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II ZR 109/73 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 11.07.1974
Aktenzeichen: II ZR 109/73
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 823 BGB
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Es wird an der in BGHZ 35, 160 abgedruckten Entscheidung des Senats festgehalten, wonach die nach § 823 BGB begründete Haftung des Schiffseigner-Schiffers eines Sportmotorbootes auch bei bloß nautischem Verschulden nicht auf Schiff und Fracht beschränkt, sondern unbeschränkt ist.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 11. Juli 1974

II ZR 109/73

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Auf der Bergfahrt vom Neußer Floßhafen zum Neußer Sporthafen kollidierte das dem Beklagten gehörende und von ihm geführte Kajütmotorboot W im Juni 1970 gegen 23 Uhr mit dem zu Tal fahrenden, vom Streithelfer zu 2 geführten Schubverband der Streithelferin zu 1, bestehend aus Schubboot E und Schubleichter C, wobei das Sportboot auseinanderbrach. Von den an Bord befindlichen 23 Personen ertranken 8, darunter 3 Polizeibeamte und 1 Werbekaufmann.
Die Klägerin, die an die Ehefrauen und Kinder der vorgenannten 4 Personen gesetzliche Witwen- und Waisenrenten zahlt, macht deren nach § 1542 RVG übergegangene Schadensersatzansprüche geltend und behauptet, daß der Beklagte mit seinem Boot aus Unachtsamkeit in den Kurs des Schubverbandes gelaufen sei. Außerdem sei das Boot nur beschränkt fahrtüchtig, nicht hinreichend bemannt und überladen gewesen.
Der Beklagte bestreitet jedes Verschulden. Die Kollision beruhe nur darauf, daß der Schubverband nicht die vorgeschriebenen Lichter geführt habe.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat der Leistungsklage dem Grunde nach und der Feststellungsklage stattgegeben. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beklagte den Schubverband, der d e vorgeschriebenen Lichter ordnungsgemäß geführt habe, schuldhaft zu spät gesehen, so daß er ihm mit seinem Sportboot nicht mehr habe ausweichen können. Damit habe er er gegen die ihm nach § 4 RheinSchPolVO 1954 obliegende allgemeine nautische Sorgfaltspflicht verstoßen und sich schadensersatzpflichtig gemacht (§§ 823, 276, 249 BGB, 7 BinnSchG). Auch könne er sich nicht, wie das Rheinschiffahrtsgericht angenommen habe, auf die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG berufen, wonach der Schiffseigner, wenn er sein Fahrzeug selbst führe, für einen durch fehlerhafte Führung des Schiffes entstandenen Schaden ausschließlich mit Schiff und Fracht hafte, sofern ihm nicht eine „bösliche Handlungsweise" zur Last falle. Denn die Vorschrift finde auf die Eigner von Sportbooten keine Anwendung.

Die Revision greift diese Ausführungen ohne Erfolg an (wird ausgeführt).

Was die Frage einer Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG zu Gunsten des Beklagten angeht, so ist folgendes zu bemerken:

Der Senat hat bereits in dem in BGHZ 35, 150 ff. abgedruckten Urteil entschieden, daß die nach § 823 BGB begründete Haftung eines Schiffseigner-Schiffers eines Sportmotorbootes auch bei bloß nautischem Verschulden nicht auf sein Fahrzeug beschränkt, sondern unbeschränkt ist (vgl. auch LM § 4 BinnSchG Nr. 6 und 7 jeweils mit Anmerkung von Lieseke). An dieser Rechtssprechung hat der Senat in dem Urteill vom 17. Februar 1972 - II ZR 46/70 - (VersR 1972, 456, 457) festgehalten. Von ihr abzugehen, besteht entgegen der Ansicht der Revision kein Anlaß. Zwar trifft es zu, daß der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG lediglich von dem Schiffseigner spricht, somit nicht zwischen dem Schiffseigner-Schiffer eines gewerblich genutzten Fahrzeugs und dem eines Sportbootes - sofern es sich dabei um ein Schiff im Sinne des Binnenschiffahrtsgesetzes handelt (vgl. BGHZ 57, 309 ff.) - unterscheidet. Insoweit kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, daß es bei der Schaffung dieser Vorschrift, die eine Ausnahme von der allgemeinen unbeschränkten Verschuldenshaftung beinhaltet, allein um die Schiffseigner-Schiffer von gewerblich genutzten Fahrzeugen gegangen ist, die aus sozialen Erwägungen haftungsmäßig ebenso gestellt werden sollten wie die Schiffahrtsgesellschaften, die ihre Fahrzeuge von angestellten Schiffern führen lassen und für deren Verschulden nur mit Schiff und Fracht haften (§§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG). Auch mag es richtig sein, daß die - aus dem Seerecht übernommene - Haftung des Schiffseigners für das Verschulden der Besatzung, von der er sich nicht exkulpieren kann,; in einem engen Zusammenhang mit der Beschränkung seiner Haftung auf Schiff und Fracht steht. Das hat jedoch nichts mit der Frage der Haftungsbeschränkung für eigenes nautisches Verschulden des Schiffseigner-Schiffers zu tun. Überdies ist der Senat der Ansicht, daß eine Einbeziehung der Schiffseigner-Schiffer von Sportfahrzeugen in die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG zu nicht billigenswerten Ergebnissen führen würde. Das ergibt sich bereits daraus, daß die Haftungsvorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes nur Schiffe im Sinne dieses Gesetzes betreffen, somit § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG überhaupt nur einen Teil der Sportbooteigner umfassen würde. Auch würde eine Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG auf einen bestimmten Kreis von Sportbooteignern bedeuten, daß ihr Haftungsrisiko bei nautischem Verschulden auf einen Wert beschränkt wäre, der - im Gegensatz zu den üblichen Werten der Fahrzeuge der gewerblichen Schiffahrt - vielfach nicht sehr hoch und im Falle einer bei Kollisionen nicht seltenen vollständigen Zerstörung des Sportfahrzeuges gleich Null ist. Damit würde aber dieser Kreis zu Lasten eines geschädigten Dritten in einer Weise bevorzugt, für die es weder eine sachliche Notwendigkeit, geschweige eine überzeugende Rechtfertigung gibt."