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II ZR 179/62 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 27.02.1964
Aktenzeichen: II ZR 179/62
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Die Beschränkung der Haftung des Schiffseigners und ein etwaiger arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch des Schiffsführers gegen den Schiffseigner berühren nicht die unbeschränkte Haftpflicht des Schiffsführers gegenüber einem Dritten, dessen Schiff infolge eines von diesem Schiffsführer verschuldeten Zusammenstoßes beschädigt worden ist.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 27. Februar 1964  (Rheinschifffahrtsobergericht Köln)

II ZR 179/62


Zum Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen Havarieschäden gegen den Schiffsführer des schuldigen Schiffes in Höhe von 38 000,- DM, gegen die Eigner dieses Schiffes aber nur in Höhe von 25 000,-DM (Schätzwert des Bootes) geltend. Die Klage wurde vom Rheinschifffahrtsobergericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision wird verlangt, dass auch dem beklagten Schiffsführer die beschränkte Haftung gemäß § 4 BSchG zugestanden werden müsse. Die Revision blieb jedoch erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Schiffsführer ist für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden dem Dritten gegenüber unbeschränkt zum Ersatz verpflichtet (§ 823 BGB, § 92 BSchG, § 739 Abs. 2 HGB). Dieser unbeschränkten Haftung des Schiffsführers hat das Gesetz in §§ 3, 4, 114 BSchG die beschränkte Haftung des Schiffseigners. für fremdes (nämlich des Schiffsführers) Verschulden hinzugefügt, um dem geschädigten Dritten einen weiteren leistungsfähigen Schuldner zu geben (sog. adjektivische Haftung, vgl. BGH in VersR 1958, 17, 18); dabei handelt es sich um eine haftungsbegründende, nicht um eine haftungserleichternde Norm.
Im Innenverhältnis haftet nach § 7 Abs. 2 BSchG der Schiffsführer dem Schiffseigner für jeden durch die Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers entstandenen Schaden. Demgegenüber hat die Rechtsprechung aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers den Grundsatz entwickelt, dass der Arbeitnehmer bei gefahrengeneigter Arbeit solche Schäden nicht voll zu ersetzen habe, die er durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat, und dass er bei Schädigung eines Dritten von seinem Arbeitgeber ganz oder teilweise die Freistellung von seiner Haftung verlangen könne (BAG 5, 1 = NJW 1958, 235 = VRS 14, 228; BGHZ 16, 111, 116; 22, 109, 122 = VRS 8, 180, 185; 11, 401, 407; BGH in NJW 1961, 2156 = VRS 21, 325; vgl. auch BAG in NJW 1962, 412, 413). Der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch wird in der Regel bei grob fahrlässigem Verhalten des Arbeitnehmers versagt und bei leichter Fahrlässigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ganz oder teilweise gewährt.

Der Interessenkonflikt zwischen den drei Beteiligten ist dadurch gekennzeichnet, dass
a) die unbeschränkte Haftung des schädigenden Schiffsführers gegenüber dem geschädigten Dritten nicht beseitigt werden kann, will man nicht den Boden der allgemeinen Regelung des Deliktrechtes verlassen,...
b) der auf sozialen Erwägungen beruhende (hier unterstellte) Freistellungsanspruch des Schiffsführers (anders vielleicht des Kapitäns im Seerecht, vgl. Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, 3. Aufl., Bd. II, HGB § 607 Anm. 48) gegen den Schiffseigner nicht in Frage gestellt werden darf,
c) nicht auf dem Umweg über eine Abtretung oder Pfändung des Freistellungsanspruchs der Rahmen der gesetzlichen Beschränkung der Haftung des Schiffseigners gesprengt werden darf.

