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84 P - 9/78 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 31.05.1978
Aktenzeichen: 84 P - 9/78
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zur Beweisführung einer Ordnungswidrigkeit wegen zu schnellen Passierens von Stilliegern.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 31. Mai 1978

84 P - 9/78

(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)


Zum Sachverhalt:

Der Betroffene war vom Rheinschiffahrtsgericht zu einer Geldbuße von 100,- DM verurteilt worden, weil er auf der Talfahrt mit seinem Motorschiff zu nahe an Stilliegern vorbeigefahren und dadurch auf MS N ein Draht gebrochen sein soll. Seine Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.

Aus den Gründen:

Die Berufungskammer hält aus den folgenden Gründen nicht für bewiesen, daß der Bruch eines Drahtes auf dem MS N von dem Betroffenen herbeigeführt worden ist.

1. Das MS N lag mit Bug zu Berg still, als das MS A des Betroffenen talwärts vorbeifuhr. Der von diesem Schiff ausgehende Sog zog unter diesen Umständen den Stillieger nach rückwärts. Es belastete also zusätzlich die Vorausdrähte, während die nach rückwärts ausgelegten entlastet wurden. Nun ist aber auf dem MS N ein rückwärts führender Windedraht angeblich gebrochen. Es ist nicht bekannt, wie er im Einzelnen ausgelegt war. Bei dieser Sachlage sieht sich die Berufungskammer außerstande, festzustellen, er sei unter dem Einfluß der Vorbeifahrt des von dem Betroffenen geführten Schiffes gebrochen. Diese Möglichkeit scheidet zwar nicht völlig aus, es fehlt aber der sichere Beweis.

2. Es ist nicht prüfbar, wie das MS N an Land befestigt war. In den Akten befinden sich dazu nur Angaben seines Kapitäns M. Sie sind allein keine ausreichende Grundlage für gerichtliche Feststellungen, da sie von einer am Ausgang des Verfahrens interessierten Person stammen. Die Berufungskammer kann deshalb nicht feststellen, die Befestigung sei so gewesen, daß bei ordnungsgemäßer Vorbeifahrt eines Schiffes kein Schaden entstehen konnte. Daran hindert auch der Umstand, daß in der Nähe des MS N andere Schiffe stillagen, bei denen ein Drahtbruch nicht eingetreten ist.

3. Es ist weiter nicht prüfbar, in welchem Zustand sich der angeblich gebrochene Draht befand. Die Wasserschutzpolizei hat am Tage nach dem umstrittenen Ereignis auf dem MS N einen gebrochenen Draht gesehen, der nach ihrer Ansicht gebrauchsfähig war und keine Mängel aufwies. Selbst wenn diese Ansicht richtig sein sollte, steht nicht sicher fest, daß es sich um den bei der Vorbeifahrt des MS A angeblich gebrochenen Draht gehandelt hat.

4. Schließlich ist unklar, mit welcher Geschwindigkeit das vom Betroffenen geführte Schiff an dem MS N vorbeigefahren ist. Dessen Kapitän, der Zeuge M., hat dazu nichts gesagt, sondern nur von einer zu schnellen Talfahrt gesprochen. Der Betroffene hat die Geschwindigkeit seines Schiffes auf 14-15 km/h geschätzt. Die Richtigkeit dieser Schätzung ist nicht widerlegt. Geht man von ihr aus, so ist ein Verstoß des Betroffenen gegen § 6.20 Nr. 1 Buchstabe b RSchPVO auch deshalb nicht feststellbar, weil die Geschwindigkeit des von ihm geführten Schiffes möglicherweise nicht höher war, als zu einer sicheren Führung notwendig.
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