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Leitsatz:
Der Schleppzugführer hat den Kurs des Bootes so zu wählen, daß den ordentlich nachsteuernden Anhängen eine sichere Fahrt ermöglicht wird. Außerdem hat er die Anhänge - gegebenenfalls laufend - zu beobachten und im Falle nicht richtiger Nachsteuerung den Fehler durch entsprechende Weisungen und bei deren Nichtbefolgen durch geeignete Gegenmaßnahmen zu berichtigen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 2. März 1970
(Rheinschiffahrtsobergericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der beladene, bei der Klägerin versicherte Schleppkahn C fuhr im Schlepp des der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten MS M rheinabwärts. An der Backbordseite des Kahnes hing bei gleichaufliegenden Köpfen der leere, ebenfalls der Beklagten zu 1 gehörende, unter der Führung des Beklagten zu 3 stehende Schubleichter Co, der keine Rudereinrichtung, aber einen Schottelmotor hatte. Beim Passieren der Straßenbrücke Wesel-Büderich geriet SK C mit dem Steuerbordvorschiff gegen den rechten Brückenpfeiler der mittleren, 150 m breiten Öffnung.
Die Klägerin verlangt Ersatz des erstatteten Schadens an C von über 40000 hfl., weil der Beklagte zu 2 mit dem Schleppzug zu weit in den Hang geraten sei und die Anhänge nicht genügend nach Backbord abgezogen habe.
Der Beklagte zu 3 habe die Brückendurchfahrt nicht rechtzeitig mit dem Schottelmotor unterstützt.
Nach Ansicht der Beklagten ist der Unfall durch falsche Steuerungsmanöver des SK C verursacht worden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 dem Grund nach nur zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt, im übrigen abgewiesen. In der Revisionsinstanz wurde die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt, die Klage gegen den Beklagten zu 3 in vollem Umfang abgewiesen:
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Schleppzugführer ist nach § 2 Nr. 4 Nr. 4 Abs. 1 RheinSchPVO für die Befolgung der Vorschriften dieser Verordnung für Schleppzüge verantwortlich. Er hat sowohl für den richtigen Kurs des Bootes als auch - unbeschadet der Verantwortung der Kahnführer nach § 2 Nr. 4 Abs. 2 RheinSchPVO - für den richtigen Kurs der Anhänge zu sorgen,(BGH VersR 1965, 455, 457). Er muß deshalb den Kurs des Bootes so wählen, daß den ordentlich nachsteuernden Anhängen eine s i c h e r e Fahrt ermöglicht wird. Des weiteren ist er, wie der Senat bereits mehrfach, zuletzt im Urteil vom 16. Juni 1969 - II ZR 189/67 (VersR 1969, 749) s. ZfB 1969 S. 377 (Sammlung S. 107) ausgesprochen hat, gehalten, die Anhänge - gegebenenfalls laufend - zu beobachten und, sofern sie nicht richtig nachsteuern, den Fehler durch entsprechende Weisungen und bei deren Nichtbefolgen durch geeignete Gegenmaßnahmen zu berichtigen.
Gegen diese Pflichten hat die Führung des MS M schuldhaft verstoßen. Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Kurses des genannten Schiffes anderer Auffassung ist, hat es zu diesem Punkte nicht hinreichend die Schwierigkeiten in Betracht gezogen, die auf dem vorangegangenen Teil der Reise beim Durchfahren von Strombiegungen aufgetreten waren. Wenn die Anhänge hierbei bereits mehrfach zu stark in den Hang gefallen waren, so mußte die Führung des MS M mit einer derartigen Möglichkeit auch im Bereich der Unfallstelle rechnen, zumal dort ein starker böiger Wind auf die dem Hang abgewandte Seite der leeren oder nur teilweise abgeladenen Anhänge drückte. Sie war deshalb verpflichtet, einen Kurs zu wählen, der dem Schleppzug auch unter Berücksichtigung dieser Umstände ein sicheres Passieren der ohnehin für Talschleppzüge schwierig zu durchfahrenden Brücke gestattete. Dieser Pflicht genügte sie nicht, wenn sie von der Einmündung des Wesel-Datteln-Kanals ab zunächst lediglich den rechten Pfeiler der mittleren Brückenöffnung anhielt und erst kurz oberhalb der Brücke (das Berufungsgericht spricht von „jedenfalls mehr als 30 m") stark nach Backbord abzog. Vielmehr hätte sie der Neigung der Anhänge, zu stark in den Hang zu fallen, damit begegnen müssen, daß sie spätestens von der Einmündung des Wesel-Datteln-Kanals an einen stetigen, zumindest auf die Mitte der mittleren Brückenöffnung gerichteten Kurs fuhr. Abgesehen davon, daß dann keinesfalls zweifelhaft sein konnte, welche Öffnung der Brücke der Schleppzug benutzen werde, hätte ein solcher Kurs ein zu starkes Fallen der Kähne in den Hang verhindern können und ihnen ohne weiteres ein rechtzeitiges Freifahren des rechten Pfeilers der mittleren Brückenöffnung ermöglicht. Im Streitfall ist daher neben den bereits vom Berufungsgericht festgestellten Fehlern der Führung des MS M auch von einem falschen Kurs dieses Schiffes auszugehen.
