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Leitsätze:
1) Der Betrieb eines Fahrgastschiffes ohne Abwassersammelvorrichtung erfüllt den Tatbestand der Gewässerverunreinigung nach § 324 I StGB in mittelbarer Täterschaft, wenn der Schiffseigner duldet, dass häusliche Abwässer in den Fluss geleitet werden, bzw. seine Schiffsführer dazu anweist. Die Tat kann auch durch Unterlassen begangen werden, da der Schiffseigner entsprechend § 1 III des Ausführungsgesetzes zum CDNI eine Garantenstellung hat.
2) Das Verbot der Einleitung von häuslichen Abwässern nach CDNI für Fahrgastschiffe mit einer Beförderungskapazität von mehr als 50 Personen, ist in Deutschland seit dem Jahre 2010 in Kraft, nach dem die Übergangsfrist des deutschen Ausführungsgesetzes zum CDNI vom 13. Dezember 2013 abgelaufen ist.
3) Angesichts der Übergangsfrist von sieben Jahren kann es keinen Rechtfertigungstatbestand darstellen, wenn eine erforderliche Umrüstung der betroffenen Schiffe aus technischen, organisatorischen oder finanziellen Gründen nicht möglich ist.
4) Die Strafbarkeit besteht selbst dann, wenn die Kommunen keine Abwassersammelstellen einrichten, weil zu dieser Einrichtung die Betreiber der Anlegestellen und nicht die Kommunen nach CDNI verpflichtet sind und weil mit Abwassertanks ausgestattete Schiffe auch mit Grubenentleerungsfahrzeugen oder durch landwirtschaftliche Betriebe geleert und die Abwässer abtransportiert werden können.
5) Eine zu verhängende Geldstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere, wenn es angezeigt erscheint, den Schiffseigner nicht zusätzlich finanziell zu stark zu belasten, um ihm Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Investitionen zu tätigen und zu finanzieren.
Urteil des Schiffahrtsgerichts St. Goar
vom 14. März 2019
(rechtskräftig)
1. Der Angeklagte ist der vorsätzlichen Gewässerverunreinigung in Tateinheit mit unbefugter Abfallbeseitigung in vier Fällen schuldig. Er wird deshalb verwarnt.
2. Die Verhängung einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60,- € wird zur Bewährung ausgesetzt.
Gründe:
Der Angeklagte ist 65 Jahre alt, deutscher Staatsbürger und ledig.
Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 20.12.2018 ist der Angeklagte strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
Die Hauptverhandlung vom 14.03.2019 führte zu folgenden Feststellungen:
Der Angeklagte ist ... in der Firmengruppe X für den Geschäftsbereich Traben-Trarbach – Bernkastel-Kues (Mittelmosel) zuständig. Die dort betriebenen Fahrgastschiffe unterliegen seiner Regie.
Dem Angeklagten ist bereits seit mehr als 10 Jahren bekannt, dass Fahrgastschiffe mit einer Beförderungskapazität von mehr als 50 Personen häusliche Abwässer, wozu auch die Toilettenabwässer gehören, nicht mehr ungeklärt in das Fahrwasser einleiten dürfen. Dieses Verbot beruht auf dem Ausführungsgesetz zu dem völkerrechtlichen Vertrag ... (CDNI). Die Bundesrepublik Deutschland hat dazu am 13.12.2003 ein Ausführungsgesetz erlassen. Danach trat das Einleiteverbot für häusliche Abwässer von Fahrgastschiffen mit einer Beförderungskapazität von mehr als 50 Personen am 01.01.2010 in Kraft. In § 1 Abs. 3 des Gesetzes ist zudem vorgeschrieben, dass die Betreiber von Stammliegeplätzen für Fahrgastschiffe auf eigene Kosten Annahmestellen für häusliche Abwässer von Fahrgastschiffen zu errichten und zu betreiben haben.
