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Leitsatz:
Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an einem im (See- oder Binnen-)Schiffsregister eingetragenen Schiff richtet sich ausschließlich nach den §§ 15 f. SchRG. Eine Anwendung der §§ 932 ff. BGB oder des § 366 Abs. 1 HGB kommt auch dann nicht in Betracht, wenn es sich um die Veräußerung eines im Seeschiffsregister eingetragenen Binnenschiffs handelt.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 25. Juni 1990
II ZR 178/89
(Kammergericht Berlin, Landgericht Berlin)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist seit Mai 1982 als Eigentümerin der Motoryacht „S" (9,68 m lang; 3,76 m breit; 11,41 BRT) im Seeschiffsregister des Amtsgerichts Hamburg eingetragen. Sie hatte das auf einer spanischen Werft gebaute Fahrzeug im Oktober 1981 von der Firma St., einem Handelsunternehmen für Boote, gekauft, danach an die DAL Yacht-L. vermietet, von der es die Eheleute D. geleast haben. Diese fuhren mit dem von ihnen in Mallorca übernommenen Fahrzeug zunächst im Mittelmeer. Etwa Mitte 1984 überführten sie es, wie auch der Beklagte in der Klageerwiderung eingeräumt hat, in die Bundesrepublik zu Fahrten auf dem Rhein. Einige Zeit danach übergaben sie es der Firma St. zum Verkauf. Diese hat die Yacht im Oktober 1985 an den Beklagten für 225000 DM zuzüglich einer Provision von 25 000 DM veräußert. Nach Zahlung dieser Beträge hat sie die Yacht dem Beklagten übergeben, der sie von S. nach Berlin verbracht hat. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten unter Berufung auf ihr Eigentum die Herausgabe der Yacht. Dagegen hat der Beklagte, was im Revisionsrechtszug allein noch interessiert, eingewendet, daß er das Eigentum an der Yacht gemäß § 366 Abs. 1 HGB erworben habe; er sei hinsichtlich der Verfügungsbefugnis der Firma St. gutgläubig gewesen. Beide Vorinstanzen haben den Herausgabeanspruch für begründet erachtet. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Berufungsgericht hat einen gutgläubigen Eigentumserwerb des Beklagten über § 366 Abs. 1 HGB verneint, weil die Vorschrift vorliegend nicht anwendbar sei. Da die Yacht im Zeitpunkt der Veräußerung an den Beklagten im Seeschiffsregister des Amtsgerichts Hamburg eingetragen gewesen sei, sei die Frage eines gutgläubigen Eigentumserwerbs allein nach den Bestimmungen des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 1940 - RGBI. 1 1499 (Schiffsrechtegesetz - SchRG), insbesondere dem § 16 dieses Gesetzes, zu beurteilen. Demgegenüber meint die Revision, § 366 Abs. 1 HGB komme im Streitfall zum Zuge, weil sich die Yacht trotz Eintragung im Seeschiffsregister für den Beklagten zur Zeit der Veräußerung als ein in keinem Binnenschiffsregister eingetragenes Binnenschiff’ dargestellt habe, weshalb sich der Eigentumserwerb nach den für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften richte. Damit läßt sich jedoch eine Anwendung des § 366 Abs. 1 HGB im Streitfall nicht begründen.
1. Richtig ist, daß Schiffe ihrer Natur nach bewegliche Sachen sind und, sofern sie nicht im Schiffsregister eingetragen sind, daher grundsätzlich den für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften unterliegen (Amtliche Begründung zum Schiffsrechtegesetz, Deutsche Justiz 1940, 1329). Infolgedessen gelten für die Übertragung des Eigentums an einem nicht im Schiffsregister eingetragenen Schiff die §§ 929 ff. BGB (Soergel/Winter, BGB 12. Aufl. SchiffsG § 2 Rn. 7; Schlegelberger/Liesecke, Seehandelsrecht 2. Aufl. Vorb. D 1) Danach setzt ein Eigentumswechsel die Einigung zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber hierüber und die Obergabe des Schiffes an diesen voraus. Bei einem Seeschiff genügt nach der Sonderregelung des § 929 a BGB bereits, daß sich Eigentümer und Erwerber einig sind, daß das Eigentum sofort übergehen soll. Sowohl bei einem Binnen- als auch bei einem Seeschiff richtet sich der gutgläubige Eigentumserwerb nach den §§ 932 ff. BGB, für Seeschiffe im Falle der Eigentumsübertragung gemäß § 929 a BGB nach der Bestimmung des § 932 a BGB. Außerdem bestehen keine Bedenken, auf die nach fahrnisrechtlichen Vorschriften zu behandelnden - also nicht im Schiffsregister eingetragenen - Schiffe, § 366 Abs. 1 HGB anzuwenden, wonach bei der Veräußerung einer beweglichen Sache durch einen Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes, wenn diese ihm nicht gehört, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigen herleiten, Anwendung finden, sofern der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers betrifft, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen. Dies gilt entgegen Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. Vor § 476 Anm. 1 B 2 auch für Seeschiffe im Falle einer Veräußerung nach § 929 a BGB. Daß hier der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußernden nicht geschützt sein soll, vermag der Senat § 932 a BGB nicht zu entnehmen.
