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Leitsatz:
Wird ein deutsches Schiff im Ausland im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert, so ist deutsches Recht für Bereicherungsansprüche von Schiffsgläubigern und Schiffshypothekengläubigern maßgebend, die darauf gestützt werden, bei der Verteilung des Erlöses sei das sich aus dem deutschen Recht ergebende Rangverhältnis dieser Rechte nicht beachtet worden. Der Rangverlust nach §§ 162, 110 ZVG wegen Nichtanmeldung aus dem Schiffsregister nicht ersichtlicher Rechte tritt nur ein, wenn die Terminbestimmung von einem deutschen Vollstreckungsgericht mit der Aufforderung nach §§ 37 Nr. 4, 167 Abs. 2 ZVG bekannt gemacht worden ist.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 6. Juli 1961
II ZR 161/60
OLG Schleswig/LG Kiel
Zum Tatbestand
Das einem deutschen Eigentümer gehörende, im deutschen Schiffsregister eingetragene Schiff wurde in Schweden nach einer dort erfolgten Havarie auf Betreiben eines schwedischen Gläubigers zwangsweise versteigert. Die Beklagten als deutsche Schiffshypothekengläubiger erwirkten in Schweden Vollstreckungstitel und erhielten aus dem Versteigerungserlös teilweise Befriedigung.
Die Klägerin (eine Berufsgenossenschaft) macht geltend, daß sie gegen den Eigentümer noch Ansprüche aus der gesetzlichen Sozialversicherung gehabt habe, die ihr ein Schiffsgläubigerrecht mit dem Vorrang vor den Rechten der Beklagten gegeben hätten.
Der Klage gegen die Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages wurde in allen 3 Instanzen dem Grunde nach stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen
Das Schiffsgläubigerrecht erlischt durch die Zwangsversteigerung des Schiffs im Ausland, sofern das Recht des Versteigerungsortes dies vorsieht (Schaps/Mittelstein, Das deutsche Seerecht, 2. Aufl. Bd. 1 § 764 Anm. 6). Diese Rechtsfolge ist im Inland anzuerkennen (Schaps/Abraham, Das deutsche Seerecht, 3. Aufl.Bd. 1 § 8 SchRG § 8 Anm. 119 a. E. S. 414). Die Zwangsversteigerung eines Schiffes in Schweden hat ebenso wie die Zwangsversteigerung im Inland (§ 764 HGB; §§ 91, 162 ZVG) zur Folge, daß das Pfandrecht des Schiffsgläubigers am Schiff erlischt (§ 270 Sjölag). Die Klägerin hat also durch die Zwangsvollstreckung in Schweden ihr Schiffsgläubigerrecht verloren. Der bei Verteilung nach der Rangordnung des deutschen Rechts auf die Klägerin entfallende Erlös ist nach Behauptung der Klägerin an die Beklagten gelangt, gegen die Ansprüche des besser Berechtigten aus ungerechtfertigter Bereicherung erwachsen sein können, wenn deutsches Recht zugrunde gelegt wird (vgl. RGZ 153, 252, 256).
Anknüpfungspunkt für das maßgebliche Recht ist bei Bereicherungsansprüchen infolge dinglicher Wertverschiebung grundsätzlich der Tatbestand, der zu dem den Bereicherungsanspruch auslösenden Rechtsverlust geführt hat. So ist die Rechtsordnung des Ortes maßgebend, an welchem sich die Sache im Zeitpunkt ihrer Veräußerung befunden hat, wenn der Verlust des Eigentums durch unberechtigte Verfügung infolge gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten eintritt und daraus Bereicherungsansprüche des früheren Eigentümers abgeleitet werden (BGH NJW 1960, 774 Nr. 8). Bestand aber zwischen den Parteien bereits eine unmittelbare Rechtsbeziehung, so ist die Rechtsordnung, die über sie bestimmt, auch für einen aus dieser Rechtsbeziehung hergeleiteten Bereicherungsanspruch maßgebend (Zweigert, SJZ 1947, 247 ff). Hier bestand zwischen den Parteien das Rangverhältnis als Schiffsgläubiger und Gläubiger von Schiffshypotheken an demselben Schiff. Ein Rechtsverhältnis besteht auch zwischen mehreren dinglichen Berechtigten an einer Sache (vgl. von Tuhr, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts Bd. 1 S. 124 A. 6). Ein solches ist nicht, wie die Revisionsbegründung meint, deshalb zu verneinen, weil Ansprüche zwischen den Berechtigten zur Zeit der Versteigerung aus ihm noch nicht hervorgegangen waren. Dieses Rechtsverhältnis unterlag deutschem Recht, weil das Schiff L" in einem deutschen Seeschiffsregister eingetragen war und deutsche Beteiligte in Frage stehen. Insbesondere ist die Frage, ob die Beklagten etwas ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin erlangt haben, nach deutschem Recht als dem für die umstrittene Rechtsbeziehung maßgeblichen Statut zu beurteilen (vgl. BGH NJW 1959, 1317, 1318).
