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Leitsätze:
Zahlungsunfähig im Sinne der §§ 129 ff InsO ist, wer über mehrere Monate fällige Verbindlichkeiten nicht binnen drei Wochen ausgleichen kann.
Zur Feststellung des Zeitpunktes und der Tatsache einer Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens ist es im Rahmen der Insolvenzanfechtung nicht notwendig, eine Liquiditätslücke in bestimmter Größe – beispielsweise 10 % – zu ermitteln oder genaue Feststellungen zum Umfang des Geschäftsbetriebes und der Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners vorzunehmen.
Ein Gläubiger weiß von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn er Kenntnis von dessen drohender Zahlungsunfähigkeit oder jedenfalls von Umständen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten, hat. Bei der Ermittlung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes eines Schuldners können bargeschäftsähnliche Vorgänge, also eine Zahlung gegen eine zur Fortführung eines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung, als besondere Umstände berücksichtigt werden, die insbesondere, wenn der Schuldner ernsthafte und erfolgsversprechende Sanierungsmaßnahmen ergreift, gegen einen solchen Vorsatz sprechen.
Der Annahme einer Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners schadet es nicht, wenn der Gläubiger die Geschäftsbeziehung fortsetzt in der Hoffnung, dass das Unternehmen des Schuldners sich wieder erholt und auf diesem Wege doch noch den Ausgleich sämtlicher Forderungen erzielt, statt die Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner einzustellen und dessen Unternehmen möglicherweise in die Insolvenz zu treiben mit der Folge, dass alle Verbindlichkeiten des Gläubigers in beträchtlicher Höhe bis auf die Insolvenzquote ausfallen.
Eine etwa geplante Gesetzesänderung kann nicht dazu führen, das bestehende Gesetz entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Lichte einer ins Auge gefassten Gesetzesänderung auszulegen.
Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Az.: 9 U 61/14
vom 07. Oktober 2014
Beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 9. Zivilsenat – … am 07.10.2014:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.03.2014, Aktenzeichen 329 0 291/13, wird gemäß § 522 Absatz 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
Die Zurückweisung der Berufung erfolgt gemäß § 522 Absatz 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss.
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der T GmbH (künftig: Schuldnerin) im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von der Schuldnerin an die Beklagte am 04.01.2011 (50.000,00 €), am 19.01.2011 (50.000,00 €) und am 09.02.2011 (25.000,00 €) gezahlter Beträge, insgesamt also auf Zahlung von 125.000,00 € in Anspruch. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 29.04.2011 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzeröffnung vorausgegangen war ein Eigenantrag der Schuldnerin vom 18.02.2011, nachdem die Schuldnerin am 16.02.2011 versucht haben soll, die Partikuliere – u. a. die Beklagte dazu zu bewegen, die Außenstände in ein verzinsliches Darlehen umzuwandeln.
Die Schuldnerin und die Beklagte waren Vertragspartner eines »Transportvertrages«, aufgrund dessen die Beklagte der Schuldnerin ihr Tankschiff »X« für den Transport von hellen Mineralölprodukten zur Verfügung gestellt hatte. Vereinbart war zwischen der Schuldnerin und der Beklagten eine Tagescharter von 4.500,00 € bei freien Betriebsstoffen. Die Zahlung sollte jeweils zum 7. des Folgemonats erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen. Die Schuldnerin nahm diese Transporte im Rahmen von Vertragsbeziehungen mit Auftraggebern aus der Mineralölwirtschaft vor, für die sie ein Entgelt erhielt. Sie unterhielt ähnliche Vertragsbeziehungen wie zu der Beklagten zu zahlreichen anderen Schiffseignern (sog. Partikuliere).
Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung am 04.01.2011 jedenfalls) mit zwei Monatscharterraten in Höhe von 281.499,75 € in Verzug. Die unbezahlten Forderungen der Beklagten zum Ende 2010 beliefen sich auf 439.240,20 € und stiegen trotz der angefochtenen Zahlungen bis zur Insolvenzeröffnung auf 478.448,27 € an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Bereits in der Vergangenheit war es immer wieder zur Zahlungsverzögerungen seitens der Schuldnerin gekommen. So zahlte die Schuldnerin im Jahr 2009 die vereinbarte Charter verzögert an die Beklagte, glich allerdings dann die Rückstände aus. Zum Zeitpunkt der angefochten Zahlungen waren jedenfalls weitere Forderungen anderer Partikuliere gegen die Schuldnerin fällig und sind bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichen worden, nämlich Forderungen der Y (diese betrifft das Insolvenzanfechtungsverfahren 326 0 165/13), der Z (diese betrifft das Insolvenzanfechtungsverfahren 329 0 292/13) und der W (diese betrifft das Insolvenzanfechtungsverfahren 318 0 280/13).