Verschulden des SK C
Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts war der Matrose T., der zur Unfallzeit das Steuer des Kahnes bedient hat, nicht in der Lage, die Anhänge richtig zu steuern. So habe er irrtümlich gemeint, MS M werde die Köpfe der Anhänge fahren, wogegen er selbst nur für die Achterschiffe zu sorgen brauche. Ferner habe er „bis ganz kurz" vor der Brücke nichts unternommen, um die Anhänge durch eigenes Nachsteuern auf einen gefahrlosen Kurs zu bringen.
Der Schiffsführerin T., die für die Führung des Kahnes verantwortlich war, wirft das Berufungsgericht vor, sie habe dem Matrosen T., der ersichtlich die Anhänge nicht ordnungsgemäß habe nachsteuern können, die Führung des Kahnes während der gesamten Reise überlassen und sich selbst während der schwierigen Durchfahrt durch die Straßenbrücke Wesel-Büderich nicht um die Führung des Kahnes gekümmert. Diese Ausführung des Berufungsgerichts lassen entgegen den Darlegungen der Revision keinen Rechtsfehler erkennen.
Verschulden des SL Co
Das Berufungsgericht hält ein nautisch falsches Verhalten der Führung des Schubleichters nicht für bewiesen. Die Revision irrt, wenn sie meint, der Beklagte zu 3 habe den Nachweis führen müssen, daß er alles getan habe, um die Fehler des Beklagten zu 2 auszugleichen. Vielmehr war es nach allgemeinen Beweisgrundsätzen Sache der Klägerin darzutun und im Streitfall zu beweisen, daß der Beklagte zu 3 den Unfall schuldhaft mitverursacht hat. Dies gilt auch insoweit, als die Klägerin ihr Schadenersatzbegehren gegen die Beklagte zu 1 mit auf ein nautisches Fehlverhalten des Beklagten zu 3 gründet. Zwar führt der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Schleppvertrag unter den in BGHZ 27, 236 f dargelegten Voraussetzungen zu einer Umkehrung der Beweislast. Im Gegensatz zu der Führung des MS M handelte jedoch die Führung des SL Co nicht in Erfüllung des Schleppvertrages, so daß schon aus diesem Grunde hinsichtlich des Verhaltens der Führung des letztgenannten Schiffes eine Beweislastumkehr im Verhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1 nicht in Betracht kommt.
Das Revisionsgericht kann die nach §§ 92 BSchG, 736 Abs. 1 HGB, 254 BGB vorzunehmende Schuldverteilung selbst durchführen, wenn ihm, wie im Streitfall, alle hierfür erforderlichen Unterlagen vorliegen (BGH LM § 254 (G) BGB Nr. 3). Nimmt man in Betracht, daß nicht nur, wie das Berufungsgericht meint, auf SK C, sondern auch auf MS M in besonders grober Weise fahrlässig gehandelt worden ist, beachtet man weiter, daß die Verantwortung für den richtigen Kurs des Schleppzuges - unbeschadet der Verantwortung der Kahnführer nach § 2 Nr. 4 Abs. 2 RheinSchPVO - bei der Führung des MS M lag und berücksichtigt man schließlich, daß die Gefahrenlage, in welcher es sodann zu dem Unfall gekommen ist, zunächst allein durch den fehlerhaften Kurs dieses Schiffes hervorgerufen worden ist, so erscheint es angemessen, daß die Beklagten zu 1 und zu 2 den Interessenten des SK C 2/3 ihres Unfallschadens ersetzen."