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Leitsätze:
1) Obliegt das Verladen des Frachtgutes nach dem zugrunde liegenden Beförderungsvertrag dem Absender, übernimmt der Frachtführer das Gut grundsätzlich erst nach Abschluss der Verladetätigkeit des Absenders oder der von ihm eingesetzten Hilfspersonen; der Obhutszeitsraum im Sinne des Art. 16 CMNI beginnt wie nach § 425 HGB also erst mit dem vollständigem Abschluss der Verladung.
2) Außerhalb des Obhutszeitraumes haftet der Frachtführer im Rahmen des nach Art. 29 Abs. 1–3 CMNI auf den Frachtvertrag anwendbaren nationalen Rechtes. Nach deutschem Recht kommt bei Schädigung der Ladung während des Umschlages grundsätzlich eine vertragliche Schutzpflichtverletzung oder eine deliktische Rechtsgut- oder Schutzgesetzverletzung in Betracht, beides setzt ein Verschulden des Frachtführers voraus.
Beschluss des Schiffahrtsobergerichtes Nürnberg
vom 29. September 2017
Az.: 9 U 1742/16 BSch
(Schiffahrtsgericht Würzburg, Az.: 16 C 1715/15 BSch); auf der Grundlage des Hinweisbeschlusses ist die Berufung zurückgenommen und das Urteil erster Instanz akzeptiert worden (d. Red.)
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgericht – Würzburg vom 13.05.2016, Az. 16 C 1715/15 BSchG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen ...
Das Rechtsmittel der Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg ...
Das Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Würzburg hat zu Recht Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Vorfall vom 22.09.2014 abgelehnt.
Das Schifffahrtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die klägerseits be- hauptete und beklagtenseits bestrittene Sachbefugnis (Aktivlegitimation) der Klägerin (infolge gesetzlichen Forderungsübergangs (§ 86 VVG) bzw. nach Abtretung durch die A) im Ergebnis dahinstehen kann und keiner Entscheidung bedarf. Denn die Klägerin hat schon die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruch der A gegen die Beklagte nicht bewiesen.
Eine Haftung der Beklagten nach Art. 16 Abs. 1 CMNI ist nicht eröffnet ...
Zutreffend hat das Schifffahrtsgericht aus- geführt, dass im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten nach Art. 16 Abs. 1 CMNI nicht begründet ist, weil zum Zeitpunkt des Schadenseintritts noch keine frachtrechtliche Übernahme der Frachtführerin im Sinne des Art. 16 Abs. 1 CMNI erfolgt war und die Beschädigung der Fracht somit vor Beginn des haftungsrechtlichen Obhutszeitraums der Beklagten eintrat.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der durch einsetzenden Regen entstandene Nässeschaden an der Fracht (Braumalz) während der Beladung des GMS Menranda im Hafen von Gelsenkirchen eintrat.
Die Beladung des Schiffs oblag unstreitig der A. Diese führte die Beladung durch und beaufsichtigte diese. Die Zeugin B hat hierzu anlässlich ihrer Einvernahme im Termin vor dem Amtsgericht am 8.06.2016 ausdrücklich bekundet, dass sie zur fraglichen Zeit vor Ort für die Schiffsbeladung verantwortlich war und daneben als weitere Hilfsperson ein »Belader« eingesetzt war, dessen Aufgabe unter anderem gewesen sei, den Beladevorgang bei aufkommenden Regen zu stoppen. In der von der Klägerin vorgelegten Transportbestätigung vom 19.09.2014 ist hierzu entsprechend bestimmt:
»Übernahme ab frei: verstaut Binnenschiff Gelsenkirchen – A«
Obliegt aber – wie hier – das Verladen des Frachtgutes nach dem zugrundeliegenden Beförderungsvertrag dem Absender, übernimmt der Frachtführer das Gut grundsätzlich erst nach Abschluss der Verladetätigkeit des Absenders oder der von ihm eingesetzten Hilfspersonen (BGH, Urteil vom 28.11.2013 – 1 ZR 144/12 – ‚ juris; NJW 2014, 997; v.Waldstein/Holland, Binnenschiffahrtsrecht, 5. Aufl., § 425 HGB Rz. 5). Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Übernahme der Fracht und damit zum Beginn der Obhutshaftung nach § 425 Abs. 1 HGB ist aufgrund der insoweit gleichen Begrifflichkeit auf die Frachtführerhaftung nach Art. 16 Abs. 1 CMNI zu übertragen (vgl. v.Waldstein/ Holland, a.a.O., Art 16 CMNI, Rz. 5).
