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88 P - 16/78 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Moselschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.10.1978
Aktenzeichen: 88 P - 16/78
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Moselschiffahrt

Leitsätze:

1) Das in § 1.04 RhSchPoIVO ausgesprochene Gebot einer allgemeinen Sorgfaltspflicht wendet sich an die Schiffsführer, nicht schlechthin an die Lotsen.

2) Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Lotse die Stellung des Schiffsführers erhält.

3) Ein vom Schiffsführer für die von seinem Patent nicht erfaßte Flußstrecke angenommener Lotse verliert die Stellung als Schiffsführer automatisch, sobald das Schiff sich wieder in einem Flußabschnitt befindet, für den der Schiffsführer das Patent besitzt. Der Lotse wird dann Rudergänger.

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 14.Dezember 1977 - OWi 1097/77 RhSch -)


Das Rechtsmittel ist richtig, vor allem rechtzeitig eingelegt. Das angefochtene Urteil ist dem Betroffenen am 9.Januar 1978 zugestellt worden. Seine am 3. Februar 1978 eingelegte Berufung liegt also innerhalb der Frist von 30 Tagen, die Art. 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte hierfür bestimmt. Die Berufungsbegründung ist am 22. Februar 1978, also weniger als 4 Wochen nach der Einlegung der Berufung, bei Gericht eingegangen.

Die richtig eingelegte Berufung ist aus den folgenden Gründen erfolgreich.

Das in § 1.04 RSchPVO ausgesprochene Gebot, über die sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung hinaus alles zu tun, was die allgemeine Sorgfaltspflicht und die berufliche Übung gebieten, um die Beschädigungen anderer Fahrzeuge, Behinderungen der Schiffahrt und  die Gefährdung von Menschenleben zu vermeiden, wendet sich an die Schiffsführer. Sie werden darüber hinaus in § 1.02 Ziffer 5 RSchPVO als für die Befolgung ihrer Bestimmungen dieser Verordnung verantwortlich bezeichnete Der Betroffene müsste also der Schiffsführer des MS "M" gewesen sein, um die ihm vorgeworfene Übertretung des § 1.04 RSchPVO überhaupt begehen zu können. Diese Eigenschaft hatte er aber nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie ihm nicht schon deshalb fehlte, weil er nicht zum Schiffsführer bestellt worden war. Das konnte nach § 14 der Lotsenordnung für den Oberrhein entweder durch ausdrückliche Überlegung der Schiffsführerstellung oder durch den Hinweis darauf geschehen, dass der an Bord befindliche Schiffsführer für die zu befahrende Rheinstrecke kein Patent hatte. Die Akten zeigen nicht, dass eine der beiden Übertragungsarten ausgeführt worden ist. Es erscheint zweifelhaft, ob die Kenntnis des Betroffenen davon, dass der Schiffsführer des MS "M" für die zu befahrende Rheinstrecke kein Patent hatte, einen besonderen Hinweis auf diese Tatsache überflüssig machte, also ausreichte, um den Betroffenen zum Schiffsführer zu machen. Diese Frage bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, da der Betroffene im Zeitpunkt der ihm vorgeworfene Havarie aus einem anderen Grunde nicht der Schiffsführer der MS "M" war.

Dessen ständiger Schiffsführer hatte lediglich für die Strecke oberhalb Ma kein Patent. Die Havarie ereignete sich aber in der Ortslage Ma-Lu. Hier hatte deshalb das Patent des ständigen Schiffsführers Gültigkeit, mit der Folge, dass es diesem auch in der aktuellen Situation die Führereigenschaft gab. Wird nämlich von einem Schiff, dessen ständiger Kapitän für eine bestimmte Rheinstrecke kein Patent besitzt, die Grenze dieser Strecke überschritten, so lebt dessen vorübergehend wirkende Schiffsführereigenschaft wieder auf. Ein von ihm für die von seinem Patent nicht erfasste Flussstrecke zum Schiffsführer bestellter Lotse verliert diese Stellung, auch wenn keine formelle Übergabe erfolgt. Der Betroffene war also, als sich die ihm vorgeworfene Havarie ereignete, lediglich der Rudergänger des MS "M". Die Norm des § 1.04 RSchPVO konnte mithin von ihm nicht übertreten werden.

Es wird deshalb für Recht erkannt

Der Beschluss des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 14.12.1977 wird aufgehoben,
 
Der Betroffene wird von dem Vorwurf, den § 1.04 RSchPVO übertreten zu haben, freigesprochen
 
Die Festsetzung die dem Betroffenen zu erstattenden Verfahrenskosten erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.