2. Für den Eigentumswechsel an im Schiffsregister eingetragenen Schiffen gelten hingegen die Grundsätze des Grundstücksrechts (vgl. Amtliche Begründung zum Schiffsrechtegesetz a. a. 0. S.1332). Bei ihnen richtet sich der (rechtsgeschäftliche) Eigentumserwerb nach den §§ 2, 3 SchRG. Ist ein Schiff im Binnenschiffsregister eingetragen, so ist in strenger Befolgung liegenschaftsrechtlicher Grundsätze zur Eigentumsübertragung nach § 3 Abs. 1 SchRG die Einigung des Eigentümers und des Erwerbers hierüber sowie die Eintragung des Eigentumsübergangs im Register erforderlich (vgl. auch Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. SchiRegO Anm. 2 b - S. 466). Dagegen genügt nach § 2 Abs. 1 SchRG zur Übertragung des Eigentums an einem im Seeschiffsregister eingetragenen Schiff, daß der Eigentümer und der Erwerber über den Eigentumswechsel einig sind. Hier hat die Eintragung des Eigentumswechsels im Register nach allgemeiner Meinung nur eine berichtigende und keine konstitutive Bedeutung (Prüßmann/ Rabe, Seehandelsrecht a. a. 0. Anm. 1 A 2 a; Schaps/Abraham, Seehandelsrecht 4. Aufl. Vor § 476 Rn. 45; Soergel/Winter a. a. 0. Rn. 4). Der Grund für die Abweichung des § 2 Abs.1 SchRG von den Grundsätzen des Liegenschaftsrechts ist in den besonderen Verhältnissen der Seeschiffahrt zu suchen, nach denen sich vielfach die Notwendigkeit ergibt, schnell einen Eigentumswechsel herbeizuführen und namentlich im Verkehr mit dem Ausland Formvorschriften hemmend und störend wirken können (Amtliche Begründung zum Schiffsrechtegesetz a. a. 0. S.1330; Krieger, Deutsche Justiz 1941, 99; Prüßmann/Rabe a. a. 0.).
Keine unterschiedliche Regelung hinsichtlich der im Binnenschiffs- oder Seeschiffsregister eingetragenen Schiffe enthält das Schiffsrechtegesetz für den Eigentumserwerb von einem Nichtberechtigten. Dieser regelt sich für jedes im (Binnen- oder See-)Schiffsregister eingetragene Schiff nach den §§15f. SchRG (BGB-RGRK, 12. Aufl. § 932 a Rn. 3), die den liegenschaftsrechtlichen Regelungen der §§ 891 f. BGB nachgebildet sind (vgl. auch Krieger a. a. 0. S.98 f.). Infolgedessen ist beim Erwerb aller im Schiffsregister eingetragenen Schiffe für eine Anwendung der §§ 932 ff. BGB auch dann kein Raum, wenn zur Einigung der Vertragsparteien über den Eigentumsübergang die Besitzübertragung hinzu kommt (Schaps/Abraham a.a.O.; Schlegelberger/Liesecke a. a. 0. Vorb. D 2; Soergel/Winter a. a. 0. Rn. 4). Ist aber schon ein gutgläubiger Eigentumserwerb an im Schiffsregister eingetragenen Schiffen nach den §§ 932 ff. BGB ausgeschlossen, so muß dies ebenso für den gutgläubigen Eigentumserwerb nach § 366 Abs. 1 HGB gelten, einer Bestimmung, die auf die vorgenannten Vorschriften verweist.