Im Januar 2011 teilte die Schuldnerin ihren Geschäftspartnern mit, dass sich die V-Gruppe an ihrem Unternehmen beteiligt habe; mit dieser Zusammenarbeit glaube sie, für die schwierigen Herausforderungen in der Tankschifffahrt gut gerüstet zu sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen: Die Schuldnerin sei spätestens Mitte 2010 zahlungsunfähig gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Die Beklagte sei von der Schuldnerin über deren Zahlungsunfähigkeit informiert worden. Da die O-Firmengruppe, zu der auch die Schuldnerin gehört habe, ab Mitte 2010 nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre fälligen Verbindlichkeiten vollumfänglich zu zahlen, sei es zu Mahnungen telefonischer Art gekommen – auch im vorliegenden Fall. Den Gläubigern, so auch der Beklagten, sei mitgeteilt worden, dass eine vollständige Begleichung der ausstehenden Forderungen nicht möglich sei. Den Gläubigern sei angeboten worden, diejenigen Zahlungen zu leisten, die nach der aktuellen Liquiditätslage geleistet werden könnten. Derartige Zahlungen, wobei es sich regelmäßig um »runde Beträge« gehandelt habe, seien üblicherweise als »à-conto-zahlungen« definiert worden. So sei auch im vorliegenden Fall verfahren worden. Ohne derartige Gespräche seien keine Zahlungen mehr an die Gläubiger geleistet worden. Die Schuldnerin habe regelmäßig nur an Gläubiger gezahlt, die persönlich gemahnt und mit Arbeitseinstellung gedroht hätten. Dabei sei immer nur der Betrag geleistet worden, der habe gezahlt werden können und der den jeweiligen Gläubiger ruhig gestellt habe.
Wegen der Anträge erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Angesichts ihres Geschäftsumfangs könne die Schuldnerin nicht zahlungsunfähig gewesen sein. Sie habe eine Vielzahl von Tankschiffen im Einsatz gehabt, woraus die Schuldnerin erhebliche Einnahmen durch die Zahlungen der Verlader erhalten habe.
Da es bereits 2009 Zahlungsrückstände gegeben habe, die stets ausgeglichen worden seien, sei sie – die Beklagte – an solche Zahlungsverzögerungen – die Frachtrate für Juni, fällig ab 07.07.2010, wurde im August 2010 in zwei Raten gezahlt – gewöhnt gewesen. Bezüglich der Charterraten für Oktober und November 2010 habe es Gespräche zwischen dem Geschäftsführer der Schuldnerin und ihr – der Beklagten – gegeben. Am 28.10.2010 sei die Stundung der noch offenen Charterraten vereinbart worden. Diese hätten nach der Stundungsvereinbarung in wöchentlichen Teilzahlungen jeweils montags in Höhe von je 50.000,00 € erbracht werden sollen. Die Raten von jeweils 50.000,00 € seien am 02.11.2010, 09.11.2010, 15.11.2010, 22.11.2010, 1.12.2010 und am 07.12.2010 in Höhe von 31.442,50 € gezahlt worden. Auf diese Zusage habe sie – die Beklagte – aufgrund des glaubwürdigen Zahlungsverhaltens in der Vergangenheit vertraut. Allein aus diesem Grund habe sie die TMS »X« auch noch bis zum 19.02.2011 für die Schuldnerin eingesetzt.
Es sei auch keineswegs so, dass die Zahlungen Mitte 2010 eingestellt worden seien. Sie – die Beklagte – habe laufend Zahlungen von der Schuldnerin erhalten, die mit älteren Forderungen aufgerechnet worden seien. Diese Zahlungspraxis sei in der Geschäftsbeziehung mit der Schuldnerin üblich gewesen. So habe die Schuldnerin außer den oben genannten Zahlungen am 04.01.2011 einen Betrag von 50.000,00 €, am 19.01.2011 50.000,00 € und am 09.02.2011 25.000,00 € gezahlt.
An einer Gläubigerbenachteiligung fehle es schon deshalb, weil sie – die Beklagte – der Schuldnerin den Schiffsraum der »X« für die Transportleistungen weiter zur Verfügung gestellt habe. Ohne die Zahlungen hätte sie – die Beklagte – die laufenden Kosten für die »X« nicht tragen und das Schiff also nicht für die Schuldnerin einsetzen können. Die Zahlungen ab Oktober seien gerade ausreichend gewesen, die Kosten für den Betrieb der »X« zu decken. Dadurch habe die Schuldnerin die von ihren Hauptauftraggebern erworbenen Frachten auch erhalten, und zwar in Höhe von rund 1.331.000,00 € nebst Bunkerkosten. Wirtschaftlich betrachtet hätten sich hierdurch die Befriedigungsmöglichkeiten anderer Gläubiger nicht verschlechtert, sondern seien sogar aufgewertet worden.