Dass der Abtretung (und damit auch der Pfändung, § 851 ZPO) eines Schuldbefreiungsanspruches grundsätzlich die Vorschrift des § 399 BGB entgegensteht, ist allgemein anerkannt. Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung für den Fall zugelassen, dass der Schuldbefreiungsanspruch an den Gläubiger dieser Schuld abgetreten wird, in dessen Hand sich dann der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch verwandelt (BGHZ 12, 136, 141 ; 23, 17, 22). Dabei hat es das Reichsgericht wiederholt (RGZ 80, 183, 184; 81, 250, 253; 158, 6, 12, 13) entscheidend darauf abgestellt, dass diese Annahme dadurch gerechtfertigt sei, dass der zu befriedigende Gläubiger ein eigenes Interesse daran habe, auf solche Weise zur Befriedigung für seine Forderung zu gelangen. Gerade dieser entscheidende Gesichtspunkt trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu. Der geschädigte Dritte hat kein rechtlich geschütztes Interesse daran, an das Vermögen des Schiffseignes in einem weiteren Umfange heranzukommen, als der Haftung des Eigners mit Schiff und Fracht (oder seiner persönlichen Haftung im Rahmen des § 114 BSchG) entspricht.
Der Dritte würde rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er die unbeschränkte Haftung des Schiffsführers und den diesem aus sozialen Gründen gewährten Freistellungsanspruch dazu ausnutzen wollte, um die gesetzliche Regelung der Beschränkung der Schiffseignerhaftung zu umgehen.
Allerdings kann der Schiffsführer grundsätzlich im Rahmen seines Freistellungsanspruchs vom Schiffseigner verlangen, dass dieser ihn von seiner Schuld gegenüber dem Dritten befreie. Diese Frage muss aber, wie es den Interessen der Beteiligten entspricht, in einem Rechtsstreit zwischen Schiffsführer und Schiffseigner ausgetragen werden, in dem alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Dabei kann für die Frage des Umfanges der Fürsorgepflicht des Schiffseigners insbesondere von Bedeutung sein, inwieweit der Schiffsführer infolge seiner unbeschränkten Haftung gegenüber dem Dritten rein wirtschaftlich gesehen Nachteile erleidet. Dem Verlangen des Schiffsführers, ihn von seiner Schuld gegenüber dem Dritten zu befreien, wird der Schiffseigner jedenfalls insoweit widersprechen können, als der Dritte sich nicht aus dem Vermögen des Schiffsführers befriedigen konnte. Denn der Gedanke der Fürsorgepflicht kann dort nicht mehr durchgreifen, wo die Leistung des Schiffseigners nicht dazu dienen würde, wirtschaftliche Nachteile gefahrenbehafteter Arbeit des Schiffsführers auszugleichen, sondern einem Dritten einen ihm vom Gesetzgeber versagten Vorteil zu verschaffen. Soweit freilich der Dritte eine solche Befriedigung erlangen könnte, wird, wenn nach den Umständen des Falles ein Freistellungsanspruch ganz oder teilweise gegeben ist, der Schiffsführer Befreiung von seiner Verbindlichkeit fordern können, die in der Regel durch Zahlung des Eigners an den Dritten zu erfolgen hat (über die Zwangsvollstreckung als Befreiungstitel vgl. RGZ 150, 77, 80 einerseits, Schulte in NJW 1960, 902 -mit Nachweisungen - andererseits). Das führt auch im Ergebnis nicht zu einer nach der Rechtsordnung nicht zu verantwortenden Besserstellung des Dritten, da dieser nur das erhält, was ihm zukommen würde, wenn er unmittelbar gegen den Schiffsführer vorgehen würde. Die Zahlungspflicht des Schiffseigners stellt in einem solchen Fall nicht die Erweiterung seiner beschränkten Haftung gegenüber dem Dritten dar, sondern ist in den arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Schiffsführer und Schiffseigner begründet.

Bei der vom Senat vertretenen Rechtsansicht wird das in sich widerspruchsvolle und unvertretbare Ergebnis vermieden, dass der Dritte sich besser stellen würde, wenn der Schiffsführer nur leicht fahrlässig handelte (unterstellt, dass in diesem Falle wenigstens teilweise ein Freistellungsanspruch besteht), während er schlechter stehen würde, wenn der Schiffsführer grobfahrlässig handelte (weil dann in der Regel kein Freistellungsanspruch gegeben ist).

Hat der Schiffsführer den Dritten in einer den Umfang der Schiffseignerhaftung hinausgehenden Höhe teilweise befriedigt und steht ihm nunmehr gegen den Schiffseigner statt des Freistellungsanspruches ein Anspruch auf Erstattung in Geld zu, so taucht die Frage auf, ob ein solcher Erstattungsanspruch zweckgebunden und daher gemäß § 851 ZPO unpfändbar ist. Der zu entscheidende Rechtsstreit gibt dem Senat keinen Anlass, auf diese Frage einzugehen.

Aus alldem ergibt sich, dass wegen des etwaigen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruches des Schiffsführers weder die Beschränkung der Haftung des Schiffseigners gegenstandslos wird noch die unbeschränkte Haftung des Schiffsführers gegenüber dem Dritten in Frage gestellt werden kann. Dieses Ergebnis entspricht auch der adjektivischen Natur der beschränkten Schiffseignerhaftung, durch die der Dritte begünstigt, aber nicht durch den verfehlten Umkehrschluss auf eine Milderung der unbeschränkten Haftung des Schiffsführers benachteiligt werden soll."