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96 P - 6/79 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 27.03.1979
Aktenzeichen: 96 P - 6/79
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine zu schnelle und nicht ordnungsmäßige Vorbeifahrt an Stilliegern.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 27. März 1979

96 P - 6/79

(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)

Zum Sachverhalt:

Der Betroffene war vom Rheinschiffahrtsgericht zu einer Geldbuße von 100,- DM wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 6.20 RhSchPolVO verurteilt worden, weil er an Stillliegern zu schnell und nicht ordnungsgemäß vorbeigefahren sei und dadurch schuldhaft die Beschädigung von Festhaltedrähten auf dem stilliegenden MS H verursacht habe. Der Betroffene ist von der Berufungskammer unter Aufhebung des Urteils des Rheinschiffahrtsgerichts freigesprochen worden.

Aus den Gründen:

„...
Es ist nicht prüfbar, wie das MS H an Land befestigt war. In den Akten befinden sich dazu nur Angaben seines Kapitäns O. Sie sind allein keine ausreichende Grundlage für gerichtliche Feststellungen, da sie von einer am Ausgang des Verfahrens interessierten Person stammen, deren Anzeige eine deutliche Verärgerung über den Betroffenen erkennen läßt. Die Berufungskammer kann deshalb nicht feststellen, die Befestigung des MS H an Land sei so gewesen, daß bei ordnungsgemäßer Vorbeifahrt eines Schiffes kein Schaden entstehen konnte. Daran hindert auch der Umstand, daß in der Nähe des MS H andere Schiffe stillagen, bei denen Drahtschäden nicht eingetreten sind. Es ist weiter nicht prüfbar, in weichem Zustand sich der angeblich gebrochene und der angeblich beschädigte Draht befanden. Auch dazu hat sich nur der Schiffsführer O. geäußert, auf dessen Aussage allein aus den bereits dargelegten Gründen gericht¬liche Feststellungen nicht gestützt werden können. Kein unbeteiligter, sachverständiger Dritter hat sich die Drähte angesehen und sich über ihren Zustand geäußert. Die Berufungskammer kann deshalb nicht feststellen, sie seien frei von Mängeln gewesen, so daß die Schäden auf eine nicht ordnungsgemäße Vorbeifahrt eines Schiffes hindeuteten. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auf in der Nähe des MS H liegenden Schiffen Drähte nicht beschädigt worden sind. Schließlich ist unklar, mit welcher Geschwindigkeit das vom Betroffenen geführte Schiff an dem MS H vorbeigefahren ist. Dessen Kapitän O. und sein Matrose M. konnten dazu nur sagen, ihr Schiff habe sich bei der Vorbeifahrt gehoben und es habe einen Ruck gegeben. Diese Vorgänge deuten nicht zwingend auf eine zu schnelle Vorbeifahrt hin. Jedes an Stilliegern vorbeifahrende Schiff verursacht nämlich einen Wellenschlag und einen Sog, die dazu führen können, daß sich Stillieger heben und ihre Drähte plötzlich gestrafft werden. Solche Erscheinungen sind also mit einer ordnungsgemäßen Vorbeifahrt nicht unvereinbar.
...
Zum Schluß sei darauf verwiesen, daß der Betroffene eine Geschwindigkeit einhalten durfte, die zur sicheren Führung seines Schiffes notwendig war.
...“