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II ZR 10/77 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Moselschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 28.09.1978
Aktenzeichen: II ZR 10/77
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Moselschiffahrt

Leitsätze:

1) Eine Konnossementsklausel, die den Verfrachter berechtigt, auch im Falle schuldlos unrichtiger Angaben des Befrachters/ Abladers über Wert, Inhalt, Abmessungen oder Gewicht der zu verschiffenden Güter den doppelten Betrag der bei richtiger Aufgabe zu zahlenden Fracht zu verlangen, ist wirksam.
2) Ebenso ist eine Konnossementsklausel wirksam, die dem Befrachter/Ablader auch ohne eigenes Verschulden die Haftung für den Schaden des Verfrachters infolge eines von der Verladerseite ausgehenden Schmuggels auferlegt.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 28. September 1978 

 (Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)


Zum Tatbestand:

Mit einem von der Klägerin bereederten Motorschiff verschiffte die Beklagte als Speditionsunternehmen 70 Fässer, deren Inhalt als Natriumbikarbonat deklariert war, die aber, wie bei der Löschung festgestellt wurde, Pistolenmunition enthielten.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz der durch Beschlagnahmemaßnahmen entstandenen Schäden (Kautionsstellung, Zollstrafen, Kostendes Strafverfahrens gegen den Kapitän usw.) und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme aller noch entstehenden Aufwendungen.
Sie verlangt außerdem eine Straffracht (doppelte Frachtrate für die Beförderung von Munition abzüglich der wesentlich niedrigeren Fracht für das deklarierte Gut). Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf entsprechende Konnossementsbedingungen.
Die Beklagte wendet ein, dass sie mangels jeder Kenntnis und daher mangels jeglichen Verschuldens nicht hafte. Auch durch Konnossementsbedingungen könne einem schuldlosen Befrachter weder eine Straffracht noch die Haftung für Verfrachterkosten rechtswirksam auferlegt werden.
Das Landgericht hat die Klage - unter Abweisung des Anspruchs auf Straffracht - dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat alle Ansprüche, auch bezüglich der Straffracht, dem Grunde nach zuerkannt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Konnossementsklauseln, die den Verfrachter berechtigen, im Falle einer unrichtigen Erklärung („by the shipper") über Wert, Inhalt, Abmessungen oder Gewicht der Güter den doppelten Betrag der bei richtiger Aufgabe zu zahlenden Fracht zu fordern, oder die für den Fall des Schmuggels dem „shipper" - auch ohne eigenes Verschulden - die Haftung für alle dem Verfrachter oder dem Reeder dadurch entstehenden Kosten (einschließlich Zollstrafen) auferlegen, sind nicht, wie die Revision meint, unüblich. Das zeigt ein Blick in die Bedingungen allgemein bekannter Konnossemente (vgl. Regel VII Nr. 1 des Deutschen Einheitskonnossements 1940, dessen Inhalt von den Reedern und der Verladerschaft gemeinsam festgelegt worden ist - Stödter, Geschichte der Konnossements-klauseln S. 75/76; Klausel 8 des von der Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) entwickelten Linienkonnossements „Colinebill" - Abdruck einer deutschen Übersetzung bei Schaps/ Abraham, Seerecht 4. Aufl. § 643 HGB Rnr. 24; vgl. außerdem Klausel F des bei Lebuhn, Das Linienkonnossement S. 91 f, wiedergegebenen Konnossementsformulars; ferner Lebuhn, Neuzeitliche Konnossementsfragen S. 48, sowie Schlegelberger/Liesecke, Seehandelsrecht § 564 Rnr. 4). Demnach müssen Befrachter, Ablader und Empfänger mit derartigen Konnossementsklauseln auch dann rechnen, wenn diese - wie hier - aus einem klein-gedruckten und nur wenig systematisch gestalteten Klauseltext weder durch eine abweichende Druckgestaltung noch durch einen besonderen Hinweis im Konnossement selbst hervorgehoben sind.
Ersichtlich geht auch die Revision davon aus, dass Straffrachtklauseln in Konnossementsbedingungen nicht generell unwirksam sind. Jedoch meint sie, solche Klauseln seien dann als unwirksam anzusehen, wenn sie den Verfall der Straffracht nicht an ein Verschulden des Befrachters/Abladers knüpften. In einem solchen Falle benachteilige der Verfrachter den Befrachter/Ablader in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise. Das müsse hier umso mehr angenommen werden, weil nach der Fassung der streitigen Klausel 9 nicht einmal hinreichend klar sei, ob die Straffracht bereits durch eine objektiv unrichtige Erklärung seitens des Befrachters/Abladers verwirkt werde.