Auch habe die Schuldnerin nicht mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt. Daran fehle es schon deshalb, weil sie aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise gerechnet habe. Die Schuldnerin sei nämlich davon ausgegangen, dass es durch die Beteiligung der V Gruppe an ihrem Unternehmen ab Januar 2011 erhebliche Mittelzuflüsse geben werde. Zudem habe die Schuldnerin die Absicht gehabt, die ausstehenden Verbindlichkeiten gegenüber den Vercharterern in Darlehen umzuwandeln. Zu diesem Zweck habe sie die Versammlung am 16.02.2011 in Düsseldorf organisiert; dort habe sie diese Sanierungsmaßnahmen mit den Vercharterern besprochen. Die Schuldnerin habe im Interesse an den vertraglich vereinbarten Leistungen der Beklagten gezahlt, um hierdurch ihren Geschäftsbetrieb weiter führen zu können. Ihr sei klar gewesen, dass sie – die Beklagte – und auch die anderen Reeder ohne anteilige Zahlung der ausstehenden Frachten ihre Tankschiffe nebst Besatzung abziehen würden und diese ihr nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Hierdurch wäre der Schuldnerin die gewinnbringende weitere Einsatzmöglichkeit verloren gegangen.
Schon gar nicht sei sie – die Beklagte – davon ausgegangen, dass durch die vertragsgemäßen Zahlungen der Charterraten andere Gläubiger benachteiligt werden könnten, da ihr von einem Zahlungsverzug anderen Gläubigern gegenüber nichts bekannt gewesen sei. Auch im Übrigen habe sie keinen Einblick in die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin gehabt. Zudem habe die Schuldnerin seit Januar 2011 eine positive Grundstimmung über die Entwicklung ihres Unternehmens sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber anderen Vercharterern vermittelt. Die Schuldnerin habe glaubwürdig den Eindruck von Sanierungsmaßnahmen vermittelt. Sie – die Beklagte – habe darauf vertraut, dass auch in diesem Fall, wie früher schon in der Vergangenheit, die Rückstände vollständig ausgeglichen werden würden. So sei es schon in den Jahren 2006, 2007 und 2009 über mehrere Monate zu erheblichen Zahlungsstockungen gekommen. Die Schuldnerin habe allerdings die ausstehenden Verbindlichkeiten stets vollständig an die Beklagte gezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht Seite 4 ff. des Schriftsatzes vom 30.01.2014 Bezug genommen. Zudem sei sie davon ausgegangen, dass die noch offenen Verbindlichkeiten kurzfristig durch
die neue Gesellschafterin bei der Schuldnerin, die finanzkräftige V Group ausgeglichen werden können. So sei ihr dies auch seitens des Geschäftsführers der Schuldnerin in Aussicht gestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 125.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.04.2011 zu zahlen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. So führt sie aus, dass angesichts des fortgeführten Geschäftsbetriebes die Schuldnerin Millioneneinnahmen von der Verladerschaft her erhalten haben müsse. Dies spreche gegen eine Zahlungsunfähigkeit. Ohne Aufklärung über diese Zahlungen sei eine Zahlungsfähigkeit zu unterstellen.
Eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin habe schon deshalb nicht vorgelegen, weil diese Abschlagszahlungen gleichermaßen an alle Partikuliere erbracht oder zumindest versprochen gehabt habe.
Bei der Art des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin – wie generell in der BinnenTankschifffahrt verfüge der Verfrachter (wie die Schuldnerin) nicht über genügend Vermögen, das es erlauben würde, für die mit den Partikulieren vereinbarte Fracht in Vorlage zu treten. Verfrachter wie die Schuldnerin würden – was ihren Kunden bekannt sei – die Forderungen der Partikuliere ausschließlich aus den eingehenden Zahlungen der Verladerschaft begleichen. Aus diesem Grund sei es in der gesamten Binnentankschifffahrt häufig der Fall, dass es zu erheblichen Verzögerungen der Bezahlungen der fälligen Frachten komme.
Die Beklagte macht darüber hinaus geltend, dass es sich bei den fraglichen Zahlungen um Bargeschäfte oder zumindest bargeschäftsähnliche Vorgänge gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungen und die Schriftsätze vom 30.09.2014 Bezug genommen. Die Beklagte begehrt nach dem Gesamtinhalt der Berufungsbegründung unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Abweisung der Klage. Außerdem beantragt sie gemäß § 421 ZPO,
der Klägerin aufzuerlegen, die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden über die Vertragsbeziehungen mit der Verladerschaft vorzulegen und Auskunft über die konkreten Einnahmen im fraglichen Zeitraum zu erteilen.
Vorsorglich und hilfsweise beantragt sie gemäß § 428 ZPO,
der B und S aufzugeben, welche konkreten Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Schuldnerin im Zeitraum drei Monate vor Insolvenzanfechtung, also drei Monate vor dem 18. Februar 2011, bestanden und ob und wann diese beglichen wurden.