Dafür, dass im vorliegenden Fall die Beklagte bzw. der von ihr eingesetzte Unterfrachtführer als Erfüllungsgehilfe das zu verladende Braumalz als Massegut in Ausnahme zu den vorstehenden Grundsätzen gleichsam »sukzessive« bereits mit anteiliger Verladung in das Schiff zur Beförderung in seine (haftungsrechtliche) Obhut übernehmen wollte, spricht nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nichts. Auch die Klägerin hat einen dahingehenden vorgezogenen Übernahmewillen des Frachtführers weder dargetan noch nachgewiesen.
Eine Haftung der Beklagten nach Art. 16 Abs. 1 CMNI scheidet danach mangels Übernahme des Frachtguts aus. Der Schaden trat nicht im Obhutszeitraum ein.
Eine Haftung der Beklagten ist auch nicht anderweitig begründet.
Die Haftung des Frachtführers für außerhalb des Obhutszeitraums eingetretene Schäden beurteilt sich nach dem gemäß Art. 29 Abs. 1 bis 3 CMNI auf den Frachtvertrag anwendbaren nationalen Recht. Das ist hier – wie das Schifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat – deutsches Recht.
Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten ist danach eine schadensursächliche schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige) Schutzpflichtverletzung (§§ 276 Abs. 1, 278 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB) bzw. eine schuldhafte Rechtsgut- oder Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Die verschuldensunabhängige Haftung des Frachtführers nach § 425 Abs. 1 HGB ist – ebenso wie die Haftung nach Art. 16 CMNI – auf den Obhutszeitraum nach Übernahme der Fracht beschränkt.
Das Schifffahrtsgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der hierbei getroffenen Feststellungen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis für ein schadensursächliches schuldhaftes Handeln oder Unterlassen der Beklagten bzw. ihrer Erfüllungsgehilfen nicht erbracht hat. Es hat zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin den Nachweis für ein schuldhaft verspätetes Schließen der Ladeluken durch die Beklagte bzw. die im Auftrag der Beklagten mit Durchführung desTransportauftrages befasste Besatzung des GMS Menranda nicht geführt hat.
Die Klägerin begründet die behauptete schadensursächliche Schutzpflichtverletzung im Wesentlichen damit, dass die Schiffsbesatzung des GMS Menranda vor dem einsetzenden Regen durch eine Mitarbeiterin der A auf das heraufziehende Unwetter hingewiesen und zur Schließung der nicht unmittelbar zur Beladung benötigten Ladeluken aufgefordert worden sei, und die Besatzung die danach zum Schutz der Ladung gebotene und mögliche rechtzeitige Schließung der Ladeluken gleichwohl pflichtwidrig unterlassen habe. Die Beklagte und die Streithelferin haben dieses Vorbringen ausdrücklich bestritten. Die Klägerin hat den erforderlichen Nachweis hierfür nicht erbracht ...
Das Erstgericht hat aufgrund dieser Zeugenaussagen den Nachweis für den Zugang der von der Klägerin behaupteten und beklagtenseits bestrittenen Aufforderung an die Schiffsbesatzung, die Ladeluken wegen aufkommenden Regens rechtzeitig zu schließen, als nicht erbracht angesehen. Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Sie ist vollständig und richtig. Sie wird von den Zeugenaussagen gedeckt und von der Klägerin auch nicht erfolgreich in Frage gestellt.
