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I ZR 197/85 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 24.09.1988
Aktenzeichen: I ZR 197/85
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsätze:

1. Der Frachtführer ist nicht verpflichtet, über die Überprüfung der Verladung auf Betriebssicherheit hinaus auch die Beförderungssicherheit des Gutes (die- Ladungssicherung) zu überprüfen. Jedoch trifft ihn die allgemeine Rechtspflicht, auf eine ordnungsgemäße, das Gut vor Schaden bewahrende Verladung. hinzuwirken, wenn er — z. B. bei der Uberprüfung der Betriebssicherheit des Fahrzeugs — erkennt, daß das Gut nicht beförderungssicher verladen ist, oder wenn die Gefahr eines Schadenseintritts nach den Umständen für ihn ohne weiteres ersichtlich ist.


2. Zur Frage der Gewichtung von Fahrfehlern des Frachtführers und Verladefehlern des Absenders (oder Empfängers oder eines für den Absender oder Empfänger handelnden Dritten) bei der Schadensabwägung.


3. Beförderungsvertrag im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR, der den Empfänger zur Geltendmachung von Rechten gegen den Frachtführer legitimiert, ist der Vertrag zwischen Absender und (Haupt-) Frachtführer, nicht der Vertrag zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer. Ansprüche „aus dem Beförderungsvertrag" (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR) stehen dem Empfänger gegen einen Unterfrachtführer nur zu, wenn dieser durch Annahme von Gut und Frachtbrief Vertragspartei des Absenders geworden ist (Art. 34 CMR).

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 24. September 1988

I ZR 197/85

(Oberlandesgericht Saarbücken)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin erteilte der Beklagten zu 2, einer Speditionsfirma, den Auftrag zum Transport von Fliesen von Italien nach dem Saarland. Die Beklagte zu 2 schaltete für den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr die Beklagte zu 1 ein, deren Fahrer bei der Abholung der Ware von den italienischen Verkäuferfirmen die Weisung gab, die Paletten, auf denen die Fliesen in Kartons gelagert waren, auf der Ladefläche des Lkw zwecks besserer Lastverteilung in größeren Abständen voneinander aufzustellen. Ausgelöst durch eine Vollbremsung stürzten zahlreiche Kartons mit Fliesen während der Fahrt um, wodurch ein großer Teil der  Ladung zerbrach und unbrauchbar wurde.
Die Klägerin verlangt von beiden Beklagten den Ersatz des Gesamtschadens von etwa DM 13400,—, da der Schaden vom Fahrer der Beklagten zu 1 infolge unzutreffender Einschätzung der Verkehrslage durch eine Vollbremsung des Kfz verursacht worden sei und deshalb die Beklagte zu 1 als ausführender Frachtführer und die Beklagte zu 2 als Fixkostenspediteur wie ein Frachtführer hafte.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von etwa DM 4420,— (ca. 1/3 des Anspruchs) stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin unter Zurückweisung der Berufung beider Beklagten einen Schadensersatzanspruch von etwa DM 8950,— zugesprochen. Auf die Revision beider Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
II. Revision der Bekl. zu 2)
1. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin, daß eine Mithaftung der Bekl. zu 2) insoweit besteht, als der Fahrer der Bekl. zu 1) nicht dafür sorgte, daß das Gut im Hinblick auf die zwischen den Paletten während der Verladung entstandenen Zwischenräume gegen ein Umstürzen während der Fahrt gesichert wurde.
...
Die Revision wendet dagegen ein, eine Mithaftung der Bekl. scheide insoweit schon deshalb aus, weil es nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c) CMR nicht auf die Verpflichtung zur Verladung ankomme, sondern allein darauf, wer tatsächlich verladen habe. Dies hätten aber — ungeachtet der Anweisung des Fahrers — allein die italienischen Verkäuferfirmen getan. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht der Revision, daß die Haftungsbefreiung des Frachtführers nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c) CMR nicht davon abhängt, wer von den an der Durchführung eines Beförderungsauftrags Beteiligten — Frachtführer, Absender, Empfänger oder Dritte, die für Absender oder Empfänger handeln — das Gut zu verladen hat. Maßgebend ist insoweit allein, wer die Verladung tatsächlich vornimmt (BGH, Urt. v. 28.3. 1985 — 1 ZR 194/82, NJW 1985, 2092, 2093 = TranspR 1985, 261, 264 = VersR 1985, 754, 756). Das waren hier, worauf die Revision mit Recht hinweist, die italienischen Verkäuferfirmen, nicht der Fahrer der Bekl. zu 1).