3. Bei der Yacht S’ hat es sich um ein im (See-)Schiffsregister eingetragenes Schiff gehandelt. Sie hat damit nicht dem Fahrnisrecht, sondern den Bestimmungen des Schiffsrechtegesetzes unterlegen. Infolgedessen ist § 366 Abs. 1 HGB auf die Veräußerung der Yacht durch das Bootshandelsunternehmen St. an den Beklagten nicht anwendbar. Das gilt auch dann, wenn sich, wie die Revision meint, der Charakter des Schiffes im Veräußerungszeitpunkt wegen des zuletzt erfolgten Einsatzes auf Binnengewässern vom See- zum Binnenschiff geändert haben sollte. Denn in jedem Fall war die Yacht ein im Schiffsregister eingetragenes Schiff. Allerdings hätte sie dann wohl richtigerweise im Binnenschiffsregister eingetragen werden müssen. Eine solche Unterlassung konnte aber nicht die Wirksamkeit ihrer Eintragung im Seeschiffsregister berühren. Ist ein Seeschiff in das Binnenschiffsregister oder ein Binnenschiff in das Seeschiffsregister eingetragen, so ist die Eintragung nach § 5 SchRego nicht aus diesem Grunde unwirksam. Allerdings kann sich der Eigentümer nicht darauf berufen, daß ein im Seeschiffsregister eingetragenes Schiff ein Binnenschiff oder ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff ein Seeschiff ist (§ 6 SchRego). Damit soll der Eigentümer im Rechtsverkehr an der von ihm abgegebenen Erklärung über den Charakter seines Schiffes festgehalten werden - Grundsatz der Erklärungstreue (vgl. Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht 2. Aufl. S. 62; Prause, Das Recht des Schiffskredits 3. Aufl. SchiffsReg0 Anm. zu § 6). Das alles hat jedoch nichts mit der für jedes im Schiffsregister eingetragene (See- oder Binnen-)Schiff geltenden Regelung zu tun, daß sich der Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an einem solchen Schiff nach den dem Liegenschaftsrecht nachgebildeten §§ 15 f. SchRG richtet, also insoweit die fahrnisrechtlichen Bestimmungen der §§ 932 ff. BGB, § 366 Abs. 1 HGB nicht anwendbar sind. Deshalb ist der Ansicht der Revision nicht zu folgen, daß sich der Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiff jedenfalls dann nicht nach liegenschaftsrechtlichen Regelungen, sondern nach fahrnisrechtlichen Grundsätzen richte, wenn der Eigentümer (was übrigens in seinem Belieben steht) den Charakter des Schiffes durch die Bestimmung einer anderweiten Verwendung ändert, so daß es nunmehr statt im See- im Binnenschiffsregister oder umgekehrt eingetragen sein müßte. Das liefe letztlich darauf hinaus, daß der Eigentumswechsel bei einem im (See- oder Binnen-)Schiffsregister eingetragenen Schiff nach seiner jeweiligen Verwendungsbestimmung heute nach liegenschaftsrechtlichen Prinzipien und morgen nach fahrnisrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hätte, was rechtlich nicht zu vertreten ist.
4. Es mag sein, daß es im Einzelfall bei Schiffen - anders als bei der Eintragung von Grundstücken im Grundbuch - schwieriger sein kann festzustellen, ob und in welchem Schiffsregister ein Schiff eingetragen ist, zumal nicht jedes eintragungspflichtig ist (vgl. § 10 SchRegO). Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich damit jedoch nicht die Entscheidung des Gesetzgebers korrigieren, in welchen Fällen der Eigentumserwerb an einem Schiff nach den Vorschriften des Schiffsrechtegesetzes oder nach den Regelungen des Fahrnisrechts zur beurteilen ist. Überdies kann der Käufer eines Schiffes der von der Revision hervorgehobenen Schwierigkeit in aller Regel dadurch begegnen, daß er sich von dem Veräußerer Auskunft darüber geben läßt, ob und gegebenenfalls wo das zu erwerbende Schiff im Schiffsregister eingetragen ist.
Schließlich ist nicht ersichtlich, wieso es der Klägerin verwehrt sein soll, sich darauf zu berufen, daß der Beklagte auch nicht kraft guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers Eigentümer der Yacht geworden ist. Insoweit spielt die von der Revision aufgeworfene Frage keine Rolle, ob § 16 SchRG nur zu Gunsten und nicht zu Lasten eines redlichen Erwerbers wirkt. Der Beklagte hat die Yacht nicht von dem im Schiffsregister eingetragenen Eigentümer erworben, sondern von einem Bootshandelsunternehmen, an dessen Befugnis, über das Schiff für den Eigentümer zu verfügen, er geglaubt haben will."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.6 (Sammlung Seite 1300 f.), ZfB 1990, 1300 f.