Ergänzend beantragt sie,
der Klägerin aufzugeben, die Anschriften sämtlicher Kunden der Schuldnerin, also der Verladerschaft, anzugeben, damit ein entsprechender Antrag gemäß § 428 ZPO auch hinsichtlich dieser Kunden gestellt werden kann.
II.Das Rechtsmittel der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 07.08.2014 verwiesen. Die Schriftsätze vom 12.08.2014 und vom 30.09.2014 bieten keinen Anlass zu anderer Entscheidung:
1. Zahlungseinstellung
Auch angesichts des weiteren Vorbringens der Beklagten ist von einer Zahlungseinstellung jedenfalls ab Anfang Januar 2011 auszugehen. Die Beklagte weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Angabe im Hinweisbeschluss des Senats zu den Forderungen, hinsichtlich derer sich die Schuldnerin zum Zeitpunkt der ersten der angefochtenen Zahlungen im Verzug befand, unpräzise ist. Nach dem Vortrag der Parteien dürfte es sich so verhalten, dass am 04.01.2011 jedenfalls – Forderungen in Höhe von 439.240,20 € bestanden. Insoweit hat die Beklagte den Vortrag des Klägers zu den zu diesem Zeitpunkt nicht bezahlten Rechnungen über Hauptforderungen vom 15.09.2010, 31.10.2010, 08.11.2010, 30.11.2010, 24.12.2010 und 31.12.2010 nicht – zumindest nicht substantiiert – bestritten. Die Beklagte ist dabei der Auffassung, dass Verzug nur hinsichtlich zweier Charterraten in Höhe von insgesamt 281.499,75 € eingetreten war. Ob diese Auffassung zutrifft, ist fraglich. Es dürfte eher davon auszugehen sein, dass die Altverbindlichkeiten der Schuldnerin nicht länger gestundet waren, weil die Schuldnerin ihre im Rahmen der Stundungsvereinbarung abgegebenen Zahlungszusagen nicht eingehalten hatte. Dies kann aber letztlich dahin stehen Auch bei Verzug mit einer Forderung von 281.499,75 € – geht es nicht um eine Forderung von unbeträchtlicher oder unerheblicher Höhe. Der Auffassung, dass Zahlungseinstellung nur anzunehmen sei, wenn die Liquiditätslücke eine bestimmte Größe – beispielsweise 10% – erreicht hat, hat der Bundesgerichtshof eine ausdrückliche Absage erteilt (BGH, Urteil vom 07.05.2013 – IX ZR 113/10). Auch in einer der jüngsten Entscheidungen zu diesem Problemkreis hat der Bundesgerichtshof es ausreichen lassen, dass eine von ihm als nicht unerheblich bewertete fällige Verbindlichkeit (dort mindestens 12.139,52 €) bestanden hat, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichen worden ist, ohne die Frage nach der Größe der Liquiditätslücke überhaupt aufzuwerfen (BGH, Versäumnisurteil vom 10.07.2014 – IX ZR 280/13). Von daher bedarf es keine genauen Festzustellungen zum Umfang des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin und auch nicht zum Umfang der Gesamtverbindlichkeiten der Schuldnerin. Im Übrigen sieht der Bundesgerichtshof in den Fällen, in denen – als nicht unerheblich bewertete – offene Verbindlichkeiten bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichen werden, gerade davon ab, eine Liquiditätsbilanz zu fordern. Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, dass gerichtsbekannt auch Forderungen anderer Partikuliere von der Schuldnerin bei Fälligkeit nicht ausgeglichen worden waren und bis zur Insolvenzeröffnung auch nicht ausgeglichen worden sind. Rückstände in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro sind nicht »unerheblich«, selbst wenn die Schuldnerin nur – wie gerichtsbekannt Rückstände bei vier Partikulieren gehabt haben sollte und alle anderen Partikuliere – die Beklagte schätzt die Gesamtzahl auf 60 bis 80 Partikuliere bzw. »gut 80 weitere betroffenen Binnenschifffahrtsunternehmen« – fristgerecht vollständig befriedigt haben sollte. Allerdings behauptet die Beklagte selbst ähnliche Rückstände auch bei den weiteren Partikulieren, trägt sie doch in der Berufungsbegründung vor, dass die Schuldnerin Abschlagszahlungen gleichermaßen an alle Partikuliere erbracht oder zumindest versprochen gehabt habe und hält diesen Rechtsstreit für einen Präzedenzfall für »gut 80 weitere betroffene Binnenschifffahrtsunternehmen«, so dass die offenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin ein Vielfaches betragen haben