Die Zeugen L und L-V haben beide ausdrücklich verneint, im Vorfeld der Ereignisse von der Zeugin B bzw. von einem Mitarbeiter der A auf ein heraufziehendes Unwetter hingewiesen worden zu sein. Die Zeugin B konnte eine Ansprache eben dieser Mitglieder der Schiffsbesatzung gerade nicht bekunden ...
Die Klägerin hat auch nicht anderweitig nachweisen können, dass die Schiffsbesatzung des GMS Menranda pflichtwidrig und schuldhaft eine rechtzeitige Schließung der Ladeluken unterlassen und hierdurch den Schadenseintritt verursacht hat.
Die Zeugen L und L-V haben übereinstimmend bekundet, dass der während des Ladevorgangs einsetzende Regen von ihnen erstmals bemerkt wurde, als sich sie gerade beim Mittagessen auf dem Schiff befanden. Beide Zeugen gaben an, sodann umgehend mit dem Abdecken der Ladeluken begonnen zu haben. Die Zeugin L-V hat darüber hinaus bekundet, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Unwetter geherrscht habe. Der Zeuge L hat ferner – wie bereits ausgeführt – angegeben, dass ein Mitarbeiter der A selbst erstmals zu dem Zeitpunkt, als er und seine Frau bereits mit dem Zudecken der Luken begonnen hatten, zum Schiff gekommen sei und sie zum Schließen der Luken aufgefordert habe ...
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist vielmehr davon auszugehen, dass die Schiffsbesatzung des GMS Menranda umgehend nach dem Erkennen des einsetzenden Regens mit den Abdeckarbeiten begonnen hat.
Dass es der Schiffsbesatzung in der Folge aufgrund des plötzlich einsetzenden Unwetters mit Orkanböen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war, die bis dahin noch geöffneten Ladeluken vollständig zu schließen, hat das Schifffahrtsgericht im Rahmen seiner überzeugenden Beweiswürdigung zu Recht festgestellt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Diese Beweiswürdigung und Feststellung wird auch von der Klägerin mit ihrer Beschwerde letztlich nicht angegriffen.
Das Erstgericht weist zutreffend darauf hin, dass ein vollständiges Schließen aller Ladeluken bereits deshalb nicht möglich war, weil nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen B, L und L-V im Zeitpunkt des einsetzenden Sturms und auch danach das Laderohr der A noch nicht aus dem Ladebereich entfernt war, sondern – so insbesondere die Zeugin B – noch in einer Höhe im Schiff hing, dass ein Schließen der Luke darunter nicht möglich war. Dieser Umstand ist aber unter keinem Gesichtspunkt von der Beklagten bzw. der Schiffsbesatzung zu vertreten. Vielmehr lag der gesamte Ladevorgang allein im Durchführungs- und Verantwortungsbereich der A (vgl. Art. 6 Abs. 4 CMNI, § 412 Abs. 1 HGB). Diese hatte entsprechend vor Ort einen »Belader« eingesetzt, dessen Aufgabe es unter anderem war, den Beladevorgang bei einsetzendem Regen sofort zu stoppen. Eine Haftung des Frachtführers für Tätigkeiten seiner Leute unter der Aufsicht des Absenders scheidet aber grundsätzlich aus (v. Waldstein/Holland, a.a.O., § 412 HGB Rz. 13) ...
Im Ergebnis ist somit auch im Rahmen etwaiger nebenvertaglicher Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem bestehenden Frachtvertrag kein pflichtwidriges und schuldhaftes Handeln bzw. Unterlassen des Frachtführers bzw. seiner eingesetzten Erfüllungsgehilfen nachgewiesen und erkennbar. Dies hat das Amtsgericht auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend festgestellt.
Mangels Verschulden besteht eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz auch aus keinem anderen Rechtsgrund.
II.
Da die Berufung somit keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe ...
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2021 - Nr. 9 (Sammlung Seite 2716 f.); ZfB 2021, 2716 f.