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- Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 20.03.1984
Aktenzeichen:
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Bewertung der Zeugenaussage eines Mitglieds der eigenen Schiffsbesatzung.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergerichts in Köln

vom 20. März 1984

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das MS L des Beklagten hatte bei Rhein-km 578 durch Grundberührung einen Unfall erlitten. Der Beklagte hatte darauf von der Klägerin als Verladerfirma eine Beteiligung an den Kosten der Rettung von Schiff und Ladung verlangt. Die Klägerin legte Widerspruch gegen die von Z. aufgemachte Dispache ein. Der Widerspruch wurde jedoch vom Schiffahrtsgericht für unbegründet gehalten.
Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„....
Der Widerspruch gegen die aufgemachte Dispache wäre begründet, wenn der Beklagte von der Klägerin eine Beteiligung an den Kosten der Rettung von Schiff und Ladung nicht verlangen könnte. Das wäre nach § 79 Abs. 2 und 3 BSchG dann der Fall, wenn dem Schiffsführer des MS L, dem Zeugen L., ein Verschulden an dem Unfall dieses Schiffes vom 26. November 1980 gegen 20.30 Uhr auf dem Rhein bei Strom-km 577,9, Ortslage Spay, zur Last gelegt werden könnte. Den ihm insoweit obliegenden Entlastungsbeweis hat der Beklagte jedoch erbracht.
Eine für die Fahrwasserverhältnisse zu tiefe Abladung als Ursache für eine Grundberührung mit Leckage des Schiffs hat die Berufung nicht mehr als schadensursächlich angeführt. Mit dem Schiffahrtsgericht ist eine solche Schadensursache auch abzulehnen, da das Schiff bei einer Abladung auf 2,33 m bei einem Kauber Pegel von 1,51 m auch auf der Bergfahrt mit 28 cm noch genügend Wasser unter dem Kiel hatte, um die Reise gefahrlos durchzuführen.
Aufgrund der Bekundungen des Zeugen L. bei seiner Vernehmung vor dem Schiffahrtsgericht muß als erwiesen erachtet werden, daß MS L im Fahrwasser gerakt hat, ohne daß dafür ein Verschulden der Schiffsführung ursächlich gewesen ist, das ergibt sich aus der Aussage von L. und der verdeutlichenden Skizze.
Der Klägerin ist zuzugeben, daß die Bekundungen des Zeugen L. mit dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien über die Lage der Unfallstelle nicht übereinstimmen und auch zwischen dem schriftlichen Protest des Zeugen und seiner Aussage weitere Abweichungen bezüglich des Unfalls bestehen. Hieraus vermochte der Senat jedoch keine Zweifel gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage zu entnehmen. Gerade die verschiedenen Abweichungen zeigen, daß sich L. um eine objektive Darstellung der Geschehnisse bemüht hat, so wie er diese Geschehnisse noch in der Erinnerung hatte.
....

Im Kern hat sich die Darstellung des Zeugen L. auch nicht geändert: Er will im Fahrwasser gerakt haben. Ob er nun auf einem Gegenstand festkam und gleich wieder freikam oder auch noch die Maschine auf „zurück" schaltete, ist unerheblich und brauchte sich nicht so einzuprägen, daß man sich später noch an ein solches Maschinenmanöver erinnern konnte.
Für die Richtigkeit der Angaben. des Zeugen vor dem Schifffahrtsgericht spricht nach der berzeugung des Senats der Umfang des Lecks von 35x20 cm. Ein solch kleines Leck spricht nach den Erfahrungen des Senats für ein Raken auf einem harten Gegenstand, mag es nun ein verlorener Gegenstand oder ein Stein oder ein Felsen gewesen sein.
Es mag sein, daß der Zeuge L. vor seinem Eigner Verantwortung trägt und deshalb ein eigenes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits haben kann. Daß dieses Interesse aber ihn dazu verleitet haben könnte, als Zeuge vor Gericht die Unwahrheit zu sagen, kann mangels irgendwelcher weiteren Anhaltspunkte nicht angenommen werden. Auch ein Mitglied der eigenen Schiffsbesatzung ist ein tauglicher Zeuge (vgl. dazu BGH VersR 1974, 1196)

Demgegenüber hält es der Senat nicht für wesentlich, daß der Zeuge L. entgegen seinen Pflichten aus § 1.12 Nr. 4 RhSchPVO die Grundberührung nicht der zuständigen Behörde gemeldet und der Beklagte auch keine Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf dem Rheinstrom als Ursache für die Beschädigung seines Schiffes erhoben hat.

Zu der unterbliebenen Meldung hat der Zeuge L. eine durchaus plausible Erklärung gegeben: Er hat von seinem Eigner dazu keine Anweisung erhalten. Selbstverständlich traf nur ihn die Pflicht zur Meldung, und die unterbliebene Anweisung rechtfertigt nicht sein passives Verhalten. Nach den Erfahrungen des Senats entspricht das Verhalten des Zeugen L. aber dem anderer Schiffsführer in vergleichbaren Situationen. Die Schiffsführer stehen häufig den Behörden mit Zurückhaltung gegenüber und regen sich nur dann, wenn sie dazu von ihren Reedereien angehalten werden.

Aus einer unterlassenen Klage gegen die Bundesrepublik könne keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Hierfür kann durchaus maßgebend gewesen sein, daß man eine Klage als aussichtslos angesehen hat, weil die Bundeswasserstraßenverwaltung die Sohle des Rheinstroms laufend überprüft.
....“