In einem undatierten Schreiben der Fa. X an das Wasser- und Schifffahrtsamt in Trier ... wird deutlich, dass die einzubauenden Abwassertanks für häusliche Abwässer im Jahr 2009 bei den Fahrgastschiffen der Fa. X noch kaum installiert waren. ... Mithin wurde um Fristverlängerung gebeten, um angeblich sieben Fahrgastschiffe, die noch nicht umgerüstet seien, noch fertigstellen zu können.
In der Folgezeit geschah offenbar nicht viel. Seitens des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Trier wurde im Frühjahr 2018 das Personenschifffahrtsunternehmen X erneut auf die Problematik der Entsorgung von häuslichen Abwässern ihrer Fahrgastschiffe angesprochen. Seitens der Fa. X wurde dem Wasser- und Schifffahrtsamt Trier eine Liste übergeben (Stand 03.04.2014), wonach die Fa. X in Cochem, Traben-Trarbach und Bernkastel-Kues eine CDNI-Annahmestelle für häusliche Abwasser für Kabinen- und Fahrgastschiffen betreibe. Eine weitere Annahmestelle in Trier sei in Planung. Tatsächlich stellte sich aber durch Ermittlungen der Wasserschutzpolizei in Trier heraus, dass lediglich in Cochem eine intakte Annahmestelle für häusliches Abwasser existierte. Die Annahmestelle in Traben- Trarbach war zwar im Rohbau fertig aber noch nicht einsatzbereit, es fehlt die Anschlussmöglichkeit vom Land zur Steg- anlage. Die Annahmestelle in Kues wird von einem Herrn D und nicht von der Fa. X betrieben und Fahrgastschiffe der Fa. X würden diese Annahmestelle nur selten nutzen.
Aufgrund dieser Erkenntnisse ermittelte die Wasserschutzpolizei weiter und führte sowohl im Mai wie auch im August 2018 Kontrollen auf verschiedenen Schiffen der Fa. X im Bereich Bernkastel-Kues durch. Dabei stellte sich heraus, dass die Fahrgastschiffe ... alle nicht über die vorgeschriebenen Abwassersammeltanks verfügten, sondern häusliche Abwässer aus der Küche, dem Bordrestaurant und den Toiletten jeweils ungeklärt und ungefiltert in die Mosel einleiteten. Dies war allen Schiffsführern bekannt und auch dem Angeklagten, der für den Einsatz der vor bezeichneten Schiffe verantwortlich zeichnete.
... Schließlich hat auch der Angeklagte eingeräumt, dass keines der vor bezeichneten Schiffe über einen Abwassertank verfügte und sämtliche häuslichen Abwässer seit je her und auch noch in 2018 regelmäßig ungefiltert in die Mosel eingeleitet wurden. ...
Er hat sich demnach entsprechend den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Vorschriften strafbar gemacht.
Der Tatbestand der Gewässerverunreinigung nach § 324 Abs. 1 StGB ist erfüllt, weil der Angeklagte, der insofern in mittelbarer Täterschaft handelte, duldete bzw. seine Schiffsführer angewiesen hat, das häusliche Abwasser aus Küche, Bistro und Toilette in die Mosel zu leiten. ... Dies war auch unbefugt, denn das ursprüngliche Gewohnheitsrecht, wonach Schiffe ihre Abwässer unmittelbar in Flüsse einleiten durften, war nach dem völkerrechtlichen Vertrag (CDNI) aus dem Jahre 1996 für die beteiligten Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, aufgehoben. ...
Soweit der Angeklagte meint, dieses Verbot richte sich nur an Schiffsführer, irrt er, denn § 324 StGB macht insofern keinen Unterschied zwischen Schiffsführer und sonstigen Verantwortlichen für ein Fahrgastschiff. Außerdem nimmt Artikel 12 Abs. 3 CDNI bei der Abfallbeseitigung auch stets den Schiffseigner mit in die Verantwortung und § 1 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum CDNI macht die Betreiber von Schiffsanlegestellen für die ordnungsgemäße Annahme und Ent- sorgung von häuslichem Abwasser verantwortlich.
