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I 347/60 U - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 22.06.1965
Aktenzeichen: I 347/60 U
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof München
Abteilung: -

Leitsatz:

Die Tätigkeit eines Havariesachverständiger ist gewerbesteuerpflichtig, da sie keine wissenschaftliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne und auch nicht der Tätigkeit eines der im Katalog des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführten Berufsträger ähnlich ist.

Urteil

des Bundesfinanzhofs

vom 22. Juni 1965 

Zum Tatbestand:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Havariesachverständiger. Seine Tätigkeit bezog sich auf die Nachprüfung und evtl. Bestätigung der von den Abnehmern einzelner Transportpartien bei den Versicherungsgesellschaften angemeldeten Schäden und auf den Verkauf bzw. die sonstige Verwertung der durch den Schadensfall minderwertig gewordenen Güter. In diesem Zusammenhang ist die Frage der Gewerbesteuerpflicht streitig geworden, da der Beschwerdeführer seine Gewerbesteuerpflicht wegen angeblicher freiberuflicher Tätigkeit verneinte.

Das Finanzgericht lehnte diesen Standpunkt ab. Auch die Rechtsbeschwerde beim Bundesfinanzhof blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine freiberufliche Tätigkeit des Bf. nur dann in Betracht kommen kann, wenn seine Tätigkeit entweder einem der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführten Berufe ähnlich ist oder eine „wissenschaftliche" Tätigkeit darstellt. Ist die Ähnlichkeit mit einem der angeführten Berufe zu bejahen, so ist es nicht erforderlich, dass es sich um eine wissenschaftliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 120/62 U vom 18. Juli 1963, BStBI. 1963 III S. 557, Slg. Bd. 77 S. 646). Das Gesetz führt in seinem Katalog nicht nur akademische Berufe auf, sondern auch solche, die zum Teil keine bestimmte Vorbildung erfordern. Erfordert indes die im Katalog aufgeführte Vergleichstätigkeit eine akademische Ausbildung, so muss grundsätzlich auch der ähnliche Beruf auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen. Dass der ähnliche Beruf auf Grund einer entsprechenden Vorbildung ausgeübt werde, ist nicht erforderlich, sofern es sich um einen rechtlich nicht geschützten Beruf handelt, der auch ohne eine vorgeschriebene Berufsausbildung ausgeübt werden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 54/61 U vom 12. Dezember 1963, BStBI. 1964 III S. 136, SIg. Bd. 78 S. 349). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Mit Recht hat das Finanzgericht die Ähnlichkeit der Tätigkeit eines Havariesachverständigen mit der eines Handelschemikers oder Landmessers, die allein als Vergleichsberufe in Betracht kommen, verneint; dem Beruf eines Wirtschaftsprüfers ist er nicht ähnlich. Der Handelschemiker übt einen freien Beruf auf wissenschaftlicher Grundlage und mit entsprechender Vorbildung aus. Ein ihm ähnlicher Beruf muss ebenfalls auf wissenschaftlicher Grundlage beruhen. Dass dies für die Tätigkeit eines Havariesachverständigen zutreffe, hat das Finanzgericht auf Grund des ihm vom Bf. und vom Sachverständigen gegebenen Gesamtbildes dieser Tätigkeit zutreffend verneint.

Die Tätigkeit eines Havariesachverständigen beruht nach den Ausführungen des vom Finanzgericht beigezogenen Gutachters im wesentlichen auf seiner besonderen Warenkunde, seiner Kenntnis der Reaktion der verschiedenen Waren auf äußere Einflüsse wie Süß- und Salzwasser, chemische Feuerlöschmittel, Rauch und spezifische Gerüche anderer Waren, mit denen sie gemeinsam verfrachtet werden. Diese Kenntnisse, die vorwiegend auf der Grundlage praktischer Erfahrungen beruhen, setzen ihn instand, Schäden, die die Waren auf Grund dieser Einflüsse erlitten haben, nach Ursache und Umfang festzustellen. Versuche, eingetretene Schäden - wie z. B. Geruchsschäden bei Kaffee durch Ozonisieren anstelle von reiner Lufttrocknung - zu beheben, liegen neben dem Gebiet der Schadensfeststellung. Aus ihnen lassen sich Schlüsse auf eine wissenschaftliche Grundlage der Tätigkeit des Havariesachverständigen nicht ziehen. Auch die erforderlichen speziellen Rechtskenntnisse aus dem Gebiet des deutschen Seerechts und der York-Antwerp-Rules sowie der ADS lassen diese Tätigkeit nicht als auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeübt erscheinen. Bestimmte spezielle Rechtskenntnisse sind auch bei Versicherungskaufleuten, Handelsvertretern und Angehörigen anderer Berufe gegeben, die als gewerblich anerkannt sind."