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- Amtsgericht (-)
Entscheidungsdatum: 06.12.1978
Aktenzeichen:
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht Münster
Abteilung: -

Leitsatz:

Ein Schifffahrtsunternehmen, das sowohl innerdeutsche als auch grenzüberschreitende Binnenschifffahrtstransporte durchführt, hat auf Verlangen der Frachtenprüfungsbehörde nicht nur Geschäftsunterlagen über den innerdeutschen, sondern auch über den grenzüberschreitendend Verkehr vorzulegen, wenn die Möglichkeit besteht, dass im grenzüberschreitenden Verkehr das Festfrachtsystem umgangen werden kann.

Urteil

des Amtsgerichts Münster

vom 6. Dezember 1978


Zum Sachverhalt:

Der Betroffene hatte sich als Prokurist einer Reederei anlässlich einer Frachtenprüfung geweigert, Geschäftsunterlagen, insbesondere über grenzüberschreitende Transporte, vorzulegen und die Einsichtnahme in die Erlös- und Kostenkonten zu gestatten. Nachdem die WSD West im Jahre 1976 einen Bußgeldbescheid über 2500,- DM gegen den Betroffenen erlassen und dieser vor dem Amtsgericht in Münster am 26. 10. 1977 erklärt hatte, dass er jetzt und für die Zukunft der Prüfung der grenzüberschreitenden Transporte und der Vorlage der entsprechenden Unterlagen zustimme, wurde das Verfahren eingestellt. Bei einer erneuten Frachtenprüfung Ende 1977/ Anfang 1978 weigerte sich der Betroffene wiederum, die Unterlagen vorzulegen, weil die Frachtenprüfung für die Vergangenheit abgeschlossen gewesen sei und sich seine Erklärung nur auf die Zukunft bezogen habe.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit nach §§ 31a Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 Nr. 5 BSchVerG eine Geldbuße von 2500,- DM festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts in Hamm einstimmig als offensichtlich unbegründet verworfen, da im Urteil des Amtsgerichts keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen festzustellen seien.

Aus den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils:

„Der Betroffene räumt den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen ein. Er macht lediglich geltend, dass er aus grundsätzlichen Erwägungen der Prüfungen der grenzüberschreitenden Transporte widersprochen habe. In seiner Erklärung vor dem Amtsgericht habe er nur für die Zukunft die Prüfung der Unterlagen bezüglich der grenzüberschreitenden Transporte zugelassen.

Nach dem Sachverhalt hat sich der Betroffene einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach den §§ 31 a Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr schuldig gemacht. Nach § 31 a können die zuständigen Behörden zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben die erforderlichen Ermittlungen anstellen und Auskunft über alle Tatsachen verlangen, die für die Durchführung der Überwachung von Bedeutung sind. Nach § 42a des genannten Gesetzes ist eine Umgehung des Festfrachtsystems unzulässig. Damit müssen die Untersuchungsbehörden auch befugt sein, auch die Unterlagen bezüglich der grenzüberschreitenden Transporte zu überprüfen, wenn dieselbe Firma sowohl Binnentransporte als auch grenzüberschreitende Transporte durchführt und die Möglichkeit besteht, dass im grenzüberschreitenden Verkehr das Festfrachtsystem umgangen werden kann. Anders können die Überwachungsbehörden ihre gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht erfüllen.

Dem Betroffenen war diese Rechtsauffassung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion und des Gerichts bekannt. Soweit er bei seiner gegenteiligen Meinung verblieben ist und die Herausgabe der entsprechenden Unterlagen verweigert hat, hat er in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt.

Der Betroffene soll durch eine angemessene Geldbuße dazu gehalten werden, seine Pflichten hinsichtlich der vollständigen Vorlage aller Unterlagen zu erfüllen. Das Verhalten des Betroffenen ist geeignet, die Überwachungstätigkeit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion erheblich zu stören. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit hält das Gericht eine Geldbuße von 2500,- DM für angemessen.

Zu den im vorstehenden Urteil behandelten Fragen ist soeben eine Entscheidung des Oberlandesgerichts in Hamm bekannt geworden (Beschluss vom 24. 7. 1979 - 5 Ss Owi 2668 -), bei der es sich um fast den gleichen Tatbestand handelt und die im folgenden auszugsweise zum Abdruck
kommt.

Wesentlich sind die Feststellungen des Gerichts, dass auch ohne einen begründeten Verdacht der Binnenschifffahrtsunternehmer verpflichtet ist, alle Unterlagen vorzulegen, die für die Überwachung der Festfrachtvorschriften durch die zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion, so z. B. auch Geschäftspapiere über den grenzüberschreitenden Verkehr zur Feststellung einer etwaigen Umgehung dieser Bestimmungen, von Bedeutung sein könnten, ferner, dass das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 31a Absatz 2 Nr. 2 BSchVG sich nur auf die Pflicht zur Auskunftserteilung, aber nicht auf die Pflicht zur Gewährung der Einsicht in die Geschäftspapiere erstreckt.

