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Leitsatz:
Bei einem multimodalen Transport unter Einschluss einer Seestrecke endet diese spätestens mit dem Beginn der Verladung des Guts auf das Beförderungsmittel, mit dem der nachfolgende Landtransport durchgeführt werden soll.
Urteil
des Bundesgerichtshofes
vom 18.10.2007
Die Kl. ist Transportversicherer der M. AG (im Weiteren: VN). Sie nahm die Bekl., die von der VN mit dem Transport von Druckmaschinen von B. (Deutschland) über P. (Virginia/USA) nach D. (North Carolina/USA) beauftragt worden war, wegen der am 27. 2. 2002 im Hafen von P. eingetretenen Beschädigung einer Druckmaschine aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Kiste …5 mit der bei dem Schadensereignis beschädigten Druckmaschine befand sich während des Seetransports von B. nach P. zusammen mit der Kiste …2 auf einem für den Umschlag benutzten sogenannten Mafi-Trailer. Nach der Ankunft in P. wurden die Kisten auf dem Trailer aus dem Schiff heraus in eine etwa 300 m entfernte Lagerhalle gezogen, um dort auf einen Lkw verladen zu werden. Nach dem Lösen der Sicherungsketten und dem Verladen der Kiste …2 wurde der Trailer rangiert, um die Kiste …5 besser verladen zu können. Dabei stürzte die nicht mehr gesicherte Kiste …5 auf den Boden. An ihrem Inhalt entstand ein Schaden in Höhe von 232 673,08 Euro. Für eine neue Verpackung sowie zwei Schadensgutachten fielen Kosten in Höhe von 4679 Euro und 5397,25 US-$ an.
Die Kl. nahm die Bekl. aus ihr von der VN und der Empfängerin abgetretenem Recht auf Zahlung von 237 352,08 Euro und 5397,25 US-$ nebst Zinsen in Anspruch.
Die Bekl. trat der Klage entgegen.
Das LG hat die Auffassung vertreten, die Haftung der Bekl. sei gem. § 660 Abs. 1 HGB auf zwei Rechnungseinheiten je kg Rohgewicht der Druckmaschine beschränkt, und hat der Klage daher nur in diesem Umfang stattgegeben.
Die Berufung der Kl. hat zur Verurteilung der Bekl. gemäß dem Klageantrag geführt, da das Berufungsgericht nicht die Haftungsbeschränkung des Seefrachtrechts (§ 660 Abs. 1 HGB), sondern die für die Fracht auf der Straße maßgebliche Bestimmung des § 431 Abs. 1 HGB für anwendbar gehalten hat (OLG Hamburg VersR 2005, 428 = TranspR 2004, 402).
Die Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Die für die Anwendbarkeit deutschen Rechts erforderliche Rechtswahl sei jedenfalls darin zu erblicken, dass die Parteien auch im Berufungsverfahren ausdrücklich von seiner Geltung ausgegangen seien. Da der zwischen den Parteien geschlossene Frachtvertrag die Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln vorgesehen habe und der Schadensort bekannt sei, sei das deutsche Recht auch für die Ermittlung des hypothetischen Teilstreckenrechts maßgeblich.
Gemäß dem danach anzuwendenden § 452 a S. 1 HGB hafte der Frachtführer nach den Rechtsvorschriften, die auf einen Vertrag über eine Beförderung auf der Teilstrecke anzuwenden wären, auf der die Beschädigung eingetreten sei. Da beide Parteien davon ausgingen, dass die Bekl. durch das Ausstellen der Multimodal Transport Bill of Lading, in dem sie als Carrier bezeichnet sei, den Selbsteintritt erklärt habe, habe die Bekl. jedenfalls gem. § 458 S. 2 HGB die Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters.