Selbst wenn man vorliegend ein aktives Tun des Angeklagten in Bezug auf die Abwassereinleitung verneinen wollte, hindert dies seine Strafbarkeit nicht, denn in diesem Fall käme immer noch die Begehung durch Unterlassen nach § 13 StGB in Betracht, denn der Angeklagte als Schiffseigner oder Miteigner ist verantwortlich dafür, dass seine Schiffe, wenn er sie in den Verkehr bringt, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Seine entsprechende Garantenstellung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum CDNI ...
Durch die Einleitung von häuslichem Abwasser und insbesondere durch die Einleitung von Urin und Fäkalien aus den Toilettenanlagen wurde die Mosel auch verunreinigt. Die Toilettenabwässer erhöhen mithin den Stickstoffgehalt der Mosel. ... Dies bestätigte auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.02.1991 (2 StR 478/90) in der es heißt: »Eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften (Verunreinigung) kann selbst bei einem Fluss von einer Größe des Rheins schon dann vorliegen, wenn die Abwassereinleitung zu einer Schadstoffbelastung an der Wasseroberfläche führt.« Dies ist bereits bei der Einleitung von Toilettenabwässern hinsichtlich der Fäkalanteile zweifelsfrei gegeben.
Aus demselben Grund liegt eine unerlaubte Abfallbeseitigung nach § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB vor. ...
Der Angeklagte hat die Straftatbestände der §§ 324 und 326 auch rechtswidrig erfüllt. Insbesondere lag kein Rechtfertigungsgrund vor. Das Einleiten von häuslichen Abwässern war ab dem Jahr 2010 für Fahrgastschiffe mit einer Beförderungskapazität von mehr als 50 Personen nicht mehr erlaubt. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass eine frühere Umrüstung seiner Schiffe aus technischen, organisatorischen oder finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei. Das deutsche Ausführungsgesetz zum CDNI Vertrag wurde im Dezember 2003 erlassen. Das Verbot für die Einleitung häuslicher Abwässer trat erst im Jahr 2010 in Kraft. Dem Angeklagten blieben mithin 7 Jahre Zeit, um die technischen Voraussetzungen für das Auffangen von häuslichen Abwässern bei seinen Schiffen zu schaffen. Es wäre zweifelsfrei möglich gewesen, durch die Einschaltung von Fremdbetrieben in allen 23 Schiffen innerhalb von 7 Jahren Abwassersammeltanks zu installieren. Wenn die eigenen finanziellen Mittel dafür nicht ausgereicht hätten, hätte der Angeklagte entweder einen Kredit aufnehmen oder das ein oder andere Schiff verkaufen müssen, um sich die entsprechenden Geldmittel zu beschaffen. ... Hinzu kommt aber auch, dass der Angeklagte nicht gleich nach Ablauf des Jahres 2010, sondern erstmals im Jahr 2018 kontrolliert wurde. Er hatte also weitere 8 Jahre Zeit, seine Schiffe umzurüsten. Ihm blieben also effektiv 15 Jahre Zeit, seine Schiffe gesetzeskonform umzurüsten, bevor strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden. ...
Es liegt aber auch kein Entschuldigungsgrund vor. ...
