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I ZR 162/77 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 09.11.1979
Aktenzeichen: I ZR 162/77
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Es ist nicht als genehmigungspflichtiger Fährbetrieb und auch nicht als Wettbewerbsverstoß anzusehen, wenn im Liniendienst eines Fahrgastschiffahrtsunternehmens zwei am Rhein gegenüberliegende Orte nacheinander angelaufen werden oder wenn vor Beginn der üblichen Linienfahrt mit einem Fahrgastschiff Fahrgäste von dem gegenüberliegenden Ufer abgeholt werden, um sie auf diesem oder einem anderen Schiff zum Zielort weiter zu befördern.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 9. November 1979

I ZR 162/77

(Oberlandesgericht Koblenz)

Zum Tatbestand:

Die Beklagten zu 1 und 2 betreiben auf Rhein und Mosel Personenschiffahrt und haben ihre regelmäßigen Anlegestellen linksrheinisch in Koblenz. Sie holen Personen, die an einer Linienfahrt von Koblenz in Richtung Rüdesheim oder Cochem teilnehmen wollen, vom gegenüberliegenden Rheinufer in Ehrenbreitstein mit einem ihrer Schiffe ab, befördern sie nach Koblenz und sodann mit diesem oder einem anderen Schiff, auf das die Fahrgäste umsteigen müssen, weiter zum Zielort.
Der Kläger als Inhaber eines Fährbetriebes zwischen Koblenz und Ehrenbreitstein klagt auf Unterlassung, weil die Beklagten mit ihren Schiffen durch das kostenlose Ubersetzen von Fahrgästen von Ehrenbreitstein nach Koblenz einen nicht genehmigten Fährbetrieb unterhielten und damit in den dem Kläger genehmigten Gewerbebetrieb rechtswidrig eingriffen.
Die Beklagten machen geltend, daß die Abholung der Fahrgäste von Ehrenbreitstein Teil ihres Linienverkehrs sei und nur Fahrgästen zugute komme, die an der Linienfahrt teilnehmen wollten und ihren Fahrpreis vor oder nach Beginn der Fahrt entrichteten. Die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde habe diese Art der beiderseitigen Uferbedienung im Rahmen der Lokalfahrten gebilligt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind unter Fähren ständige Einrichtungen des Wasserverkehrs zu verstehen, die dazu bestimmt sind, Personen und Güter von einem Ufer eines Gewässers auf das andere zu befördern (vgl. Hartmann/Kraft, Landeswassergesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., § 33 Anm. 1; Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Preußisches Wassergesetz, 4. Aufl., § 397 Anm. 2). Die Begriffsbestimmungen in § 2 der Verordnung über den Verkehr und den Betrieb der Fähren auf Bundeswasser¬straßen vom 8. März 1967 (BGBI II 1141) und § 2 der Verordnung über den Verkehr und Betrieb der Fähren auf dem Rhein vom 23. September 1963 (BGBI 11 1223) stimmen damit überein. Über das bloße Befahren des Wassers, das nach § 5 Bundeswasserstraßengesetz (BWStrG) - im Rahmen der Vorschriften des Schiffahrtsrechts einschließlich des Schiffsabgabenrechts sowie der Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes - für jedermann zulässig ist, geht der Fährbetrieb insofern hinaus, als zu ihm das Errichten und Unterhalten von Landesteilen an beiden Ufern, das ständige Kreuzen des Längsverkehrs an einer bestimmten Stelle des Stroms und außerhalb der Betriebszeiten das Liegen der Fähren auf dem Strom gehören. Die besondere Bedeutung des Fährbetriebs liegt weiter darin, daß er eine straßenmäßige Verkehrsverbindung über den Wasserlauf hinweg eröffnet und sich im Interesse der Allgemeinheit in eine geordnete Raum- und Verkehrsplanung einfügen muß. Diese Besonderheiten wie auch die Gefahr von Kollisionen für den Längsverkehr rechtfertigen es, den Fährbetrieb besonderen Zulassungsbeschränkungen zu unterwerfen (vgl. BGH, Urt. v. 5. 