Rechtsprechungsdatenbank

II ZR 176/76 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 12.06.1978
Aktenzeichen: II ZR 176/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Wird beim Verschleppen eines als Lagerschiff im Hamburger Hafen eingesetzten Fahrzeugs dieses durch ein nautisches Verschulden der Schlepperbesatzung beschädigt, so muß sich der Fahrzeugeigentümer die haftungsbeschränkende Bestimmung des § 7 Nr. 2 ABB auch dann entgegenhalten lassen, wenn nicht er, sondern ein Dritter, der das Fahrzeug beschäftigt, den Schleppauftrag erteilt hat.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 12. Juni 1978

II ZR 176/76

(Schiffahrtsgericht Hamburg; Schifffahrtsobergericht Hamburg)


Zum Tatbestand:

Im Auftrag der Fa. W. wurde ein dem E. gehörender Schleppkahn von dem Schleppboot der Beklagten zu 1 unter Führung des Beklagten zu 3 im Hamburger Hafen zu einem anderen Platz bugsiert. Auf dieser Fahrt stieß der auf kurzem Strang hängende Kahn gegen das Widerlager einer Brücke und erlitt Schäden von ca. 15 000,- DM.
Der Kläger als Versicherer des Kahnes verlangt Ersatz des dem E. erstatteten Schadens, weil der Beklagte zu 3 den Kahn nicht rechtzeitig zur Fahrwassermitte der Brückendurchfahrt abgezogen habe.
Die Beklagten wenden ein, daß der Eigentümer den von ihm selbst geführten Kahn nicht richtig nachgesteuert habe. Sie berufen sich ferner auf die „Allgemeinen Bedingungen für das Bugsieren von Fluß- und Hafenfahrzeugen im Gebiet des Hafens Hamburg" (ABB), in denen es u. a. in § 7 Nr. 2 heißt:
„Wir übernehmen im Sinne des Gesetzes, betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juli 1895 die Haftung nur für nachgewiesenes vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verschulden unserer DampferMannschaften in Ausübung des Bugsierdienstes. Die Beweispflicht liegt mithin demjenigen ob, der einen Anspruch
gegen uns erheben will.

Ansprüche gegen die Besatzung sind ausgeschlossen."

Das Schiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Schiffahrtsobergericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Das Berufungsgericht hat, was nicht begründet zu werden braucht (§ 565a ZPO), verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellt, daß die Fa. W. (als Auftraggeber) und die Beklagte zu 1 (als Auftragnehmer) das Verschleppen des SK A vom Waltershofer Hafen zum Spreehafen vereinbart und in die Abmachung zumindest stillschweigend die ABB einbezogen haben. Hingegen hat es das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen dem Kahneigentümer und der Beklagten zu 1 verneint. Allerdings meint es, die Beklagten könnten sich trotzdem gegenüber dem Kahneigentümer und damit auch gegenüber dessen Rechtsnachfolger, dem Kläger, auf die haftungsbeschränkenden Klauseln der ABB mit Erfolg berufen.

Dem ist schon aus folgenden Gründen zuzustimmen:
Die ABB werden im Hamburger Hafen seit dem 1. August 1937 verwendet. Sie sind von der - damaligen - Reichsverkehrsgruppe Binnenschiffahrt, Fachuntergruppe Hafenschiffahrt, Bezirksgruppe Hamburg, mit Genehmigung der Behörde für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, Hamburg, sowie im Einvernehmen mit der Elbe-Reedereien-Vereinigung, von 1934, Körperschaft des öffentlichen Rechts, herausgegeben worden. Ohne ihre Einbeziehung können, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, Schleppaufträge der vorliegenden Art im Hamburger Hafen nicht untergebracht werden. Hier liegt demnach die Besonderheit vor, daß das Verschleppen von Lagerschiffen (zum Laden, zum Löschen oder an einen anderen Liegeplatz) in dem begrenzten Gebiet des Hamburger Hafens nach langjähriger Übung der Beteiligten nur unter der Geltung bestimmter gemeinsamer Geschäftsbedingungen der in dem Hafen tätigen Schleppunternehmen (ABB) durchgeführt wird. In einem solchen Falle nimmt es aber jeder, der dort sein Fahrzeug als Lagerschiff einsetzt oder es auf diese Weise von einem Dritten beschäftigen läßt, hin, daß bei einem notwendigen Verschleppen desselben die gemeinsamen Geschäftsbedingungen der Schleppunternehmen  stets auch ihm gegenüber gelten, zumal das Fahrzeug sonst nicht in einer seiner Verwendung entsprechenden Weise voll genutzt werden kann. Diesem Gesichtspunkt trägt die Revision nicht Rechnung, soweit sie meint, der Kläger brauche sich die haftungsbeschränkenden Bestimmungen der ABB jedenfalls deshalb nicht entgegenhalten zu lassen, weil sein Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1 den Schleppauftrag nicht erteilt habe. Auch bedarf es danach keiner Erörterung der - von der Revision verneinten - Frage, ob die Überlegungen, die den 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 12. Juli 1974 - 1 ZR 55/72*) LM § 2 ADSp (Nr. 4) bewogen haben, haftungsbeschränkende Klauseln der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen gegenüber einem am Speditionsvertrag unbeteiligten Eigentümer durchgreifen zu lassen, für den Umfang des Geltungsbereichs der allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Schleppschiffahrtsunternehmens von Bedeutung sind.
Ohne Erfolg müssen die Angriffe der Revision gegen das angefochtene Urteil schließlich auch insoweit bleiben, als sich diese gegen die Wirksamkeit des § 7 Nr. 2 ABB als solche wenden.

a) Nach dem Worlaut der Bestimmung ist es nicht unklar, ob sie auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung umfaßt. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Ansprüche gegen die Schlepperbesatzung, für deren Verschulden der Schiffseigner nach den §§ 3, 4 BinnSchG ohne Entlastungsmöglichkeit zu haften hat, regelmäßig nur solche aus unerlaubter Handlung sind. Wenn daher in § 7 Nr. 2 Abs. 2 ABB die Ansprüche gegen die Schlepperbesatzung ausgeschlossen werden und § 7 Nr. 2 Abs. 1 ABB ausdrücklich auf die Schiffseignerhaftung abstellt, so ist es nicht zweifelhaft, daß die Bestimmung jedenfalls auch die sich aus einer unerlaubten Handlung der Besatzung ergebenden Ansprüche des Geschädigten gegen diese und den Schiffseigner umfassen soll.

b) Wieso die Regelung, daß es Sache des Geschädigten ist, ein grobes Verschulden der Schlepperbesatzung nachzuweisen, nicht hinnehmbar sein soll, ist um so weniger ersichtlich, als eine solche Regelung dem allgemeinen Grundsatz entspricht, daß der Geschädigte die Voraussetzungen für seinen Anspruch zu beweisen hat. Davon abgesehen geht die Revision daran vorbei, daß es im Streitfall auf die Beweisregelung in § 7 Nr. 2 ABB nicht ankommt.
...“