müssten. Entgegen der Bewertung, die die Beklagte vornimmt, hat nach ihrem eigenen Vortrag die Schuldnerin sehr wohl eingeräumt, zur Zahlung der fälligen Verbindlichkeiten nicht in der Lage zu sein. Mit dieser Begründung hat sie schließlich bei der Beklagten einen Zahlungsaufschub erlangt, wobei sie die Vereinbarung dann nicht eingehalten, nämlich die zugesagten Teilzahlungen nur teilweise und auch nicht immer termingerecht erbracht hat. Einer genauen Erfassung des Umfangs des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin bedarf es dabei nicht. Wie oben bereits dargelegt ist nämlich nicht die Feststellung er
forderlich, dass eine Liquiditätslücke in einer bestimmten Größenordnung vorliegt. Entgegen der Annahme der Beklagten hat der Senat auch nicht angenommen, dass aus dem einmaligen Überschreiten eines Zahlungstermins um mehr als drei Wochen auf eine Zahlungseinstellung geschlossen werden könnte. Die Schuldnerin ist hier aber nicht nur schon vor der Stundungsvereinbarung mit offenen Forderungen in Verzug geraten, sondern hat auch im Zeitraum zwischen Anfang Dezember und Anfang Januar die abgesprochenen Teilzahlungsbeträge bzw. Teilzahlungstermine nicht eingehalten. Ihr ist es also über mehrere Monate nicht gelungen, ihre fälligen Verbindlichkeiten binnen drei Wochen auszugleichen. Bei den Rückständen geht es auch nicht um geringfügige Beträge. Das gilt schon hinsichtlich der offenen Forderungen der Beklagten, erst recht unter Berücksichtigung der gerichtsbekannt offenen Forderungen weiterer Partikuliere.
Jedenfalls in einer Gesamtbetrachtung und -bewertung rechtfertigen all die angeführten Umstände den Schluss auf eine Zahlungseinstellung und damit auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Dagegen spricht insbesondere nicht, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb jedenfalls bis Mitte Februar 2011 fortgeführt und Einnahmen von wohl beträchtlicher Höhe erwirtschaftet hat. Auch diese Einnahmen haben sie nicht veranlasst, ihre Zahlungen generell wieder aufzunehmen. Die Beklagte selbst hat auch im Januar und im Februar 2011 – nach einer mehrwöchigen Zahlungspause im Dezember 2010 – nicht etwa die zugesagten wöchentlichen Zahlungen von jeweils 50.000,00 € erhalten, sondern lediglich drei Zahlungen zwischen dem 04.01.2011 und dem 09.02.2011 in Höhe von insgesamt 125.000,00 €. Dass die Fortführung des Geschäftsbetriebs unter Erzielung weitere Einkünfte nicht entscheidend war, zeigt sich überdies schon daran, dass dennoch aufgrund eines Eigenantrags der Schuldnerin vom 18.02.2011 am 29.04.2011 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden ist.
2. Gläubigerbenachteiligung Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die (anderen) Gläubiger der Schuldnerin durch die Zahlungen an die Beklagte benachteiligt worden. Bei der hier von den Beteiligten – Mineralölkonzernen – Insolvenzschuldnerin – Partikulieren – gewählten Vertrags Konstruktion ist auch »die restliche Fracht« dem Aktivvermögen der Schuldnerin zuzuordnen. Nach den gewählten Vertragskonstruktionen hat die Schuldnerin nicht etwa einen Frachtvertrag zwischen den Partikulieren und den Mineralölkonzernen vermittelt, sondern sie hat selbständige Verträge mit den Partikulieren einerseits, den Mineralölkonzernen andererseits abgeschlossen. Damit fallen die
von den Mineralölkonzernen erbrachten Zahlungen in das Vermögen der Schuldnerin; die Zahlungen wurden von der Schuldnerin nicht etwa treuhänderisch für die Partikuliere in Empfang genommen. Ebenso hat sie Zahlungen an die Partikuliere aus ihrem Vermögen erbracht, so dass ihr Vermögen, so wie es dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt war, durch jede Zahlung an die Partikuliere vermindert worden ist. Dabei kann dahin stehen, ob die Schuldnerin tatsächlich im Verhältnis zur Beklagten als Befrachter, also als Partei eines Seefrachtvertrages anzusehen ist, wie einer ihrer Prozessbevollmächtigten meint, oder ob es sich bei dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Schuldnerin nicht vielmehr um einen Zeitchartervertrag im Sinne von § 557 HGB (n. F.) handelt.
3. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre der Umstand, dass die Schuldnerin die Zahlungen an die Beklagte und an die weiteren Partikuliere erbracht haben soll, um ihren Geschäftsbetrieb weiter aufrechterhalten zu können, nicht geeignet, die Beweisanzeichen, die hier für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechen, zu entkräften. Zunächst ist darauf hinzuweisen – wie schon im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt – dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 133 InsO keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht voraussetzt. Schon deshalb steht das etwaige Motiv der Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, der Annahme eines Vorsatzes bezogen auf die Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Besondere Umstände, die zu einer anderen Bewertung führen können, kommen in den Fällen in Betracht, in denen der Insolvenzschuldner von – ernsthaften und erfolgsversprechenden – Sanierungsmaßnahmen ausgeht, oder in denen der Insolvenzschuldner im Wege eines Bargeschäftes eine kongruente Leistung Zug-um-Zug oder jedenfalls im Rahmen eines bargeschäftsähnlichen Vorgangs eine Zahlung gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im allgemeinen nützt (so der Bundesgerichtshof in dem von der Beklagten für ihre Auffassung angeführten Urteil vom 10.07.2014 -IX ZR 192/13). Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einem solchen Bargeschäft. Die Beklagte hat zwar auch im Januar und wohl auch Februar 2011 ihre vertraglichen Leistungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin erbracht. Diese stellen aber nicht die Gegenleistung für die angefochtenen Zahlungen dar. Die Gegenleistungen für die angefochtenen Zahlungen waren vielmehr schon in der Vergangenheit – nämlich schon im Jahr 2010 – von der Beklagten erbracht worden. Selbst wenn die Schuldnerin nur mit zwei Monatscharterraten in Verzug gewesen sein sollte, hätte keine bargeschäftsähnliche Situation vorgelegen. Eine solche hat der Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen hat, in dem das Arbeitsentgelt noch relativ zeitnah, nämlich binnen 30 Tagen ab Fälligkeit (Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13) erfolgt war, aber verneint für eine Zahlung von Entgelt fast zwei Monate nach Beendigung der korrespondierenden Arbeitstätigkeit (Urteil vom 18.07.2002 – IX ZR 480/00). Ähnlich würde es sich hier verhalten, wenn die Zahlung vom 04.01.2011 auf die Charterrate für Oktober 2010 erfolgt wäre. Hinsichtlich dieser war seit 07.11.2010 Verzug eingetreten, so dass an den zwei Monaten zum Zeitpunkt der ersten der angefochtenen Zahlung vom 04.01.2011 lediglich drei Tage fehlen würden. Tatsächlich kann aber noch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die Zahlung vom 04.01.2010 auf die Charter für Oktober zu verrechnen war, sondern – mangels abweichender Verrechnungsbestimmung und angesichts der von der Beklagten vorgetragenen Teilzahlungsabrede – auf noch ältere Forderungen.
Wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Schuldnerin alle ihre Gläubiger nach einer gleichmäßigen Quote befriedigt hat. Der Umstand, dass sie möglicherweise alle Partikuliere nur teilweise befriedigt hat, spricht nicht gegen einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, sondern für ihr Bestreben, die Partikuliere davon abzuhalten, die Geschäftsbeziehung zu ihr zu beenden. Im Übrigen ist jedenfalls in den beiden zur Zeit beim Senat anhängigen Verfahren keine gleichmäßige Befriedigung der jeweiligen Beklagten durch die Schuldnerin erfolgt, und zwar gleichgültig, ob man die Akontozahlungen – in diesem Fall anfangs 50.000,00 €, im Verfahren 9 U 148/14 anfangs 30.000,00 € – zu den Gesamtrückständen oder zur Monatscharter ins Verhältnis setzt. Wegen der entsprechenden Zahlen wird auf die Anlagen K 2 und K 4 Bezug genommen. Nach der Anlage K 3 gilt das auch für die Forderungen der Haverkamp VOF. Dieses Verfahren ist noch beim Landgericht anhängig (326 O 165/13). Die Gesamtschau aller Indizien, wie sie hier und insbesondere im Hinweisbeschluss des Senats dargestellt worden sind, rechtfertigt den Schluss auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, auch wenn es um einen Fall kongruenter Deckung geht.
3. Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin Diese Kenntnis wird gemäß § 133 Absatz 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Gläubiger die drohende Zahlungsunfähigkeit kennt und weiß, dass die Handlung die anderen Gläubiger benachteiligt. Hinsichtlich
der Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit genügt ebenfalls die Kenntnis von einer Zahlungseinstellung bzw. von Umständen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 280/13; Urteil vom 22.05.2014 – IX ZR 95/13). Auch soweit es um die Frage der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin geht, trifft die Argumentation der Beklagten nicht zu, dass die Schuldnerin Vermittlerin gewesen sei, die die Frachtzahlungen der Mineralöllieferungen an die »Frachtführer« lediglich weitergeleitet habe. Die Schuldnerin ist – wie eben ausgeführt – gerade nicht Vermittlerin, etwa Schiffsmakler oder Schiffsagent, sondern mit den Partikulieren wie der Beklagten unmittelbar vertraglich verbunden gewesen, wohl im Wege eines Zeitchartervertrages. Allein der Umstand, dass der Gläubigerhier die Beklagte – davon ausgeht, dass sein Schuldner – die Schuldnerin – Ansprüche gegen zahlungsfähige Schuldner hat, schließt die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nicht aus, wenn – wie hier – die Umstände bekannt sind, aus denen auf die Zahlungsunfähigkeit (hier in Gestalt der Zahlungseinstellung) zu schließen ist Dabei kann auch dahin stehen, ob Zahlungsengpässe in der Tankschifffahrt aufgrund von saisonalen und branchentypischen Schwankungen im Markt nicht ungewöhnlich sind. Es geht hier nicht um Zahlungsengpässe in Gestalt von zögerlicher Zahlung über Wochenzeiträume, sondern um verzögerte Zahlungen über mehrere Monate wobei noch nicht einmal die im Rahmen der Stundungsabsprache verabredeten Zahlungstermine und -beträge mehr eingehalten worden waren. Außerdem kommt es auch sonst immer wieder vor, dass ein Schuldner, der die Zahlungen eingestellt hatte, wieder Zahlungen erbringt Nimmt er seine Zahlungen generell wieder auf, kann aus der vormaligen Zahlungseinstellung nicht mehr auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Entsprechendes gilt für die diesbezügliche Kenntnis der Gläubiger. So verhält es sich hier aber gerade nicht: Die Schuldnerin hat mit den jedenfalls ab Mitte 2010 nur schleppend erbrachten Zahlungen, bei denen es sich auch nur um Teilzahlungen gehandelt hat, die Zahlungen nicht generell wieder aufgenommen. Hervorzuheben ist auch, dass es hier nicht nur darum geht, dass die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte, die jene noch erbracht hat, schleppend erfolgt sind, sondern dass die Schuldnerin die Zahlungsvereinbarung, die sie mit der Beklagten zur Erreichung einer Stundung und Fortführung der Geschäftsbeziehung getroffen hatte, nicht eingehalten hatte, und dass die Beklagte nach eigenem Vortrag davon ausging, dass von diesem zahlungsverhalten nicht nur sie, sondern auch die zahlreichen anderen Partikuliere gleichermaßen betroffen waren. Schon deshalb ist dieser Fall auch nicht damit zu vergleichen, dass
ein Vermieter nur Kenntnis von mehrmonatigen Metrückständen hat Die Beklagte hatte nämlich Kenntnis davon, dass die Schuldnerin ganz ähnliche Geschäftsbeziehungen zu einer Vielzahl von Vertragspartnern unterhielt und ist nach eigenem Vortrag davon ausgegangen, dass diese – nur – in gleicher Weise, nämlich teilweise per Akontozahlungen – zögernd und teilweise befriedigt wurden. Sie wusste damit, dass trotz der getroffenen Stundungsvereinbarung und trotz Erzielung weiter Einkünfte aus dem Einsatz der Schiffe die Schuldnerin keine dauerhafte Verbesserung ihrer Liquiditätslage erreicht hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2014 – IX ZR 95/13).
Auch der Umstand, dass die Beklagte die Geschäftsbeziehungen zur Schuldnerin fortgesetzt hat, spricht nicht gegen ihre Kenntnis von der Zahlungseinstellung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Gläubiger vor der Wahl sehen, die Geschäftsbeziehungen zu einem in einer Krise befindlichen Unternehmen einzustellen und damit möglicherweise dieses Unternehmen in die Insolvenz zu treiben mit der Folge, dass sie mit A1tverbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe bis auf die lnsolvenzquote ausfallen, oder diese Geschäftsbeziehungen fortzusetzen in der Hoffnung, dass das Unternehmen sich wieder erholt und sie auf diesem Wege doch noch Ausgleich sämtlicher Forderungen erzielen und die Geschäftsbeziehung mit den verbundenen Gewinnaussichten fortsetzen können. Die Rolle der Beklagten ist mit der eines Bürgen nicht zu vergleichen.
Zu dem Umstand, dass die V-Gruppe der Schuldnerin Geldmittel zugesagt haben soll, hat sich der Senat bereits im Hinweisbeschluss eingehend geäußert.