Zu diesen Ausführungen der Revision ist zu bemerken:


a) Eine Anwendung der Unklarheiten-Regel zu Lasten der Klägerin (vgl. auch § 5 AGB-Gesetz) ist nicht möglich. Sicher ist von einer Konnossementsklausel, welche den Verfall einer Straffracht nur von dem Vorliegen einer unrichtigen Erklärung des Befrachter/Abladers über Wert, Inhalt, Abmessungen oder Gewicht der Güter und nicht auch von dessen Verschulden daran abhängig macht, zu verlangen, dass sie das klar und unmissverständlich ausdrückt. Das geschieht aber durch Klausel 9 der Konnossementsbedingungen der Klägerin. Die Klausel lässt, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch den Gebrauch des Wortes „incorrect" (unrichtig, fehlerhaft - vgl. Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch Englisch-Deutsch) und der nachfolgenden Gegenüberstellung des Wortes „correctly" (richtig) keinen Zweifel daran, dass es für die Verwirkung einer Straffracht nur auf die Unrichtigkeit der Erklärung selbst und nicht auf ein Verschulden des Befrachters/Abladers daran ankommt.

b) Es ist richtig, dass § 339 BGB die Verwirkung einer Vertragsstrafe an ein Verschulden des Verpflichteten knüpft (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juni 1972 - II ZR 101/70, LM § 339 BGB Nr. 16). Jedoch können die Vertragsparteien eine abweichende Regelung treffen (BGH a.a.O.). Allerdings wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass das Verschuldenserfordernis nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in einem Formularvertrag abbedingen werden könne; das „würde einen der Eckpfeiler der gesetzlichen Regelung aufheben und eine verschuldensunabhängige Haftung begründen" (Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen 2. Aufl. Rnr. F. 220). Indes kommt es für die Unwirksamkeit eines verschuldensunabhängigen Vertragsstrafeversprechens in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in einem Formularvertrag darauf an, ob eine solche Klausel den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (vgl. § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz). Insoweit ist das Abweichen von dem Verschuldenserfordernis des § 339 BGB von Bedeutung (vgl. § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz). Das schließt aber nicht aus, die Klausel wegen anderer gewichtiger Gesichtspunkte für wirksam anzusehen.