Der Schaden sei schon der dem Landtransportrecht unterliegenden Teilstrecke zuzuordnen. Die Umschlagsleistung habe keinen unselbstständigen Annex der Beförderung über See, sondern als ortsbezogene Güterbeförderung gemäß der mit der gesetzlichen Regelung des multimodalen Transports verfolgten Intention eine selbstständige Teilstrecke dargestellt. Zum einen habe es sich um Beförderung
gehandelt, da für das Beladen des Lkw eine Strecke von mehreren hundert Metern habe zurückgelegt werden müssen. Zum anderen habe die Umladephase wegen ihres besonderen Aufwands auch eigenes Gewicht besessen; denn die Kisten seien zu kranen gewesen und hätten zudem wegen ihres Gewichts und ihrer Abmessungen auf Mafi-Trailern transportiert werden müssen, wobei die besonderen Anweisungen der VN für Kranung und Laschung zu berücksichtigen gewesen seien. Im Übrigen sei der
Schaden jedenfalls in einer Phase eingetreten, die nicht mehr dem Löschen aus dem Schiff, sondern dem Beladen des Lkw zuzurechnen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass nicht nur der Trailer bereits das Schiff verlassen habe, sondern auch schon die an den beiden Kisten angebrachten Ketten gelöst gewesen seien, die erste Kiste vollständig auf den Lkw verladen worden und der Schaden eingetreten sei, weil der Trailer nochmals rangiert worden sei, um die zweite Kiste besser auf dem Lkw verladen
zu können.
Ein entsprechender Sachverhalt wäre allerdings bislang abweichend eingeordnet worden, wenn die VN die Bekl. nur mit der Durchführung eines Seetransports von B. nach P. beauftragt hätte. Unabhängig davon, ob diese Beurteilung beim „einfachen“ Seefrachtvertrag auch künftig noch so vorzunehmen sei, sei jedenfalls im Streitfall nach der Einführung der Vorschriften über den multimodalen Vertrag eine abweichende Abgrenzung geboten.
[13] Aus der Klausel Nr. 8.3 der Multimodal Transport Bill of Lading ergebe sich keine abweichende Haftungsregelung, da der dort angegebene, von § 431 HGB abweichende Betrag nicht in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben sei. Der eingetretene Schaden liege noch innerhalb des Haftungsrahmens des § 431 Abs. 1 HGB.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Bekl. hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Bekl., die die Beförderung der beim Ladevorgang am 27. 2. 2002 beschädigten Druckmaschine im Wege des Selbsteintritts ausgeführt hat, den von der Kl. aus abgetretenem Recht geltend gemachten Schaden gem. §§ 425 Abs. 1, 426, 428 S. 2, 429 Abs. 2 und 3, 430, 431 Abs. 1 und 4, 452 S. 1 und 2, 452 a S. 1, 453, 458 S. 1 und 2 HGB in voller Höhe zu
ersetzen hat.
1. Das Berufungsgericht ist, ohne darauf ausdrücklich einzugehen, von der Zuständigkeit der deutschen Gerichte sowie - unter Heranziehung des Art. 27 EGBGB
- von der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts ausgegangen. Diese Beurteilung
wird von den Parteien nicht angegriffen und lässt jedenfalls im Ergebnis keinen
Rechtsfehler erkennen.
