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Leitsätze:
1) Ein maßgeblicher Organisationsakt, der die Lotsung im Hamburger Hafen zur Ausübung eines öffentlichen Amtes macht, liegt nicht vor.
2) Die Stadt Hamburg hat aufgrund des Hafenbenutzungsverhältnisses nicht die Pflicht, die Lotsung selbst zu übernehmen und durch ihre Hilfspersonen ausführen zu lassen (§ 278 BGB). Sie hat den Lotsen auch nicht zu einer Verrichtung im Sinne des § 831 BGB bestellt. Der Lotse könnte allenfalls im Verhältnis zum Reeder ein Verrichtungsgehilfe sein.
Zum Tatbestand:
Das TMS C der Beklagten passierte den Rethe-Kanal, um in den Reiherstieghafen in Hamburg einzulaufen. An Bord befand sich als Berater der Schiffsführung der Hafenlotse W., ein Angestellter der Hansestadt Hamburg. Bei einem Drehmanöver geriet das Schiff in die Nähe eines an einer Dalbenreihe liegenden Motorschiffes. Deshalb ließ der Lotse einen Anker werfen, obwohl dies wegen einer Dükerleitung an dieser Stelle durch Verbotstafeln untersagt war. Der Hafenlotse kannte das Verbot. Die Dükerleitung wurde schwer beschädigt und unterbrochen. Einige Wochen später warf das MS B beim Einlaufen in den Rethe-Hafen ebenfalls Anker und beschädigte die gleiche Dükerleitung. Es ergaben sich bei einer Schadenstaxe Gesamtschäden von etwa 112000,- DM, die durch die Gutachter auf die durch die beiden Schiffe verursachten Schäden aufgeteilt wurden. Die Kaskoversicherer zahlten den gesamten Schaden an der Dükerleitung aus und traten die auf sie übergegangenen Ansprüche an die federführende Versicherin, die Klägerin, ab.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz, weil der Hafenlotse, dem der Kapitän die nautische Führung vollständig überlassen habe, die Schäden an der Dükerleitung nicht als beratender Lotse, sondern als bestellter Vertreter des Kapitäns bewußt in Kauf genommen habe. Auf den Schaden von TMS C entfalle der bei weitem größte Schadensbetrag von fast 110 000 DM.
Die Beklagte hat bestritten, daß das Ankermanöver für den geltend gemachten Schaden ursächlich gewesen sei. Der Kapitän habe die Dükerleitung und das Ankerverbot nicht gekannt. Der Lotse, der dem Kapitän das Werfen des Ankers vorgeschlagen habe, habe in Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht aufgrund eines Dienstvertrages mit der Beklagten gehandelt und außerdem nur Eigentum der Hansestadt Hamburg beschädigt, die für den Lotsen einzutreten habe.
Landgericht und Oberlandesgericht haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten wurde im wesentlichen zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Zahlungsanspruch nur im Rahmen des § 774 HGB berechtigt ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Auch wenn nur Ansprüche der Hansestadt Hamburg in Frage kamen, wie die Revision auszuführen sucht, der Hafenlotse also seine Anstellungskörperschaft geschädigt hat, ist der Klageanspruch dem Grunde nach berechtigt, da der Hafenlotse der Hansestadt Hamburg nach § 823 BGB haftet und die Beklagte als Reeder nach § 485 HGB für diese Ersatzpflicht einzustehen hat.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 20. Juni 1968 - II ZR 78/67 - zum Abdruck in BGHZ bestimmt - ausgeführt, daß die Hansestadt Hamburg nicht für Fehler des Hafenlotsen nach Art. 34 GG zu haften hat, weil er kein öffentliches Amt ausübt, wenn er die Schiffsführung berät. Soweit die Beklagte sich die Ausführungen der Revision in dieser Sache zu eigen macht, kann im einzelnen auf das dort ergangene Urteil verwiesen werden. Die ergänzenden Darlegungen der vorliegenden Revision führen nicht dazu, die Ausübung eines öffentlichen Amtes durch den Hafenlotsen anzunehmen. Gegen die Annahme privatrechtlicher Dienstverträge zwischen dem Reeder und dem Hafenlotsen, mag er Beamter oder Angestellter sein, bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Das Entgelt für die Dienste des Lotsen kann auch durch Zahlung einer Gebühr an die Hansestadt Hamburg in Gestalt des Hafengeldes geleistet werden, das ohne Rücksicht darauf zu zahlen ist, ob die Dienste des Hafenlotsen in Anspruch genommen werden oder nicht. Die unterschiedliche Haftungslage des Hafenlotsen bei Erfüllung einer privatrechtlichen Verpflichtung (Haftung für leichte Fahrlässigkeit) und bei Ausübung eines öffentlichen Amtes (nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im Rückgriffswege) kann ebenfalls keinen Grund geben, die Lotsung im letzteren Sinne zu behandeln, zumal möglicherweise im ersteren Fall der Gesichtspunkt der Leistung schadengeneigter Arbeit in beiden Fällen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Haftung für Amtspflichtverletzungen führen würde. Entscheidend ist, daß ein maßgeblicher Organisationsakt, der die Lotsung im Hamburger Hafen zur Ausübung eines öffentlichen Amtes macht (Art. 34 GG), nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Hafengesetzes durch das Berufungsgericht nicht vorliegt. Aus dem Hafenbenutzungsverhältnis ergab sich ebenfalls keine Pflicht der Hansestadt Hamburg, die Lotsung selbst zu übernehmen und durch ihre Hilfspersonen ausführen zu lassen (§ 278 BGB). Sie hat auch den Lotsen nicht zu einer Verrichtung im Sinne des § 831 BGB bestellt. Wenn der Lotse überhaupt Verrichtungsgehilfe ist, so ist er ein solcher des Reeders. Die Beklagte hat nicht behauptet, daß ein Verschulden von Amtsträgern der Hansestadt Hamburg vorliege, die den Hafenlotsen Waller nicht genügend sorgfältig vor seiner Einstellung als Hafenlotse überprüft oder seine Tätigkeit nicht genügend überwacht hätten.
Für den Zahlungsanspruch haftet aber der Reeder nur beschränkt persönlich, nachdem er das Schiff in Kenntnis der erhobenen Ansprüche auf neue Reise ausgesandt hat (§ 774 HGB). Diese Einschränkung ist bereits im Zwischenurteil zu machen, was aber gegenüber dem ergangenen Urteil lediglich eine Klarstellung bedeutet."