...
Mit der Anweisung, das Gut in bestimmter Weise auf der Ladefläche zu verteilen, hat er an der Verladung ebenfalls nicht teilgenommen. Diese Anweisung diente allein der besseren Lastverteilung und damit der Stabilität und Betriebssicherheit des Fahrzeugs. In die auf den Schutz des Gutes vor Verlust, Zerstörung oder Beschädigung gerichtete beförderungssichere Verladung, auf die Art. 17 Abs. 4 Buchst. c) CMR abstellt, hat er damit nicht eingegriffen.
b) Gleichwohl ist die Bekl. zu 2) nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang von der Haftung aus dem mit der KI. geschlossenen Beförderungsvertrag frei. Trotz Vorliegens der Voraussetzungen, unter denen der Frachtführer nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c) CMR von der Haftung befreit ist, schließt die CMR die Berücksichtigung weiterer vom Frachtführer zu verantwortender Schadensursachen nicht aus (Art. 17 Abs. 5 CMR). Darauf beruft sich die KI. zu Recht. Denn auch der Fahrer der Bekl. zu 1) hat im Zusammenhang mit der Verladung des Gutes eine Schadensursache gesetzt, für die die Bekl. zu 2) eine Mithaftung trifft (Art. 3, Art. 17 Abs. 1und 5 CMR).
aa) Dies folgt allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus der Erwägung, daß die Bekl. zu 1) durch ihren Fahrer die Pflicht zu einer beförderungssicheren Verladung des Gutes oder Mitwirkungs- oder Überprüfungspflichten insoweit verletzt habe. Dahingehende Pflichten trafen die Bekl. zu 1) vorliegend nicht.
aaa) Die CMR enthält keine Regelung der Frage, wer von den Beteiligten - Absender oder Frachtführer - zur beförderungssicheren Verladung des Gutes verpflichtet ist. Maßgebend sind daher die in einem solchen Falle ergänzend heranzuziehenden nationalen Rechtsvorschriften, hier die Bestimmungen des deutschen Rechts. Nach ihnen ist es Sache des Absenders, nicht des Frachtführers, für eine das Gut vor Zerstörung oder Beschädigung schützende ordnungsgemäße Verladung zu sorgen (§17 Abs. 1 Satz 1 KVO).
...
Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Frachtführers, auch den Anforderungen Rechnung zu tragen, die an die Ladungssicherung (beförderungssichere Verladung) zu stellen sind (BGHZ 32, 194, 197 f.; BGH, Urt. v. 20.3. 1970 - 1 ZR 28/69,LM KVO Nr. 29 = VersR. 1970, 459, 460).
bbb) Des weiteren trafen Verladepflichten die Bekl. zu 1) auch nicht aus ausdrücklicher oder stillschweigender Übernahme. Weder hat das Berufungsgericht festgestellt, noch sind sonst Umstände dafür ersichtlich, daß der Fahrer erklärt habe, er übernehme die Verladung oder die Verantwortung dafür.
...
bb)Jedoch hatte die Bekl. zu 1) die allgemeine Rechtspflicht, das ihr zur Beförderung übergebene fremde Eigentum vor Beschädigung während des Transports zu schützen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, daß der Frachtführer - ebenso wie der Spediteur oder Lagerhalter - aus seiner Fürsorgepflicht für ihm anvertrautes fremdes Gut auch ohne vertragliche Verpflichtung gehalten ist, dieses vor Schaden zu bewahren (RGZ 102, 38, 42; 105, 302, 304; BGHZ 9, 301, 307; 46, 140, 146; BGH, Urt. v. 20.3. 1970 - 1 ZR 28/69, LM KVO Nr. 29 = VersR a1970, 459, 460; Urt. v. 22.4. 1977 - 1 ZR 18/76, LM AGNB Nr. 5 = VersR 1977, 662, 663).
