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II ZR 157/69 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 21.10.1971
Aktenzeichen: II ZR 157/69
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Zur Anwendung von Haftungserleichterungsklauseln des Frachtführers zu Gunsten des Unterfrachtführers und des Schiffers. Es besteht in der Rheinschiffahrt keine Übung, nach welcher Haftungserleichterungen, die eine Reederei als Frachtführer mit dem Absender vereinbart, ohne weiteres auch dem Eigner (Unterfrachtführer) und dem Schiffsführer des den Transport durchführenden Fahrzeugs zugute kämen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 21. Oktober 1971

II ZR 157/69

(Schiffahrtsgericht Mannheim; Schifffahrtsobergericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Die Beklagte zu 1 hatte sich unter Zugrundelegung ihrer Konnossementsbedingungen (KB) sowie Übernahmebedingungen (OB) gegenüber der Klägerin gemäß deren Verladevorschriften für Rheintransporte zur Beförderung von Rohtabak verpflichtet und sich im Unterfrachtverhältnis eines der Beklagten zu 2 gehörenden, vom Beklagten zu 3 geführten Motorschiffes bedient. Beim Löschen vom 2. bis 4. März 1967 lehnte die Klägerin die Annahme der Ware ab, weil sie stark nach Chemikalien roch.
Die Klägerin verlangt mit der am 29. August 1967 eingegangenen Klage von der Beklagten Ersatz des Ladungsschadens von über 111 000,- DM, weil das Schiff nicht frei von Fremdgeruch gewesen sei, und deshalb nicht in diesem Zustand habe benutzt werden dürfen.
Die Beklagten berufen sich vor allem auf Verjährung, weil es in den „OB" heißt: „Alle Ansprüche gegen uns verjähren innerhalb drei Monaten von der Entstehung des Anspruchs." Die Klägerin meint demgegenüber, daß die Ansprüche nicht verjährt seien, weil es in den nach ihrer Ansicht vorrangigen KB heißt: „Sämtliche Ansprüche gegen die Reederei verjähren spätestens nach 6 Monaten."
Schiffahrts- und Schiffahrtsobergericht haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Revision der Klägerin wurde nur bezüglich der Klage gegen die Beklagten zu 1 zurückgewiesen. Das Urteil hinsichtlich der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 dagegen aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat zur Frage, ob die in den ÜB enthaltene Verjährungsregelung gegenüber derjenigen in § 28 Abs. 2 KB vorrangig ist oder umgekehrt, ausgeführt:
Wenn in den Verladevorschriften für Rheintransporte der Klägerin von einer ergänzenden Anwendung der „Konnossements- und Übernahmebedingungen" der Beklagten zu 1 die Rede sei, so lasse sich aus der Erwähnung der KB vor den ÜB kein verwertbarer Anhaltspunkt dafür entnehmen, in welchem Rangverhältnis sie zueinander stehen sollten. Entsprechendes gelte für die in beiden Frachtverträgen enthaltene Klausel, die Ware werde übergehen „zur Verladung aufgrund umstehender Konnossements sowie unserer Übernahme-Bedingungen". Auch gebe der Inhalt der ÜB selbst für die zu beurteilende Frage nichts her. Anders verhalte es sich hingegen mit den KB. § 1 Satz 1 KB bestimme ausdrücklich, daß „die Beförderung nach Maßgabe der nachstehenden Bedingungen erfolgt, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen sind". Derartige Vereinbarungen seien nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle von dem Inhalt der KB abweichenden Vertragsbestimmungen, mithin auch die OB, soweit ihr Inhalt mit dem der KB nicht übereinstimme. Für den subsidiären Charakter der KB, jedenfalls in der hier zur Entscheidung stehenden Verjährungsfrage, spreche überdies § 28 Abs. 2 KB. Dessen Fassung („sämtliche Ansprüche ... verjähren spätestens nach 6 Monaten") sei sprachlich nur sinnvoll, wenn die Verjährung auch schon früher eintreten könne.
Die Revision greift diese Ausführungen ohne Erfolg in zwei Punkten an. Wieso es den Beklagten versagt sein soll, zur Frage der Vorrangigkeit zwischen den ÜB und den KB auf einzelne, nach ihrer Auffassung diese Frage regelnde Bestimmungen der KB zu verweisen, ist nicht ersichtlich. Beide Bedingungen sind unstreitige Bestandteile der beiden Frachtverträge.
Dem Berufungsgericht kann nicht vorgeworfen werden, es habe § 1 Satz 1 KB falsch ausgelegt. Seine Ausführungen über den Inhalt dieser typischen Vertragsklausel, die der vollen Nachprüfung durch den Senat unterliegen, sind nicht zu beanstanden. Regelmäßig läßt derjenige, der verschiedene Geschäftsbedingungen nebeneinander zu verwenden beabsichtigt, die Frage nicht unentschieden, welche der Bedingungen bei etwaigen Widersprüchen zwischen einzelnen ihrer Bestimmungen oder bei unterschiedlichen Regelungen vorrangig sein soll. Deshalb wird ein verständiges Mitglied des für die Beklagte zu 1 in Frage stehenden Kundenkreises § 1 Satz 1 KB dahin verstehen, daß damit auch die Subsidiarität der KB gegenüber den ÜB festgelegt worden ist.
Das Berufungsgericht billigt sämtlichen Beklagten die Befugnis zu, sich auf die Verjährungsregelung der ÜB zu berufen. Es übersieht nicht, daß zwischen den Beklagten zu 2 und 3 einerseits und der Klägerin andererseits keine vertraglichen Beziehungen bestanden haben. Es meint aber, es entspreche allgemeiner Auffassung und Ubung in der Rheinschiffahrt, daß Haftungserleichterungen, die eine Reederei als Frachtführer mit dem Absender vereinbart, auch dem Eigner (Unterfrachtführer) und dem Schiffer des den Transport ausführenden Fahrzeugs zugute kämen. Das Bestehen einer solchen Übung entnimmt es, wie seine Bezugnahme auf die Darlegungen des Schiffahrtsgerichts zu diesem Punkt zeigt, der Entscheidung des Senats vom 7. Juli 1960 - II ZR 209/58 (LM Nr. 11 zu Allg. Geschäftsbedingungen = VersR 1960, 727 ff - Anm. der Redaktion: s. auch ZfB 1960, 32.).