Der Angeklagte kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, er sei davon ausgegangen, dass die Kommunen Abwassersammelstellen einrichten müssten. In § 1 Absatz 3 des Ausführungsgesetzes zum CDNI ist ausdrücklich erwähnt, dass die Betreiber der Anlegestellen und nicht die Kommunen Annahmestellen für häusliche Abwässer einzurichten und zu betreiben haben ... Hier ist auch noch darauf hinzuweisen, dass in Bernkastel-Kues die Fa. D eine Abnahmestation für häusliche Abwässer betreibt. Nach den polizeilichen Ermittlungen könnte die Fa. X dort regelmäßig alle ihre in diesem Bereich fahrenden Schiffe entleeren, wenn diese Abwassersammeltanks hätten ... Im Übrigen gibt es für den Fall, dass keine Abwassersammelstelle im Bereich einer Anlegestelle vorhanden ist, auch noch andere Möglichkeiten Abwassersammeltanks zu entleeren. Bereits in der Übersicht über CDNI Annahmestellen für häusliches Abwasser vom Wasser- und Schifffahrtsamt Trier (Stand 03.04.2014) ist unter Anmerkung 1 erwähnt, dass zum Beispiel im Bereich Speyer die Abwasserentsorgung der Schiffe durch ein Grubenentleerungsfahr- zeug erfolgt, das die Abwassersammeltanks der Schiffe leert und dann in die nächste kommunale Kläranlage bringt. Dasselbe wäre auch an der Mosel möglich, selbst wenn es dort keine Grubenentleerungsfahrzeuge geben sollte. Es gibt aber überall in den nahegelegenen Höhenorten zur Mosel genügend Landwirte, die ein Güllefass besitzen und die froh wären, wenn sie sich durch den Abtransport von Schiffsabwässern in die nächste Kläranlage ein Zubrot verdienen könnten. Der Angeklagte kann sich deshalb auch nicht mit dem Argument heraus reden, dass an Land nicht ausreichend Abwasseraufnahmevorrichtungen vorhanden gewesen seien.
Die §§ 324 u.326 StGB haben denselben Strafrahmen, nämlich Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
Das Gericht hielt vorliegend mit der Staatsanwaltschaft die Verhängung von Geld- strafen für Tat und Schuld angemessen.
Dabei hat das Gericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er zumindest nach durchgeführter Beweisaufnahme seine Verantwortlichkeit für das Einleiten der Abwässer in die Mosel von den 4 überprüften Schiffen eingeräumt hat ... Letztlich musste zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass er – wenn auch sehr zögerlich – darum bemüht ist, mit eigenen Mitteln seine Schiffe nach und nach umzurüsten, um auf Dauer dem Entsorgungsgebot doch nachzukommen.
Zu Lasten des Angeklagten musste hingegen berücksichtigt werden, dass er leichtsinnig viele Jahre hat verstreichen lassen, ohne das Abwassereinleitungsverbot zu beachten. ...
Für das Schiff »A« 100 Tagessätze, für das Fahrgastschiff »B« 80 Tagessätze, für das Fahrgastschiff »C« 50 Tagessätze und für das Fahrgastschiff »D« 80 Tagessätze. Die Unterschiede richten sich nach den unterschiedlichen Abwassermengen, die pro Schiff und Woche angefallen sind.
Unter nochmaliger Berücksichtigung der vorgenannten Strafbemessungsgesichtspunkte hat das Gericht dann nach § 53, 54 StGB eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen gebildet.
Diese Gesamtgeldstrafe konnte gemäß § 59 StGB – wenn auch mit Bedenken – zur Bewährung ausgesetzt werden ... Daneben ist das Gericht bei einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters zu der Überzeugung gekommen, dass hier besondere Umstände vorliegen, die die Verhängung einer Strafe entbehrlich machen, denn der Angeklagte hat versucht, durch beträchtliche Eigenleistungen alle eigenen Schiffe innerbetrieblich umzurüsten. Dies hat er innerhalb der vorgegebenen Zeit nicht geschafft und die Dringlichkeit der Maßnahme nicht erkannt. Dies wurde ihm durch den Strafprozess ausführlich verdeutlicht und so schien es sinnvoller, ihn finanziell nicht zu stark zu belasten, so dass er das Geld lieber in die Abwassersammelbehälter seiner Schiffe investieren kann, zumal er zusätzlich die Auflage erhalten hat, die kontrollierten Fahrgastschiffe erst dann wieder einzusetzen, wenn ein Abwassersammeltank installiert ist und das Abwasser auch ordnungsgemäß entsorgt werden kann. Die bis zum Wiedereinsatz der Schiffe entstehenden Einnahmeverluste muss die Fa. X nämlich ebenfalls verschmerzen.
Mitgeteilt durch Moselschiffahrtsrichter Klaus Behrendt
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2020 - Nr. 3 (Sammlung Seite 2658 f.); ZfB 2020, 2658 f.