Aus den Gründen:

„Um ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, müssen die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen berechtigt sein, a I I e Ermittlungen anzustellen, die ihnen nach pflichtgemäßem Ermessen zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich erscheinen. Dieses setzt keinen begründeten Verdacht eines Tarifverstoßes voraus; die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen haben vielmehr das Recht, von sich aus jederzeit Initiativprüfungen vorzunehmen, denn ihre Überwachungspflicht besteht auch dann, wenn im Einzelfall - wie vorliegend - kein besonderer Anlass zu einer Prüfung besteht. Diese Rechtsansicht wird wie auch die weiteren Rechtsausführungen durch die Rechtsprechung und Literatur zu § 55 GüKG gestützt, der eine vergleichbare Rechtslage regelt und an den sich § 31 a BinnSchVG inhaltlich anlehnt (vgl. Begründung zur Regierungsvorlage, BT-Drucks. V/2494 S. 34, 36; im einzelnen BVerwG 4, 203 und 8, 336; Hein-Eichhoff-Pukall-Krien, Güterkraftverkehrsrecht, 2. Bd., § 55 Anm. 5; Münz-Haselau-Liebert, GüKG, 2. Aufl., § 55 Anm. 2; Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 1, § 55 GüKG Anm. 3a und b).

Eine Möglichkeit, die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, besteht nur dann, wenn eine umfassende Einsicht in sämtliche Geschäftsunterlagen gesichert ist. Denn die Frage, ob Gesetzesverletzungen und Tarifabweichungen, insbesondere Umgehungen des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr durch Kopplung von Verträgen über innerdeutsche und grenzüberschreitende Beförderungsleistungen (vgl. § 42a BinnSchVG) vorliegen, kann nur dann hinreichend geprüft werden, wenn in die Überwachung auch die Unterlagen einbezogen werden, die in irgendeinem Zusammenhang mit den Geschäften des Betroffenen stehen, soweit diese die nach dem BinnSchVG zu wahrende Tarifeinhaltung berühren können.

Diese Einsichtnahme konnte entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unter Berufung auf das in § 31a Abs. 2 Nr. 2 BinnSchVG normierte Auskunftsverweigerungsrecht verweigert werden. Das Auskunftsverweigerungsrecht erstreckt sich nämlich ausdrücklich nur auf die Pflicht zur Auskunftserteilung, aber nicht auf die Pflicht zur Gewährung der Einsicht in die Geschäftspapiere (Hein, a.a.O., Anm. 8; Erbs, a.a.O., Anm. 3c; OLG Hamm VRS 48, 305 zu § 55 GüKG).

Eine einschränkende Auslegung der Duldungs- und Mitwirkungspflichten würde den verantwortlichen Beteiligten stets die Möglichkeit eröffnen, jede Überprüfung von vornherein unter Hinweis auf ein Auskunftsverweigerungsrecht zu unterbinden. Solange ein konkreter Anfangsverdacht - wie vorliegend - nicht gegeben ist, hätte die Verwaltungsbehörde keine Möglichkeit, ihr Verlangen auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen durchzusetzen und ihrer Pflicht zur Überwachung der Vorschriften des BinnSchVG nachzukommen. Für die Kontrollpflichten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion hätte dies unannehmbare Folgen. Daher ist es gerechtfertigt, die Vorlage der Geschäftspapiere durch die Beteiligten i. S. von § 31a Abs. 2 Nr. 1 BinnSchVG zwingend vorzuschreibenohne diesen gleichzeitig ein Auskunftsverweigerungsrecht zuzubilligen (vgl. auch § 103 AO und die Kommentierung hierzu). Ob im Falle eines Anfangsverdachts (§ 152 StPO) dem Betroffenen ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, braucht hier nicht erörtert zu werden, da nach den getroffenen Urteilsfeststellungen der Beauftragte der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West aufgrund seiner Untersuchungen lediglich mit der Möglichkeit einer Umgehung der Vorschriften über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr rechnete, einen hinreichenden konkreten Anhaltspunkt dafür aber noch nicht besaß.

Dieses Überprüfungs- und Kontrollrecht nach § 31a BinnSchVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt zu der mit § 31a BinnSchVG vergleichbaren Bestimmung des § 55 GüKG ausgesprochen (vgl. BVerwG 4, 203 und 8, 336 = BB 1959, 866) und braucht hier nicht weiter erörtert zu werden.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei dieser Sachlage das Vorlagebegehren ohne nähere Erläuterungen nicht durchsetzbar, vielmehr eine noch weitergehende Konkretisierung erforderlich gewesen wäre, kann dieser Umstand dem Betroffenen nicht zugute kommen. Der Betroffene hat die Einsichtnahme in seine den grenzüberschreitenden Verkehr betreffenden Geschäftsunterlagen aus grundsätzlichen Erwägungen schlechthin verweigert. Eine weitergehende inhaltliche Bestimmung des Vorlagebegehrens war durch dieses Verhalten des Betroffenen von vornherein abgeschnitten, eine Notwendigkeit hierzu bestand nicht mehr. Unter diesen Umständen erscheint es dem Senat nicht mehr gerechtfertigt, weitere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmung des Vorlagebegehrens zu stellen, da sich auch in diesem Fall an der Einstellung des Betroffenen nichts geändert hätte.“