- DM habe die Kläge­rin nicht substantiiert. Ebensowenig sei eine Abrechnung nach den Gebührensätzen der HOAI, auf die sich die Klägerin später be­rufen habe, gerechtfertigt. Da sie eine eige­ne Planungsabteilung unterhalte, die grund­sätzlich auch Planungsarbeiten der hier durchgeführten Art vornehme, könne die Klägerin Ersatz nur für diese günstigste Art der Schadensbeseitigung mit den ihr dabei entstandenen Selbstkosten verlangen.

2. Auch gegen diese Erwägungen wen­det sich die Revision mit Erfolg.

a) Das Berufungsgericht stellt Erfor­derlichkeit und Umfang der von der Kläge­rin abgerechneten Planungsarbeiten nicht fest. Für die Revisionsinstanz ist deswegen davon auszugehen. dar es sich um beson­dere Ingenieurleistungen handelt und dar diese für die Auswechselung des beschä­digten Dalbens notwendig waren.

b) Nach § 249 Satz 2 BGB kann der Gläu­biger bei Beschädigung einer Sache statt einer Naturalrestitution den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. In der Verwendung ist der Geschädigte frei. Er kann die Sache auch unrepariert lassen oder selbst reparieren. In beiden Fällen hat er, selbst wenn er kraft besonderer Fähigkei­ten oder aus sonstigen individuellen Grün­den zu einer kostengünstigen Eigen­reparatur imstande ist, grundsätzlich An­spruch auf die im Reparaturgewerbe objek­tiv entstehenden Kosten einschlierlich des Unternehmergewinns (BGHZ 54, 82, 86 f. 61, 56, 58; BGH, Urt. v. 20. Juni 1989 - VI ZR 334/88, NJW 1989, 3009; v. 17. März 1992 - VIII ZR 226/91, NJW 1992, 1618, 1619; siehe ferner MünchKomm/ Grunsky, BGB, 3. Aufl., § 249 Rdn. 17, 19; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl., § 249 Rdn. 226, 232 f.; jeweils m.w.N.). Das gilt im allgemeinen auch dann, wenn der Gläu­biger die Arbeiten von eigenen Angestell­ten während der üblichen Arbeitszeiten er­ledigen läßt (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 1996 - X ZR 64/96, NJW 1996, 2924, 2925 = ZIP 1996, 1553, 1554). Ausnahmen sind nach der Rechtsprechung des Bundesge­richtshofs möglich, sofern es verkehrsüblich und zumutbar ist, dar der geschädigte Un­ternehmer selbst die Herstellungsarbeiten ausführt, weil sich der verkehrsübliche Her­stellungspreis dann nach den Selbstkosten der Betriebswerkstatt richte (BGHZ 54, 82, 87 f.; 61, 56, 58; BGH, Urt. v. 31. Mai 1983 - VI ZR 241/79, NJW 1983, 2815; kritisch MünchKomm/Grunsky, § 249 Rdn. 19 bei Fn. 45 m.w.N.).

c) Auf dieser Grundlage ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Kläge­rin nicht darauf beschränkt, nur die Selbst­kosten ihrer Planungsabteilung - gegebe­nenfalls zuzüglich eines Gemeinkostenzu­schlags (vgl. dazu etwa H. Lange aaO § 6 VIII 5 S. 303 f. m.w.N.) - als Schaden gel­tend zu machen. Mit den verkehrsüblichen Herstellungskosten, zu deren Ausgleich der Schädiger gemäß § 249 Satz 2 BGB ver­pflichtet ist, können diese hier jedenfalls deswegen nicht gleichgesetzt werden, weil die Planungsabteilung der Klägerin nach dem Klagevorbringen, das für die Revision als richtig zu unterstellen ist, sonst nur mit der Planung chemischer Produktions­einrichtungen befaßt ist. Ein Einsatz dieser Abteilung für die wesentlich anders gela­gerte Planung von Wasserbauwerken konn­te vom Verkehr daher nicht erwartet wer­den und war der Klägerin auch nicht ledig­lich aus Kostengründen im Interesse des Schädigers zumutbar. Infolgedessen hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung des ob­jektiven Werts, d. h. des „Marktwerts" (vgl. dazu BGHZ 106, 28, 31; 131, 220, 225) der von ihr selbst geleisteten Planungsar­beiten.

d) Der Marktwert richtet sich bei den hier in Rede stehenden Werkleistungen nach dem dafür regelmäßig zu entrichtenden Entgelt, beim Bestehen einer Taxe also nach der taxmäßigen, anderenfalls nach der üb­lichen Vergütung (§ 632 Abs. 2 BGB). Für Architekten- und Ingenieurleistungen sind dies die Sätze der HOAI, zumal diese, wie der Bundesgerichtshof erst kürzlich ent­schieden hat (Urt. v. 22. Mai 1997 - VII ZR 290/95, Umdr. S. 5 ff; zur Veröffentli­chung in BGHZ bestimmt), grundsätzlich nicht berufsbezogen, sondern leistungsbe­zogen gelten. Sie sind damit zugleich Maßstab für den Wert eines vom Geschädigten zur Schadensbeseitigung selbst geleisteten Planungsaufwands.

3. Das angefochtene Urteil kann darum auch in diesem Punkt nicht bestehenblei­ben. Das Berufungsgericht hat - von sei­nem Standpunkt aus folgerichtig - eine Abrechnung der von der Klägerin erbrach­ten Ingenieurleistungen nach der HOAI nicht geprüft. Dem Senat ist dadurch eine abschließen­de Entscheidung verwehrt. Insoweit ist die Sache deshalb ebenfalls an das Berufungs­gericht zurückzuverweisen."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr. 22 (Sammlung Seite 1662 f.); ZfB 1997, 1662 f.