Dabei verkennt es, daß in dieser Entscheidung von einer solchen Übung zu Gunsten des Unterfrachtführers keine Rede und für den Schiffsführer lediglich ausgesprochen ist, er könne sich kraft Übung auf Haftungserleichterungsklauseln für die Reederei, mithin des Schiffseigners berufen. Mit der Begründung des Berufungsgerichts läßt sich daher die Abweisung der Klage gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 nicht halten.
Anders als das Berufungsgericht hat das Schiffahrtsgericht die Klage gegenüber den Beklagten zu 2 und zu 3 - jedenfalls in erster Linie - deshalb für unbegründet erachtet, weil sich diese auf Grund eines zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 zu ihren Gunsten stillschweigend geschlossenen Vertrages (§ 328 BGB) auf die Verjährungsregelung der ÜB berufen könnten. Hierzu hat es ausgeführt:
Hätte die Beklagte zu 1 die beiden Partien mit einem eigenen Schiff befördert, so wären Ersatzansprüche der Klägerin aus einem Ladungsschaden ohne weiteres nach drei Monaten verjährt. Diese Rechtslage könne sich nicht dadurch ändern, daß die Beklagte zu 1 für die Beförderung des Tabaks das Schiff eines Dritten gestellt habe.

Diese Ausführungen vermögen die Abweisung der Klage gegenüber den Beklagten zu 2 und zu 3 jedoch ebenfalls nicht zu tragen. Denn nach Absatz 2 der ÜB gelten die Transporte, welche die Beklagte zu 1 durch Dritte ausführen läßt, deren Bedingungen, mithin eben nicht diejenigen der Beklagten zu 1.
Können sich danach die Beklagten zu 2 und zu 3 nach dem ausdrücklichen Inhalt der UB nicht auf die hierin enthaltene Verjährungsregelung berufen, so ist damit noch nicht entschieden, ob sie nicht aus sonstigen Gründen die Einrede der Verjährung geltend machen können. Das käme insbesondere dann in Betracht, wenn auch die Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 2 eine dreimonatige Verjährungsfrist vorsehen sollten und sich die Beklagte zu 2 und zu 3 hierauf gemäß Absatz 2 UB i. V. m. § 328 BGB berufen könnten.