Nicht zu entscheiden ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Rechtswahl, die die Parteien eines multimodalen Frachtvertrags in Bezug auf diesen getroffen haben, auf die hypothetischen Teilstreckenverträge durchschlägt (so die wohl herrschende Meinung; vgl. OLG Düsseldorf TranspR 2002, 33 [34]; OLG Hamburg TranspR 2003, 72 [73] und VersR 2005, 428 = TranspR 2004, 402 [403]; Fremuth in Fremuth/Thume, Transportrecht § 452 a HGB Rn. 11; Valder in Hein/Eichhoff/ Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht 4. Aufl. - Erg-Lfg. 1/07 - § 452 a HGB Rn. 19; Ruß in Handkomm. zum HGB 7. Aufl. § 452 a Rn. 4; Basedow in Seehandelsrecht und Seerecht - Festschrift für Rolf Herber zum 70. Geburtstag 1999 S. 15, 43; einschränkend Ramming TranspR 1999, 325 [341]; Herber TranspR 2001, 101 [103] und 2006, 435 [436 f.]; a. A. Koller, Transportrecht 6. Aufl. § 452 Rn. 1 a und § 452 a HGB Rn. 5; Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. Anh. § 656 Rn. 25 f.; ders. TranspR 1998, 429 [432 ff.]; Drews TranspR 2003, 12 [15 f.]; Mast, Der multimodale Frachtvertrag nach deutschem Recht 2002 S. 204 f.). Für den Fall, dass eine entsprechende Rechtswahl nicht anzunehmen oder unzulässig wäre, folgte die Anwendbarkeit des
deutschen Rechts daraus, dass sowohl die VN als auch die Bekl., auf deren vertragliche Beziehung insoweit abzustellen ist (vgl. OLG Dresden TranspR 2002, 246; Fremuth aaO § 452 a HGB Rn. 8 f.; Koller aaO § 452 a HGB Rn. 5; Valder aaO § 452 a HGB Rn. 9 ff., 12; Mast aaO S. 102 ff., 108 f.), ihre Hauptniederlassung jeweils in Deutschland haben und auch nichts dafür spricht, dass der hier in Rede stehende hypothetische Teilstreckenvertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist (Art. 28 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 EGBGB; vgl. BGH vom 29. 6. 2006 - I ZR 168/03 - NJW-RR 2006, 1694 = TranspR 2006, 466 Tz. 15).
2. Das Berufungsgericht ist von einem multimodalen Transport unter Einschluss einer Seestrecke (§ 452 S. 1 und 2 HGB) und wegen des bekannten Schadensorts von der Anwendbarkeit des § 452 a S. 1 HGB ausgegangen. Auch diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Allerdings wird zum Teil in der Literatur bei einem Umschlag zwischen dem Beladen und dem Entladen einerseits und der Landphase andererseits unterschieden und auf diese ausschließlich § 452 HGB angewandt (Herber TranspR 2006, 435 [438]). Diese Auffassung erleichtert zwar die Rechtsanwendung. Sie lässt sich aber mit dem System der §§ 452 ff. HGB und insbesondere damit nicht vereinbaren, dass § 452 HGB ersichtlich davon ausgeht, dass sich jeder Multimodaltransport vollständig in Teilstrecken i. S. d. § 452 a HGB zerlegen lässt (Koller aaO § 452 HGB Rn. 15 Fn. 47).
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Druckmaschine nicht auf der Seestrecke, sondern erst auf der anschließenden Landstrecke beschädigt worden ist. Die Haftung der Bekl. sei daher nicht gem. § 660 Abs. 1 HGB auf zwei Rechnungseinheiten je kg Rohgewicht beschränkt. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Allerdings ist in dem Verbringen des Transportguts nach dem Ausladen aus dem Schiff innerhalb des Hafens zu dem Lkw, mit dem der Weitertransport erfolgen sollte, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine eigenständige (Land-) Teilstrecke zu sehen. Dies hat der Senat - zeitlich nach dem Berufungsurteil - für den Regelfall entschieden (BGHZ 164, 394 [396 f.] = VersR 2006, 389 [390]). Auch die Umstände des Streitfalls - Verbringen des Transportguts auf einem Mafi-Trailer innerhalb des Hafengeländes über eine Strecke von ca. 300 m - legen keine andere Beurteilung nahe. Dennoch hat die angefochtene Entscheidung Bestand. Denn das Frachtgut ist hier - anders als in dem der Entscheidung BGHZ 164, 394 (= VersR 2006, 389) zugrunde liegenden Fall - nicht vor, sondern bei seiner Verladung auf den Lkw, mit dem es weitertransportiert werden sollte, beschädigt worden. Der Verladevorgang ist aber nicht mehr der Seestrecke, sondern schon der sich daran anschließenden Landstrecke zuzuordnen. Insofern bedarf die in der Entscheidung BGHZ 164, 394 (= VersR 2006, 389) getroffene Aussage, die Seestrecke ende erst mit der Verladung des Guts auf das Transportmittel, mit dem es aus dem Hafen entfernt werden soll, der Präzisierung.
