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II ZR 154/77 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.12.1978
Aktenzeichen: II ZR 154/77
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Für die Kosten des Verklarungsverfahrens haftet der Schiffseigner dem Geschädigten jedenfalls dann nur mit Schiff und Fracht, wenn es nicht zum Schadensersatzprozeß kommt und er lediglich für ein Verschulden seiner Schiffsbesatzung in Anspruch genommen werden kann.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 18. Dezember 1978

 II ZR 154/77

 (Rheinschiffahrtsgericht Mainz; Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Nachdem bei einem Zusammenstoß zwischen dem bei dem Kläger versicherten MS B und dem MS „Elfried" der Beklagten das erstere Schiff gesunken war und dessen Schiffsführer beim Schiffahrtsgericht Mainz ein Verklarungsverfahren beantragt hatte, teilte der Versicherer des MS E dem Kläger mit, daß die Beklagten dieses Schiff der Eigentümerin des MS B zum Schadensausgleich zur Verfügung stellten.
Der Kläger verlangt Ersatz verauslagter Anwalts- und Gerichtskosten von zusammen etwa 11 900,- DM, die durch das Verklarungsverfahren entstanden seien.
Die Beklagten bestreiten nicht das Verschulden ihres Schiffsführers an dem Unfall, meinen jedoch, daß ihre Haftung für den Unfall und damit auch für die Verklarungskosten auf das der Eigentümerin des MS B bereits überlassene MS E beschränkt sei.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Richtig ist es, daß der prozessuale, d. h. auf den Vorschriften der Zivilprozeßordnung beruhende, Kostenerstattungsanspruch nicht von einer materiellrechtlichen Haftungsbeschränkung der kostenpflichtigen Partei berührt wird (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 12. Aufl. S. 445; Stein/Jonas, ZPO 20. Aufl. vor § 91 Rnr. 10; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 91 Anm. B II b 2). Demgemäß haftet der aus § 3 BinnSchG auf Schadensersatz in Anspruch genommene Schiffseigner für die von ihm zu tragenden Prozeßkosten grundsätzlich unbeschränkt (Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt 4. Aufl. S. 44; vgl. auch RGZ 33, 79, 85; Prüssmann, Seehandelsrecht § 486 Anm. G 3; Schaps/ Abraham, Das deutsche Seerecht 3. Aufl. Bd. II § 486 Anm. 31; § 487 c HGB n. F.). Richtig ist ferner, daß die Verklarungskosten im Falle eines Rechtsstreits zu den Prozeßkosten gehören, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1970 S. 32; Vortisch/Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. BSchG § 14 Anm. 2 b; Wassermeyer a.a.0. S. 377). Ob sie dann aber wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Prozeßkosten nicht mehr unter die Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG fallen, kann zweifelhaft sein, da weder diese Vorschrift noch die §§ 91 f. ZPO hierzu etwas besagen. Indes kann diese Frage offen bleiben. Denn jedenfalls ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, in solchen Fällen, in denen es nach Abschluß des Verklarungsverfahrens z u keinem Rechtsstreit gekommen und deshalb der Anspruch des Geschädigten auf Erstattung seiner Verklarungskosten allein Bestandteil seines materiell - rechtlichen Schadensersatzanspruches ist, diese Kosten von der Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG auszunehmen und sie damit anders als den sonstigen Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu behandeln. § 14 Abs. 1 BinnSchG ist insoweit ohne Bedeutung. Nach dieser Vorschrift wird die Verpflichtung des Schiffseigners, seinem Schiffer die Kosten des Verklarungsverfahrens zu ersetzen, nicht dadurch berührt, daß der letztere das Verklarungsverfahren auf Verlangen eines Ladungsbeteiligten beantragt und ihm dieser - unter bestimmten Voraussetzungen - die Verklarungskosten zu erstatten hat. Die Regelung enthält nicht, wie die Revision in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, eine haftungsmäßig unbeschränkte Zuweisung der Kosten des Verklarungsverfahrens an den Eigner des schuldigen Schiffes. Vielmehr betrifft sie lediglich die Frage der dem Schiffer zu ersetzenden Aufwendungen im Verhältnis zu einem bestimmten Ladungsbeteiligten und zu seinem Schiffseigner.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Klage auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten begründet:

a) Soweit sie einem „Schadensersatzgläubiger, der mit seinem Anspruch nach Durchführung des Verklarungsverfahrens schon vorprozessual durchdringt, einen besonderen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Schiffseigner entsprechend § 91 ZPO" zubilligen will, berücksichtigt sie bereits nicht, daß es sich bei dem Verklarungsverfahren um ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt (vgl. § 148 Abs. 2 FGG), für derartige Verfahren aber wegen der besonderen Kostenregelung des § 13 a FGG eine entsprechende Heranziehung des § 91 ZPO nicht in Betracht kommt. Selbst wenn § 91 ZPO eingreifen würde, würde dies nichts über die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG besagen, da diese Frage allein nach dieser Vorschrift zu beurteilen ist.

b) Ebensowenig vermag § 683 BGB den Klageanspruch zu rechtfertigen. Dabei kann unerörtert bleiben, inwieweit die Grundsätze, die der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in der in BGHZ 52, 393 f. abgedruckten Entscheidung für den Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Kosten für die Abmahnung eines im Wettbewerb unlauter Handelnden entwickelt hat, auf einen Fall der vorliegenden Art überhaupt anwendbar sind. Jedenfalls scheidet § 683 BGB als Anspruchsgrundlage hier schon deshalb aus, weil sich die Beklagten selbst an dem Verklarungsverfahren beteiligt und dort durch einen eigenen Verfahrensbevollmächtigten ihre Interessen haben vertreten lassen, so daß von einer Wahrnehmung ihrer Interessen durch den antragstellenden Schiffsführer des MS „Burg Hirschhorn" nicht die Rede sein kann.

c) Soweit schließlich die Revision noch auf die Vorschrift des § 286 BGB als Anspruchsgrundlage verweist, mag bei Ansprüchen gegen einen Schiffseigner aus Verzug § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG nicht anwendbar sein, weil es um dessen eigenes Verschulden geht (vgl. auch § 4 Abs. 2 BinnSchG). Jedoch befanden sich die Beklagten mit dem von ihnen zu erbringenden Schadensersatz nicht in Verzug, als der Schiffsführer des MS B das Verklarungsverfahren in Gang brachte. Das Berufungsgericht hat in rechtlich unangreifbarer tatrichterlicher Würdigung in dem anfänglichen Versuch der Beklagten und ihres Versicherers, die Schuld an der Kollision der Schiffsführung von MS B anzulasten, keine endgültige, den Verzug begründende Weigerung gesehen, gegebenenfalls selbst Schadensersatz zu leisten. Damit wird es dem Umstand gerecht, daß nach einer Schiffskollision den Eignern der beteiligten Fahrzeuge eine angemessene Zeitspanne zunächst für die eigene Klärung des Unfallgeschehens und sodann für die Überlegung gewährt werden muß, ob und in welchem Umfange sie bereit sind, Schadensersatzansprüche des Kollisionsgegners - und sei es nur dem Grunde nach - anzuerkennen. Diese Spanne war vorliegend keinesfalls verstrichen, als der Schiffer des MS B mit Anwaltsschriftsatz bereits drei Tage nach dem Zusammenstoß das Verklarungsverfahren in die Wege geleitet hat."