Der betreibende schwedische Gläubiger hat Zahlungen aus dem Erlös erhalten. An die Beklagten ist nur ein Teil des Versteigerungserlöses gezahlt worden. Weitere deutsche Gläubiger haben sich an der Versteigerung nicht beteiligt. Es ist entweder die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 nur teilweise gedeckt
worden. Jedenfalls konnte auf den betreibenden schwedischen Gläubiger, wenn er nach den Beklagten befriedigt worden wäre, erst dann etwas entfallen, wenn die beiden Beklagten voll befriedigt waren. Das Berufungsgericht konnte somit ohne die gerügte Verletzung des § 286 ZPO davon ausgehen, daß die Beklagten an letzter Rangstelle befriedigt worden sind und daß angesichts der Höhe der Klagforderung jeder von ihnen Beträge zugeflossen sind, die der Klägerin zuzuteilen gewesen wären, wenn ihr Vorrang beachtet worden wäre.
Das Berufungsgericht hat nach alledem zutreffend angenommen, daß die Beklagten auf Kosten der Klägerin etwas ohne rechtlichen Grund erlangt haben.
Die Revision führt zutreffend aus, daß ein Gläubiger, der sein aus dem Schiffsregister nicht ersichtliches Recht nicht spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet und notfalls glaubhaft gemacht hat, bei der Verteilung des Erlöses den übrigen Rechten nachsteht (§§ 162, 37 Nr. 4, 110 ZVG). Dieser endgültige materielle Rangverlust durch Säumnis des Berechtigten (vgl. BGHZ 21, 30, 34) tritt aber nur ein, wenn in der öffentlich bekanntgemachten Terminbestimmung die Aufforderung gemäß § 37 Nr. 4 ZVG enthalten war, aus dem Schiffsregister nicht ersichtliche Rechte anzumelden (Jaeckel/ Güthe, ZVG 7. Aufl. §§ 37, 38 Anm. 1; § 110 Anm. 1). Die im § 37 Nr. 4 ZVG bestimmte Aufforderung mul3 ausdrücklich auf die Rechte der Schiffsgläubiger hinweisen (§ 167 Abs. 2 ZVG). Die Terminbestimmung soll auch in einem Schiffahrtsfachblatt bekanntgemacht werden (§ 168 ZVG).
Die Revision beachtet nicht, daß die Zwangsversteigerung nach schwedischem Recht als dem Recht des Gerichtsortes vorgenommen worden ist. Die Vorschriften des deutschen Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, die die Rangänderung von bestimmten Rechten vorsehen, die im Versteigerungsverfahren nicht angemeldet worden sind, können nicht ohne weiteres auf eine nach ausländischem Recht durchgeführte Zwangsversteigerung übertragen werden. Solche Bestimmungen stehen in engem Zusammenhang mit den Verfahrensvorschriften des deutschen Rechts, durch die für die Beteiligten Garantien geschaffen werden, daF3 sie ihre Rechte rechtzeitig wahrnehmen können. Es mag sein, daß in der schwedischen Zwangsversteigerung der nach deutschem Recht bestehende Vorrang des Schiffsgläubigerrechts auf Grund einer Forderung aus der gesetzlichen Sozialversicherung (mit dem Rang hinter dem schwedischen Schiffsgläubiger; vgl. § 770 HGB) anerkannt worden wäre (vgl. Gutachten von Prof. Dr. Schultze v. Lasaulx S. 10). Die nach schwedischem Recht erfolgte Bekanntmachung des Versteigerungstermins und die in ihr etwa enthaltene Aufforderung zur Anmeldung von Rechten kann aber nicht die Wirkung des Rangverlustes nach § 110 ZVG haben, wenn die Rechte nicht angemeldet worden sind. Eine genügende Gewähr, dal3 ein im Schiffsregister nicht eingetragener Berechtigter rechtzeitig Kenntnis von der im Ausland anhängigen Zwangsversteigerung erlangt, wird durch eine ausländische Bekanntmachung nicht geschaffen, selbst wenn sie in inländischen Blättern wiederholt sein sollte. Nur eine Aufforderung im Rahmen einer bei einem deutschen Vollstreckungsgericht anhängigen Zwangsversteigerung, die den Erfordernissen des § 37 Nr. 4 ZVG entspricht und in dem für Bekanntmachungen des Gerichts bestimmten Blatt veröffentlicht worden ist (§ 39 Abs. 1 ZVG), kann die Wirkung des Rangverlustes nach § 110 ZVG haben, wenn sie nicht beachtet wird. Die Klägerin hat also ihren Vorrang vor den Rechten der Beklagten nach §§ 754 Nr. 10, 776 HGB behalten."