So ist es hier:
Im modernen Seeverkehr ist es geboten, die Lade- und Löscharbeiten rasch durchzuführen, damit längere unwirtschaftliche Liegezeiten der Schiffe vermieden werden. Aus diesem Grunde kann der Verfrachter regelmäßig Wert, Inhalt, Abmessungen oder Gewicht der Güter nicht selbst überprüfen. Vielmehr muss er sich auf die Angaben der Befrachterseite verlassen, an deren Richtigkeit er, insbesondere um die Fracht nicht zu niedrig zu berechnen, ein dringendes Interesse hat. Sicher ist deshalb nichts dagegen einzuwenden, dass er durch Aufnahme einer Straffrachtklausel in seine Konnossementsbedingungen einen wirkungsvollen Druck auf die Befrachterseite auszuüben sucht, die für die Frachtbemessung in Betracht kommenden Ladungsdaten richtig mitzuteilen und nicht durch falsche Angaben Fracht auf seine Kosten zu sparen. Indem vermag das eine solche Klausel vielfach nicht zu erreichen, wenn die Straffracht erst bei einem Verschulden des Befrachters/Abladers anfällt. Im Seefrachtverkehr, vor allem bei Stückgütern, besteht nämlich die Besonderheit, dass der Versender, von dem in aller Regel die für die Frachtberechnung in Betracht kommenden Ladungsdaten stammen, zumeist nicht selbst in vertragliche Beziehungen zu dem Verfrachter tritt, weil er die Befrachtung und das Abladegeschäft einem Spediteur überlässt. Das bedeutet, dass in diesen Fällen eine an das Verschulden des Befrachters/Abladers anknüpfende Straffrachtklausel gegenüber dem Versender kaum einen Druck auszuüben vermag, da dieser einerseits nicht Partei des Frachtvertrages ist und andererseits sich der befrachtende/abladende Spediteur fast immer wird damit entschuldigen können, dass die unrichtige Erklärung auf Angaben seines Auftraggebers, des Versenders, beruhe und für ihn kein Grund bestanden habe, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Anders ist es hingegen, wenn bereits eine (objektiv) unrichtige Erklärung des befrachtenden/abladenden Spediteurs hinsichtlich der Ladungsdaten zum Verfall der Straffracht führt. Da sich der Spediteur für die Folgen einer solchen Erklärung, sofern sie aus unrichtigen Angaben des Versenders stammt, bei diesem nach § 7 Buchst. a) Abs. 1 Satz 2 ADSp schadlos halten kann, ist eine verschuldensunabhängige Straffrachtklausel praktisch auch gegenüber dem Versender wirkungsvoll. Sie führt außerdem zu dem Ergebnis, dass denjenigen letztlich die Straffracht trifft, der für die unrichtige Erklärung der eigentlich Verantwortliche ist. Eine solche Klausel benachteiligt deshalb nicht den Befrachter/Ablader in einer unangemessenen, gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise.
Ähnlich liegen die Dinge, soweit es um die Haftung des Befrachters/Abladers nach Klausel 10 der Konnossementsbedingungen der Klägerin für Schäden des Verfrachters oder des Reeders im Falle eines Schmuggels geht. Eine solche Haftung tritt nach der gesetzlichen Regelung allerdings erst bei einem Verschulden des Befrachters/Abladers ein (§ 564 Abs. 2 HGB). Jedoch ist die Regelung ebenfalls nicht zwingend (Prüssmann, Seehandelsrecht § 564 Anm. D 1 a; Schaps/Abraham a.a.O. § 564 HGB Rnr. 6). Im seerechtlichen Schrifttum wird daher die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Befrachters/Abladers für wirksam angesehen, und zwar auch dann, wenn das über eine Konnossementsklausel geschieht (Lebuhn, Das Linienkonossement S. 79; Prüssmann a.a.O.; Schaps/Abraham a.a.O. § 564 HGB Rnr. 6; Schlegelberger/Liesecke a.a.O. § 564 Rnr. 4). Dem ist zuzustimmen. Zunächst kann auch in diesem Zusammenhang nicht daran vorbeigegangen werden, dass der Verfrachter wegen des aus Gründen der Wirtschaftlichkeit gebotenen raschen Ladens oder Löschens der Güter deren Wert, Inhalt, Beschaffenheit oder Gewicht oder sie betreffende Zollerklärungen regelmäßig nicht selbst überprüfen kann. Ferner kommt auch hier der Gesichtspunkt zum Tragen, dass der Verfrachter wegen der vielfach erfolgenden „Aufspaltung" des Versendungsvorgangs (vgl. oben) einen ihm unverschuldet durch Schmuggel des Versenders entstandenen Schaden von dem befrachtenden/abladenden Spediteur ohne eine entsprechende Vereinbarung im Frachtvertrag nicht ersetzt verlangen kann, wogegen sich dieser nach § 7 Buchst. a) Abs. 1 Satz 2 ADSp bei seinem Auftraggeber schadlos halten könnte. Außerdem ist bedeutsam, dass dem Frachtrecht Regelungen, die den Auftraggeber des befördernden Unternehmers allein wegen der Unrichtigkeit bestimmter Angaben oder Erklärungen schadensersatzpflichtig werden lassen, keineswegs fremd sind. So haftet der Absender (der im Landfrachtrecht dem Befrachter des Seefrachtrechts entspricht) nach § 426 Abs. 2 und 3 HGB dem Frachtführer u. a. für die Richtigkeit der in den Frachtbrief aufgenommenen Bezeichnung der Güter nach Beschaffenheit und Menge sowie der für eine zollamtliche Behandlung nötigen Begleitpapiere, und zwar auch ohne eigenes Verschulden (Baumbach/Duden, HGB 23. Aufl. § 426 Anm. 2 c). Ferner enthalten praktisch gleiche Regelungen § 57 Abs. 1 EVO, § 13 Abs. 1 KVO, Art. 7 § 1 des Internationalen Übereinkommens über den Eisen-bahnfrachtvertrag (CIM) vom 25. Februar 1961 - BGBI. 1964 II 1520f, Art. 7 Nr. 1 des Internationalen Obereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19. Mai 1956 - BGBI. 1961 II 1119 f. und Art. 10 des Internationalen Übereinkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Warschauer Abkommen) vom 12. Oktober 1929    RGBI. 1933 II 1039 f.
Demgegenüber vermag die Revision für die von ihr bejahte Unwirksamkeit einer verschuldensunabhängigen Schmuggelklausel im wesentlichen nur darauf hinzuweisen, dass dadurch dem Befrachter/Ablader eine unbeschränkte Haftung ohne eigenes Verschulden auferlegt werde. Indes wird eine solche Haftung von den am Frachtverkehr beteiligten Kreisen für hinnehmbar angesehen. Das zeigen die im vorigen Absatz aufgeführten Bestimmungen. Sie beruhen offenbar auf dem Gedanken, dass Schäden des Beförderungsunternehmers, die ihren Ursprung in einem fehlerhaften Verhalten der Verladerseite haben, zu Lasten dieser Seite gehen sollen und dem Beförderungsunternehmer durch eine verschuldensunabhängige Haftung seines Vertragspartners (Absender, Befrachter) hierfür ein möglichst einfacher Weg zur Schadensliquidation eröffnet werden soll. Müsste sich hingegen der Beförderungsunternehmer mit seiner Schadensersatzforderung an den jeweils schuldigen Teil der Verladerseite verweisen lassen, so würde er vielfach unbefriedigt bleiben, da es für ihn oftmals nicht möglich sein wird, diesen zu ermitteln oder dessen Verschulden nachzuweisen, zumal ihm die Verhältnisse auf der Verladerseite, insbesondere die Person des Versenders, im allgemeinen unbe¬kannt sind, außerdem die Verfolgung nichtvertraglicher Ansprüche gegen im Ausland ansässige Versender mit besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Das alles gilt insbesondere für die Fälle des Schmuggels. Für sie kann deshalb der - wie hier - schuldlose Verfrachter dem Befrachter/ Ablader die Haftung durch eine verschuldensunabhängige Konnossementsklausel wirksam auferlegen.“