Diese allgemeine Rechts- und Obhutspflicht verletzt der Frachtführer allerdings nicht schon dann, wenn er sich auf die Überprüfung der ihm obliegenden Betriebssicherheit seines Fahrzeugs nach Durchführung der Verladung beschränkt und nicht auch - über diese Überprüfung hinaus - der Frage der Sicherung der Ladung gegen Transportschäden nachgeht.
...
Gegen diese allgemeine Rechtspflicht, das zum Transport übernommene fremde Eigentum vor Zerstörung oder Beschädigung zu bewahren, hat der Fahrer der Bkl. zu 1) vorliegend verstoßen. Auch wenn ihn keine Mitwirkungs-, Uberwachungs- oder Überprüfungspflichten bei der Verladung des Gutes trafen, mußte er der Tatsache Rechnung tragen, daß die Gefahr bestand, die im Fahrzeug mit Zwischenräumen, d. h. ungesichert aufgestellten Paletten könnten mangels ausreichender eigener Standfestigkeit durch Fahrterschütterungen oder sonstige während der Fahrt auf das Gut einwirkende Kräfte umstürzen und dadurch zu Schäden am Gut führen. Daß diese Gefahr bestand, drängte sich auf. Ersichtlich war sie spätestens bei der Überprüfung des Fahrzeugs auf Betriebssicherheit. Der Fahrer der Bekl. zu 1) hätte daher die Verkäuferfirmen zur Sicherung der Ladung anhalten, notfalls die Ausführung der Beförderung ablehnen oder von weiteren Weisungen der Bekl. zu 1) abhängig machen müssen. Hätte er das getan, wäre der Schaden vermieden worden. Die Mitursächlichkeit seines Verhaltens insoweit hat daher das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht bejaht (Art. 17 Abs. 5 CMR). Für dieses Verhalten des Fahrers ihrer Erfüllungsgehilfen, der Bekl. zu 1), hat die Bekl. zu 2) einzustehen (Art. 3 CMR).
2. Gleichwohl muß die Revision in dem erkannten Umfang Erfolg haben, weil die bislang getroffenen Feststellungen nicht die Auffassung des Berufungsgerichts tragen, daß die von dem Fahrer der Bekl. zu 1) vorgenommene Vollbremsung, die den Schaden ausgelöst hat, der Bekl. zu 2) als weitere Schadensursache anzulasten sei, und weil ferner durchgreifende Bedenken gegen die Schadensquotierung des Berufungsgerichts bestehen.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Fahrer der Bekl. zu 1) eine weitere Schadensursache dadurch gesetzt, daß er während des Transports den von ihm gelenkten Lastzug durch eine Vollbremsung abgebremst hat.
Als unbestritten durfte das Berufungsgericht allein die Tatsache der Vollbremsung ansehen, jedoch nicht die diesem Vorgang zugrunde liegenden Umstände. Mit Schriftsatz vom 16.3. 1981 hatten die Bekl. in Abrede gestellt, daß der Fahrer der Bekl. zu 1) einen Fahrfehler begangen habe. (Wird ausgeführt.)
...
Dabei kann aber vorliegend nicht außer Betracht bleiben, daß das Landgericht und ersichtlich auch die Parteien die KI. hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Fahrfehlers für darlegungs- und beweisbelastet angesehen und damit die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast insoweit verkannt haben. Beweisfällig wären daher die Bekl. erst dann gewesen, wenn sie auch nach Erörterung der Beweislastfrage durch das Berufungsgericht (§§3139, 278 Abs. 3, 523 ZPO) die Verkehrssituation nicht näher dargelegt und Beweis zur Frage des Fahrfehlers nicht angetreten hätten.
b) Mit Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Erörterungen des Berufungsgerichts zur Schadensteilung. Das Berufungsgericht hat den von ihm für gegeben gehaltenen Fahrfehler des Fahrers der Bekl. zu 1) mit 1/2 , dessen Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Verladung mit 1/6 und die von den Verkäuferfirmen gesetzte Schadensursache mit 1/3 gewichtet und dementsprechend den Schaden im Verhältnis 2/3 (Bekl.) zu 1/3 (KI.) geteilt.
