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85 P - 8/78 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 31.05.1978
Aktenzeichen: 85 P - 8/78
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zur Frage, wann ein Schiffsführer aufgrund einer Anweisung der Wasserschutzpolizei wegen einer aufkommenden Nebelwand ein Aufdrehmanöver beginnen muß oder kann.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 31. Mai 1978

85 P - 8/78

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)


Zum Sachverhalt:

Dem Betroffenen wird vorgeworfen, entgegen der Anweisung der Wasserschutzpolizei bei Rhein-km 747,100 zum Aufdrehen wegen einer weiter unten stehenden Nebelwand die Fahrt trotz unsichtigen Wetters ohne Radar noch 800 m fortgesetzt zu haben. Außerdem habe von der vorgeschriebenen Besatzung 1 Matrose gefehlt. Auf die Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts, das ihn wegen Ordnungswidrigkeit zu 250,- DM Geldbuße verurteilt hatte, wurde er wegen des ersten Vorwurfs freigesprochen und wegen des zweiten Falles nur zu einer Geldbuße von 100,- DM verurteilt.

Aus den Gründen:

„...
Der in der Hauptverhandlung als Zeuge gehörte Polizeibeamte M. von der Wasserschutzpolizei-Station Düsseldorf hat bei seiner Vernehmung bekundet, daß der Betroffene mit seinem leeren Motorschiff gerade ein Überholmanöver ausführte, als ihm die Anweisung zum Aufdrehen mittels Lautsprecher zugerufen wurde. Nach Meinung des Zeugen M. hätte der Betroffene von seinem Überholmanöver nicht mehr Abstand nehmen können; allerdings hätte er nach Beendigung der Überholung seine Fahrstufe verringern können. Der zweite als Zeuge vernommene Polizeibeamte (Polizeihauptwachtmeister N.) hatte an den Vorfall keine konkrete Erinnerung mehr und vermochte nur die allgemeine Vermutung auszusprechen, daß man dem Betroffenen die Anweisung zum Aufdrehen sicherlich nicht gegeben hätte, wenn dieser nicht in der Lage gewesen wäre, dieser Aufforderung nachzukommen. Da nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts die polizeiliche Anweisung zum Aufdrehen dem Betroffenen etwa 800 m oberhalb der Nebelwand gegeben wurde und aufgrund der Aussage des Zeugen M. davon auszugehen ist, daß zu diesem Zeitpunkt der Betroffene gerade dabei war, ein anderes Schiff zu überholen, erscheint es zweifelhaft, ob der Betroffene ohne Gefährdung in der Lage war, früher, als von ihm vorgenommen, ein Aufdrehmanöver auszuführen. Der Betroffene mußte nicht nur die begonnene Überholung beenden, was erfahrungsgemäß eine Strecke von mehreren Schiffslängen in Anspruch nahm, sondern durfte auch ohne Schuldvorwurf noch durch unverminderte Fahrt eine gewisse Sicherheitsdistanz zwischen seinem Schiff und dem gerade überholten Fahrzeug schaffen, um ohne dieses zu beeinträchtigen, sein Drehmanöver ausführen zu können. Berücksichtigt man, daß einschließlich des für das eigene Drehmanöver in Anspruch genommenen Raumes insgesamt nur eine Strecke von 800 m bis zur Nebelwand zur Verfügung stand, so kann hieraus nicht zwingend auf ein schuldhaftes Verhalten des Betroffenen geschlossen werden. Da er unwiderlegt vorbrachte, daß im Augenblick der Lautsprecherdurchsage die Nebelwand für ihn noch nicht sichtbar war, durfte er ohne Schuldvorwurf so lange in Fahrt bleiben, bis er der polizeilichen Anweisung ohne Gefahr nachkommen konnte. Daß er hierbei in Mißachtung der polizeilichen Weisung und unter Außerachtlassung seiner Sorgfaltspflicht gehandelt hat, ist in der Hauptverhandlung nicht ausreichend bewiesen worden. Soweit der Betroffene somit wegen einer Zuwiderhandlung gegen §§ 1.04 und 1.19 RhSchiffPolVO verurteilt wurde, kann diese Verurteilung nach dem Grundsatz, daß im Zweifelsfalle zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, nicht aufrechterhalten werden. Dagegen besteht die Verurteilung zu recht, soweit diese wegen eines Verstoßes gegen § 1.08 RhSchiffPolVO erfolgte, da der Betroffene in der Hauptverhandlung selbst einräumte, daß an der im Schiffsattest vorgeschriebenen Mindestbemannung ein Matrose gefehlt hat.
...“