4. 1972 - VIII ZR 9/71 - DVBI 1973, 214, 217 = MDR 1972, 862; Gieseke/Wiedemann/ Cychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 3. Aufl., § 23 Rdn. 29). Für die Zulassung zur Linienschiffahrt sind andere Gesichtspunkte maßgebend. Die Linienschiffahrt stellt auch dann keinen Fährbetrieb dar, wenn zwei einander gegenüberliegende Orte nacheinander angelaufen werden und dabei auch der Personenverkehr zwischen diesen beiden Orten vermittelt wird (vgl. PrOVG 83, 340, 345; Holtz/Kreutz/Schlegelberger aaO). Die Beklagten würden also jedenfalls dann nicht der Vorschrift des § 33 RhPfWG unterliegen, wenn sie die Anlegestelle in Ehrenbreitstein in ihren Fahrplan aufnehmen und regelmäßig anlaufen würden. Das Aufnehmen von Fahrgästen in Ehrenbreitstein liegt aber auch dann noch im Rahmen eines Linienverkehrs, wenn sie die Anlegestelle in der Weise bedienen, daß sie dort wartende Fahrgäste jeweils mit einem ihrer Schiffe abholen, um sie dann auf diesem oder einem anderen Schiff, je nach Zielort, von Koblenz aus weiterbefördern. Für diese Art der Abwicklung des Linienverkehrs auf der Strecke zwischen Koblenz und Ehrenbreitstein sprechen vernünftige wirtschaftliche Überlegungen. Wasser- und schiffahrtsrechtliche Belange stehen dem, soweit ersichtlich, nicht entgegen. Hinzu kommt, daß der mit der Klage angegriffene Abholverkehr der Beklagten auch sonst nicht die charakteristischen Merkmale eines Fährbetriebs aufweist.
Die Revision meint, den Feststellungen des Berufungsgerichts entnehmen zu können, die Beklagten unterhielten eine Art Zubringerdienst, der, weil er über eine Wasserstraße hinweg vorgenommen werde, als Fährbetrieb anzusehen sei. Diese Betrachtungsweise mag dadurch nahegelegt werden, daß das Berufungsgericht auch ausgeführt hat, die Beklagten handelten nicht anders als andere Reiseveranstalter, die ihre Fahrgäste von zahlreichen Haltepunkten zusammenholten, ohne daß dies verboten sei. Gegen diese Ausführungen bestehen insofern Bedenken, als ein Zubringerdienst jeweils nach den für ihn geltenden besonderen Vorschriften zu beurteilen sein kann (vgl. BGH GRUR 1973, 146, 147 - Flughafen-Zubringerdienst). So liegt der Fall aber hier nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht von einem rechtlich selbständigen Zubringerdienst gesprochen werden. Das Abholen der Fahrgäste in Ehrenbreitstein ist danach vielmehr als ein Teil des von den Beklagten betriebenen Linienverkehrs anzusehen.
...

Trifft es somit nicht zu, daß die Beklagten einen Fährbetrieb unterhalten, so kann das Unterlassungsbegehren jedenfalls nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 33 RhPfWG gestützt werden, unabhängig davon, ob § 33 RhPfWG als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist oder nicht. Den Feststellungen des Berufungsgerichts kann aber auch nicht entnommen werden, daß ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG oder ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers vorliege. Soweit sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die eigene Einlassung der Beklagten im Schriftsatz vom 25. Februar 1976 beruft, ist nicht ersichtlich, daß die Beklagten dort eingeräumt hätten, sie wüßten und verhinderten nicht, daß auch Fahrgäste übergesetzt würden, die nicht an einer Linienfahrt teilnehmen wollten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist lediglich nicht auszuschließen, daß gelegentlich der eine oder andere Fahrgast in Koblenz abspringt und das Weite sucht. Hieraus allein läßt sich jedoch ein Wettbewerbsverstoß der Beklagten nicht herleiten.
...“