Wenn die Beklagte meint, sie habe keine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung gehabt, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Schuldnerin alle Partikuliere gleichmäßig befriedige, so hat der Senat bereits im Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Partikuliere nicht die einzigen Gläubiger der Schuldnerin gewesen sein können. Darüber hinaus hat die Beklagte keine Anknüpfungstatsachen dargelegt, die aus ihrer Sicht die Maßnahme hätten begründen können, dass auch nur alle Partikuliere gleichmäßig befriedigt würden. Dass dies tatsächlich nicht so war, ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten, mehrere Partikuliere betreffenden, Forderungsaufstellungen (Anlagen K 2 ff.). Gerade bei Knappheit der Mittel liegt aber ohnehin die Maßnahme ungleich näher, dass die Schuldnerin versucht hat, mit jedem Vertragspartner »auf möglichst billigem Wege« dessen Stillhalten zu erreichen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war es auch keineswegs so, dass sie keine Möglichkeiten gehabt hätte, »dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen«, wie sie meint. Die Vertragsparteien – Schuldnerin und Beklagte – hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, ein Barzahlungsgeschäft zu vereinbaren. Sie hätten nämlich statt der getroffenen Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung ohne weiteres vereinbaren können, dass die jeweiligen Zahlungen der Schuldnerin nicht auf längst rückständige Forderungen zu verrechnen seien, sondern dass die Zahlungen nicht nur zeitnah zu Leistungen der Beklagten zu erbringen sondern auch auf diese der jeweiligen Zahlung unmittelbar vorhergehenden Leistungen der Beklagten bei Zahlungseingang zu verrechnen seien. Im Übrigen war der Beklagten auch unbenommen, Pfandrechte geltend zu machen. Insoweit wird auf § 495 HGB (n. F.) für den Fall, dass ein Stückgutfrachtvertrag anzunehmen sein sollte (wovon möglicherweise die Beklagte ausgeht), bzw. auf § 566 HGB (n. F.) für den Fall, dass von einem leitchartervertrag auszugehen ist (dieser Auffassung neigt der Senat zu) hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist sogar eine Vereinbarung des Frachtführers mit dem Absender, der offene (Alt-)Forderungen nicht bezahlen kann, einen vorerst unter Berufung auf das Frachtführerpfandrecht angehaltenen Transport auszuführen, sofern bei Ablieferung des Frachtguts zu realisierende Werklohnforderungen gegen den Empfänger in entsprechender Höhe an den Frachtführer abgetreten oder das Pfandrecht
hierauf erstreckt werden, grundsätzlich insolvenzfest (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2005 – IX ZR 24/04). Die Beklagte war also keineswegs auf die Möglichkeit beschränkt, das Vertragsverhältnis mit der Schuldnerin außerordentlich – mit den von ihr befürchteten Risiken – zu kündigen.
Auch den prozessualen Anträgen der Beklagten (§§ 421, 428 ZPO) ist nicht nachzugehen. Es fehlt an einem entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten, der durch die genannten Urkunden bewiesen werden könnte. Selbst wenn die Schuldnerin gegen die Verladerschaft für den Einsatz jedes Schiffes einen höheren Entgeltanspruch erworben haben sollte als sie ihrerseits einer Entgeltforderung der Partikuliere ausgesetzt gewesen ist, würde das weder das Vorliegen einer Zahlungseinstellung bereits am 04.01.2011 noch eine zu diesem Zeitpunkt drohende Zahlungsunfähigkeit ausschließen.
Der Senat ist auch einstimmig der Auffassung, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Umstand, dass nach Behauptung der Beklagten dieser Fall ein Präzedenzfall für rund 80 weitere Binnenschifffahrtsunternehmen sei und dass der Gesetzgeber eine Änderung des § 133 InsO beabsichtigen soll, steht dem nicht ent
gegen. Allein die Anzahl der betroffenen Gläubiger begründet keine grundsätzliche Bedeutung. Eine etwa geplante Gesetzesänderung kann nicht dazu führen, das bestehende Gesetz entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lichte einer ins Auge gefassten Gesetzesänderung auszulegen. Die Bedeutung dieses Prozesses für die »Überlebenschance« der hiesigen Beklagten ist nicht konkret vorgetragen oder ersichtlich. Die Klagforderung von 125.000,00 € macht weniger aus als eineinhalb Monatscharterraten, so dass sich die existentielle Bedeutung für die Beklagte auch nicht ohne weiteres aufdrängt. Ihre Behauptungen, sie sei zur Zahlung nicht in der Lage; eine Vollstreckung durch den Kläger würde ihre eigene Insolvenz auslösen, ohne dass Leistungen an die Insolvenzmasse dieses Verfahrens erfolgen würden, bleiben pauschal.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht der Beklagten das rechtliche Gehör verkürzt hat. Die Beklagte behauptet zwar, die in erster Instanz getroffene Tatsachenfeststellung erlaube nicht eine Beurteilung aller objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Insolvenzanfechtung. Das trifft aber nicht zu, wie sich aus dem oben Ausgeführten und aus dem Hinweisbeschluss des Senats ergibt. Im Übrigen ist auch in der zweiten Instanz kein relevanter neuer Tatsachenvortrag erfolgt, so dass sich gar nicht erst die Frage nach der Zulässigkeit von neuem Vorbringen stellt.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2014 - Nr.11 (Sammlung Seite 2322 ff.); ZfB 2014, 2322 ff.