Bei dieser Schadensquotierung kann es nach dem derzeitigen Verfahrensstand schon deshalb nicht bleiben, weil das Fahrverhalten des Fahrers der Bekl. zu 1) (Vollbremsung) als Schadensursache dann außer Betracht zu bleiben hat, wenn der Bekl. zu 2) der Entlastungsbeweis aus Art. 17 Abs. 2 CMR gelingt.
Darüber hinaus kann das Fahrverhalten des Fahrers, selbst wenn ihn ein Verschulden träfe, gegenüber dem Verursachungsanteil, der die Verladung und das damit in Zusammenhang stehende Verhalten der Verkäuferfirmen und des Fahrers betrifft, nicht ohne weiteres mit 1/2 berücksichtigt werden. (Wird ausgeführt.)
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III. Revision der Bekl. zu 1)
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der KI. Schadensersatzansprüche nach der CMR auch gegen die Bekl. zu 1) zuständen (Art. 13 CMR), weil die KI. auch ihr gegenüber anspruchsberechtigt sei. Dem kann nicht beigetreten werden.
a) Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag stehen der KI. gegen die Bekl. zu 1) nicht in ihrer Eigenschaft als Auftragsgeberin zu. Vertragsansprüche insoweit hat sie nur gegen die Bekl. zu 2), ihre Vertragspartnerin.
...
b) Auch Ansprüche als Empfängerin hat die KI. gegen die Bekl. zu 1) nicht. Nach der CMR ist zwar der Empfänger (ebenso wie nach §435 HGB) legitimiert, die Rechte aus dem Beförderungsvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, und zwar nicht nur, soweit es um Ersatzansprüche wegen Verlusts und Überschreitung der Lieferfrist geht (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR), sondern auch hinsichtlich der hier in Betracht zu ziehenden Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung des Gutes (BGHZ 75, 92, 94; BGH, Urt. v. 6.5. 1981 - I ZR 70/79, VersR 1981, 929, 930 = TranspR 1982, 41, 42). Beförderungsvertrag in diesem Sinne ist aber nur das zwischen dem Abwender des Gutes und dem Frachtführer bestehende Rechtsverhältnis, bei Einschaltung von Unterfrachtführern, die durch Annahme von Gut und Frachtbrief in den Beförderungsvertrag eintreten (Art. 34 CMR), auch dasjenige zwischen Absender und Unterfrachtführer, jedoch nicht das zwischen Hauptfrachtführer und demjenigen Unterfrachtführer, der nicht aufeinanderfolgender Frachtführer geworden ist. Gegen ihn stehen dem Empfänger - ebenso wie dem Absender - keine Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag zwischen Absender und Hauptfrachtführer zu. Rechte insoweit hat der Empfänger - ebenso wie der Absender - allein gegen den Hauptfrachtführer. Danach kommen Ansprüche der KI. gegen die Bekl. zu 1) aus ihrer Rechtsstellung als Empfängerin nach der CMR nicht in Betracht.
...
c) Ansprüche aus der CMR könnten daher der KI. gegen die Bekl. zu 1) nur dann erwachsen sein, wenn die Bekl. zu 2) die ihr gegen die Bekl. zu 1) zustehenden Vertragsansprüche an die KI. abgetreten hätte (vgl. §52 Buchst. a) ADSp). Indessen ist für eine solche Übertragung von Rechten der Bekl. zu 2) auf die KI. nichts ersichtlich.
2. Gleichwohl kann das Revisionsgericht über die Klage gegen die Bekl. zu 1) noch nicht abschließend entscheiden. In Betracht kommen im Hinblick auf die Verletzung von Fürsorgepflichten der Bekl. zu 1) durch deren Fahrer im Zusammenhang mit der Verladung des Gutes und im Hinblick auf das Fahrverhalten des Fahrers (Vollbremsung) auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§823 Abs. 1, § 831 BGB), deren Voraussetzungen das Berufungsgericht — von seinem Standpunkt aus folgerichtig — bislang nicht geprüft hat.
..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.1 (Sammlung Seite 1245 ff.); ZfB 1989, 1245 ff.