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Leitsatz:
Auch im Falle einer behaupteten Ladungsunterschlagung, die in der Entnahme von Heizöl aus der Ladung zum Betreiben des Tankmotorschiffs besteht, ist nach § 2 Abs. 3 a BinSchVerfG die Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichts gegeben.
Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main
vom 6.11.2000
- 912 B Ds 1047 - 94 Js 22639.7/96 -
(rechtskräftig)
Aus den Gründen:
„Das Verfahren ist gemäß §§ 206 a, 260 III StPO einzustellen, weil für das Amtsgericht in Frankfurt a. M. das Verfahrenshindernis der Unzuständigkeit besteht.
Den Angeklagten werden Delikte gemäß §§ 246, 25 II, 53 StGB zur Last gelegt. Es handelt sich um folgendes: Die Angeklagte betrieb das Tankmotorschiff „L", welches im Auftrag der Firma V Heizöl beförderte. Dabei wurde mit ihrem Wissen und ihrer Zustimmung zu ihren Gunsten von den Angeschuldigten M und B Heizöl aus der Ladung entnommen, dem Bunkertank zugeführt und zum Betreiben des Tankmotorschiffs verwendet. Im einzelnen handelt es sich um neun Fahrten, bei denen entsprechend gehandelt wurde....
Die Staatsanwaltschaft hat zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit auf dem Löschungsort und damit auf das Amtsgericht Frankfurt abgestellt. Es besteht jedoch gem. § 14 GVG eine besondere Gerichtszuständigkeit. Gem. § 2 III des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen ist das Schifffahrtsgericht zuständig für Strafsachen wegen Taten, die auf oder am Binnengewässer unter Verletzung schifffahrtpolizeilicher Vorschriften begangen sind und deren Schwerpunkt in der Verletzung dieser Vorschriften liegt. Diese Regelung beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass die Beurteilung solcher Strafsachen eine besondere Sachkunde verlangt (Erste Berichte des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Entwurf eines EGSTGB-BT-Drucks. 7/1261 S. 46).
Im vorliegenden Fall geht die Staatsanwaltschaft zu Recht davon aus, dass Teile des geladenen Heizöls von den Angeklagten in den am Deck des Tankmotorschiffs „L" (Kapazität ca. 1.179 Tonnen) befindlichen Rohrleitungen zurückgehalten wurden. Dies sowohl beim Laden und beim Löschen. Auch möglich ist während der Fahrt eine Entnahme aus den Transporttanks. Dann sei mittels hergestellter Rohroder Schlauchverbindungen das Heizöl zur Verwendung als Maschinendiesel in den Bunkertank des Schiffes gepumpt worden.
Dies ist wegen der festgestellten extrem niedrigen Bunkermengen der „L“ wahrscheinlich. Diese hier einzig mögliche Vorgehensweise, welche den Kernteil der Unterschlagung darstellt, kann nur unter Verletzung schifffahrtpolizeilicher Vorschriften begangen worden sein.
Gem. § 28 Hess. Hafenpolizeiverordnung ist das Bunkern ausschließlich von zugelassenen festen Hafenstationen oder von speziellen Bunkerschiffen erlaubt. Weiterhin liegen Verstöße gegen die Gefahrgutverordnung Binnenschifffahrt Richtlinien ADNR vor. Zu Randziffer 210409, teilweise Umladungen außerhalb einer Umschlagstelle - Zu Randziff. 210425, Verlängerung von Lade- oder Löschleitungen über die Kofferdämme hinaus.
Darauf, dass diese Ordnungswidrigkeiten unmittelbar wegen eventuell eingetretener Verjährung keiner Ahndung unterliegen, kommt es nicht an, da die Ermittlung und Bewertung der zugrundeliegenden Tatsachen besondere Sachkunde erfordern. Somit ist das Schwergewicht vorliegender Straftaten in der Zuwiderhandlung gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften zu sehen. Der Bundesgerichtshof hat dies bei Gewässerverschmutzung bejaht, soweit diese durch ölhaltiges Kühl- oder Bilgenwasser verursacht sein kann (BGH 2 ARS 76/97).
Darüber hinaus ist es zur Aufklärung der hier vorliegenden Taten erforderlich, die komplexe Lade- und Löschtechnik der Schiffe, die spezifischen Messverfahren zur Bestimmung der Lade- und Löschmengen sowie die Handelsbräuche zur Bewertung von Fehlmengen festzustellen. Auch insoweit ist der Schifffahrtsbezug überwiegend.
Gem. Art. 1 Ziff. 4 des Abkommens zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Gliederung der Schifffahrtsgerichtsbezirke im Rheinstromgebiet ist für das hier maßgebliche Gebiet des Untermains das Amtsgericht Mainz als Schifffahrtsgericht zuständig. Die drei Angeklagten haben dies in der Hauptverhandlung zur Vernehmung zur Sache geltend gemacht.
Soweit § 14 GVG von besonderen Gerichten der Schifffahrt spricht, ist nicht völlig klar, ob insoweit eine sachliche, funktionale oder örtliche Zuständigkeit begründet ist. Jedenfalls besteht auch eine andere örtliche Gerichtzuständigkeit. Somit kann das Verfahren nicht abgegeben oder verwiesen werden. Gern. § 16 StPO ist das Fehlen der hiesigen örtlichen Zuständigkeit als Verfahrenshindernis festzustellen..."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.2 (Sammlung Seite 1816.); ZfB 2001, 1816.