Bei der Annahme, dass die Seestrecke nicht schon mit dem Ausladen des Guts aus dem Schiff endet, hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen, die indessen für den hier in Rede stehenden Vorgang des Beladens des nächsten Transportmittels keine Geltung beanspruchen können: Das Löschen sowie die Lagerung und etwaige Umlagerung des Transportguts im Hafengelände seien gerade für einen Seetransport mit bzw. in Containern charakteristisch; sie wiesen dementsprechend eine enge Verbindung zur Seestrecke auf. Außerdem werde das Transportgut beim Entladen aus dem Schiff regelmäßig nicht auf mögliche Schäden hin untersucht; eine solche Untersuchung erfolge frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Transportgut aus dem Terminal entfernt werden solle. Schließlich schulde der Verfrachter beim Seefrachtvertrag gem. § 606 S. 2 HGB die Ablieferung des Guts und gebe den Besitz an dem Transportgut regelmäßig erst mit Zustimmung des legitimierten Empfängers auf, den er in den Stand versetzen müsse, den Besitz über das Gut auszuüben; diese Voraussetzung sei mit dem Löschen der Ladung regelmäßig noch nicht erfüllt (vgl. BGHZ 164, 394 [396 f.] = VersR 2006, 389 [390]).
Rechtfertigen es diese Erwägungen, Vorgänge noch der Seestrecke zuzuordnen, denen das Transportgut im Anschluss an das Ausladen innerhalb des Hafengeländes unterzogen wird, gilt dies nicht für den Vorgang des Beladens des nächsten Transportmittels. Dieser einheitliche Vorgang ist nicht mehr der Seestrecke, sondern vollständig der nachfolgenden Landstrecke zuzurechnen (ebenso Koller aaO § 452 HGB Rn. 15; Merkt in Hopt/Merkt, HGB 32. Aufl. § 452 Rn. 6; Valder aaO § 452 HGB Rn. 36; Mast aaO S. 111).
b) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag der Bekl., der von ihr mit der Reederei abgeschlossene Seefrachtvertrag über die Kisten habe deren Beförderung von „B. bis FOT P. Pier“ umfasst, sodass die Reederei die Kisten auf dem Terminal in P. auch noch auf den Lkw für den nachfolgenden Landtransport zu verladen gehabt habe. Denn auch insoweit ist gem. § 452 a S. 1 HGB nicht auf diesen Vertrag, sondern auf einen hypothetischen Teilstreckenvertrag zwischen den Parteien des Multimodalvertrags abzustellen (vgl. OLG Dresden TranspR 2002, 246; Fremuth aaO § 452 a HGB Rn. 9; Valder aaO § 452 a HGB Rn. 13; Koller aaO § 452 a HGB Rn. 5 m. w. N. in Fn. 21).
c) Die Druckmaschine ist allerdings nicht erst beim Hochziehen auf den Lkw, sondern bereits zuvor beim Rangieren des Trailers zu Boden gestürzt. Dieser Umstand steht jedoch nicht der Annahme entgegen, dass der streitgegenständliche Schaden erst beim Verladen der Maschine auf den Lkw eingetreten ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass sich in dem Schaden das mit dem Verladevorgang verbundene Schadensrisiko realisiert hat. Denn der Schaden beruht nach den getroffenen Feststellungen darauf, dass die Ketten, mit denen die Kiste …5 mit der Druckmaschine während des vorangegangenen Transports auf dem Mafi-Trailer befestigt gewesen war, bereits gelöst worden waren, um das Hochziehen der Kiste auf den Lkw zu ermöglichen, als der Trailer mit der nunmehr nicht mehr gesicherten Kiste nochmals rangiert wurde, um diese besser auf den Lkw verladen zu können.
4. Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt schließlich die - auch von der Revision nicht beanstandete - Beurteilung des Berufungsgerichts, die Haftung der Bekl. sei nicht gemäß der Klausel Nr. 8.3 ihrer Multimodal Transport Bill of Lading summenmäßig beschränkt, weil die dort vorgesehene Haftungsbeschränkung entgegen § 449 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 HGB nicht in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben gewesen sei (vgl. BGHZ 153, 308 [310 f.] = VersR 2003, 621 [622]).