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Leitsätze:
1) Es ist anerkannt, daß die Rheinschiffahrtsgerichte in verschiedenen Fällen auch über die wortgemäße Auslegung des Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte hinaus zuständig sind, besonders im Interesse einer einheitlichen Entscheidung der Verschuldensfrage nach einem Schiffsunfall oder zwecks sinnvoller Anpassung der genannten Bestimmung an zwischenzeitlich eingetretene technische Änderungen.
2) Die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte ist dagegen nicht gegeben, wenn der Stromeigner Aufwendungen für die Ankersuche gegen den betreffenden Schiffseigner geltend macht. In derartigen Fällen ist das Schiffahrtsgericht anzurufen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 24. Mai 1971
II ZR 128/69
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte bei Rhein-km 663,3-4 einen Anker verloren und dies dem Wasser- und Schiffahrtsamt angezeigt. Die Klägerin (Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesverkehrsminister) hat Ersatz ihrer Aufwendungen für die - erfolglose - Ankersuche in Höhe von ca. 425,- DM verlangt.
Rheinschiffahrtsgericht und Rheinschiffahrtsobergericht haben die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin fürsorglich beantragt, die Sache an das Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zu verweisen. Der Bundesgerichtshof hat die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte sind die Rheinschifffahrtsgerichte „kompetent", über Klagen „wegen der Beschädigungen, welche Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen verursacht haben", zu entscheiden. Es liegt auf der Hand, daß unter den Wortlaut dieser Bestimmung ein Anspruch, wie er zwischen den Parteien in Streit steht, nicht fällt.
Nun hat sich aber die Rechtsprechung trotz des internationalen Charakters der Mannheimer Akte mit einer wortgemäßen Auslegung des Art. 34 Nr. II c nicht begnügt. So ist es seit langem anerkannt, daß die Rheinschiffahrtsgerichte nicht nur für Klagen gegen den Schiffer, sondern auch für Klagen gegen andere Besatzungsmitglieder oder gegen den Lotsen zuständig sind, sofern die sonstigen Voraussetzungen des Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte vorliegen (Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß 3. Aufl. S. 29). Ebenso besteht kein Zweifel, daß die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte auch für Klagen gegen den Schiffseigner nach § 3 BinSchG gegeben ist (Wassermeyer aa0 S. 32). Ferner hat sich seit vielen Jahren die Auffassung durchgesetzt, dass Ausgleichsprozesse zwischen mehreren mitschuldigen Schiffen vor den Rheinschiffahrtsgerichten ausgetragen werden können (BGH VERsR 1956, 430). Weiter haben die deutschen Rheinschifffahrtsgerichte mit Billigung des erkennenden Senats, jedoch im Gegensatz zur Zentralkommission, ihre Zuständigkeit stets dann bejaht, wenn vertragliche Ansprüche aus dem Schleppvertrag nach einer Kollision oder einer Fernschädigung geltend gemacht werden (vgl. Walther, Unerlaubte Handlung und Schleppvertrag vor den Rheinschiffahrtsgerichten in Heft 89 der Schriftenreihe des Zentral-Vereins für deutsche Binnenschiffahrt e. V.). Dieser Rechtsprechung liegt einmal der Gedanke zugrunde, daß es, schon um widersprechende Entscheidungen über denselben Schiffsunfall zu vermeiden, im Sinne des Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte liegt, wenn die Verschuldensfrage bei Kollisionen oder Fernschädigungen auf dem Rhein der einheitlichen Beurteilung durch eines der Rheinschiffahrtsgerichte überlassen werden kann. Zum anderen spielt bei ihr die Erwägung eine wesentliche Rolle, daß die genannte Bestimmung, deren Fassung auf die Mainzer Akte von 1831 zurückgeht, einer sinnvollen Anpassung an die zwischenzeitlich eingetretenen technischen Änderungen bedarf, wenn sie weiter die Aufgabe erfüllen soll, für eine rasche, sachkundige und einheitliche Rechtsprechung im Bereich der Rheinschiffahrt zu sorgen (vgl. Wassermeyer aaO S. 28 f).
Keiner dieser Gesichtspunkte kann jedoch dazu führen, Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte unter völliger Vernachlässigung des Wortlauts dieser Bestimmung dahin auszulegen, daß die Rheinschiffahrtsgerichte für einen Fall der vorliegenden Art zuständig sind. Hier geht es weder um die einheitliche Entscheidung der Verschuldensfrage nach einem Schiffsunfall, noch um eine sinnvolle Anpassung der Bestimmung an zwischenzeitlich eingetretene technische Änderungen. Vielmehr steht die ein ganz anderes Gebiet berührende Frage zur Erörterung, ob der Stromeigentümer, der von sich aus nach einem verlorengegangenen Anker sucht, seine Aufwendungen von dem Eigner desjenigen Schiffes ersetzt verlangen kann, das den Anker verloren hat. Für einen derartigen Anspruch bietet Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte aber keine Handhabe, die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte zu begründen. Das zeigt auch der Umstand, daß es das Straßburger Übereinkommen vom 26. November 1963 zur Revision der Mannheimer Akte nicht nur bei der engen - übrigens mit Art. 35 Nr. 2 b des Vertrages zur Schiffbarmachung der Mosel vom 27. Oktober 1956 (BGBI. 11 1837) nahezu gleich lautenden - Fassung des Art. 34 Nr. II c belassen, sondern, wie dem neu eingefügten Art. 34 bis 2. Halbs. zu entnehmen ist, ausdrücklich die Frage verneint hat, ob nunmehr wenigstens sämtliche Ansprüche, die sich nach einem Schiffsunfall aus dem schuldhaften Verhalten des Schiffseigners oder einer Person der Besatzung ergeben können, unter die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte fallen. Der Senat teilt demnach nicht die Meinung der Vorinstanzen, daß ein Anspruch der vorliegenden Art zur Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte gehört. Soweit sich aus dem Urteil des Senats vom 12. März 1964 - II ZR 243/62 - (VersR 1964, 484) eine andere Auffassung entnehmen lassen sollte, wird hieran nicht festgehalten."