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8 U - 3103/01 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 20.06.2002
Aktenzeichen: 8 U - 3103/01 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 6.20 Nr. 1 Satz 2, 1.04 BinSchStrO
Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Gegenüber Kleinfahrzeugen wie z.B. einem Sportruderboot besteht im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung eines Schiffsführers nach § 1.04 BinSchStrO eine Verpflichtung zur Herabsetzung der Geschwindigkeit, um Sog- und Druckwirkung - ebenso wie gegenüber anderen Fahrzeugen - zu vermeiden.

2) Die Vorbeifahrt eines Schubverbandes begründet keinen Anscheinsbeweis zu Lasten des Schubverbandes im Zusammenhang mit einer Sportboothavarie.
(Von der Schriftleitung formulierte Leitsätze)

 

Endurteil des Schifffahrtsobergerichts Nürnberg

vom 20.06.2002

8 U - 3103/01 BSch

(Vorinstanz: AG Würzburg, Schifffahrtsgericht, vom 24.07.2001 - 14 C 2006/00)

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Verantwortlichstellung der Schiffseignerin eines Schubverbandes und dessen Schiffsführer für den Schaden an einem Sportruderboot, das bei der Vorbeifahrt des Schubverbandes auf die Ufersteine geraten ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Erstgericht ist der 194 m lange Schubverband etwa flussmittig mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 Km/h bergwärts auf dem Main gefahren. Das Heck des Schubbootes hat sich dem Ruderboot
mehr und mehr genähert, als das Ruderboot sich etwa in der Mitte des Schubverbandes befand. Unstrittig ist das Ruderboot durch eine sehr hohe Heckwelle ans Ufer geschleudert und beschädigt worden. Der Kläger konnte jedoch nicht den Nachweis führen, das sich das Heck des Schubverbandes dem Ruderboot abrupt genähert oder dass der Schubverband plötzlich seine Drehzahl erhöht hätte. Das Schifffahrtsgericht Würzburg hat daher ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten des Schubboot-Schiffsführers nicht als erwiesen angesehen und die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht ist zu keiner abweichenden Bewertung der Zeugenaussagen gelangt. Es hat im übrigen eine Verpflichtung des Schubverband-Schiffsführers zu einer rechtzeitigen Verringerung der Geschwindigkeit des Schubverbandes nach § 6.20 Nr. 1 Satz 2 BinSchStrO verneint, weil diese Verpflichtung nur gegenüber den in § 6.20 Satz 2 a-e) genannten Einrichtungen gilt (soweit es sich in den Fällen der Buchstaben b und d nicht um Kleinfahrzeuge i.S.d. § 1.01 Nr. 14 BinSchStrO handelt). Auch eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht, die dem Schiffsführer nach § 1.04 BinSchStrO im Einzelfall eine Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit geboten haben könnte, um Sog- und Druckwirkung auf andere Fahrzeuge (auch Kleinfahrzeuge) zu vermeiden, hat das Berufungsgericht nicht gesehen. Insofern hätte der Kläger den Nachweis führen müssen, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Schubverbandes überhöht war und deswegen eine Verpflichtung zur Herabsetzung der Geschwindigkeit bestanden hätte. Die Berechnungen des Klägers zur Durchschnittsgeschwindigkeit des Schubverbandes hat das Berufungsgericht als unbeachtlich gewertet, da sie nicht geeignet gewesen seien, den Nachweis einer überhöhten Geschwindigkeit zum - einzig maßgeblichen - Zeitpunkt der Begegnung des Schubverbandes mit dem Ruderboot zu führen.
(Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Dr. Fischer, Frankfurt/Main)

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2003 - Nr.1, 2 (Sammlung Seite 1883); ZfB 2003, 1883