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8 K 2663/74 - Verwaltungsgericht (-)
Entscheidungsdatum: 19.08.1976
Aktenzeichen: 8 K 2663/74
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Verwaltungsgericht Düsseldorf
Abteilung: -

Leitsatz:

Zur Frage der Verpflichtung der Bundesverwaltung, im Falle eines Fischsterbens im Rhein die Fischkadaver zu entfernen.

Verwaltungsgerichts Düsseldorf

Urteil

vom 19. August 1976

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, eine rheinische Stadt, hatte im Jahre 1969 auf Weisung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten 20 Zentner toter Fische, die in ihrem Stadtgebiet am Rheinufer und im Hafen an Land gespült worden waren, wegräumen lassen. Sie verlangt von der beklagten Bundesrepublik, diese vertreten durch die örtlich zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion, mit Schreiben vom 18. 6. 1970 Ersatz der dadurch entstandenen Kosten (Lkw-Gestellung, Gummihandschuhe, Eimer, Körbe usw.) in Höhe von ca. 1300,- DM, was von der WSD mit Schreiben vom 21. 9. 1970 abgelehnt wurde.

Mit der am 17. B. 1974 erhobenen verwaltungsgerichtlichen Klage verfolgt die Klägerin ihren vermeintlichen Anspruch weiter. Sie stützt sich dabei gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Nr. 1 des Wassergesetzes für Nordrhein-Westfalen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Reinhaltung der Gewässer und ferner gemäß § 18 Abs. 1 OBG auf die Ordnungsverpflichtung der Beklagten, durch Beseitigung der Fischleichen eine von dem in ihrem Eigentum stehenden Rheinstrom ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.

Die Beklagte bestreitet irgendeine Verpflichtung; ihre Zuständigkeit betreffe nur die „Strom-" bzw. „Schifffahrtspolizei". Von den Fischkadavern sei keine Gefahr für die Schifffahrt ausgegangen. Die Bestimmungen des Landes seien auf Bundeswasserstraßen nicht anzuwenden. Auch sei sie nicht ordnungspflichtig. Außerdem seien die toten Fische infolge überhöhten Wasserstandes auf nicht mehr im Eigentum der Beklagten stehende Hinterliegergrundstücke gespült worden.

Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
In diesem Fall handelt es sich um Aufwendungsersatz für solche Geschäfte, die dem öffentlich-rechtlichen Pflichtenkreis der Beklagten zuzurechnen sind. Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom 18. Oktober 1973 - 8 K 2215/72; Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 23. Oktober 1975 - XI A 91/74 - (NJW 1976 S. 1956 f.).

Die Klage ist auch nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Klägerin eine etwa bestehende Erstattungspflicht durch Verwaltungsakt geregelt hat oder hätte regeln können.
Zunächst ist in dem Schreiben der Klägerin vom 18. Juni 1970 kein gegen die Beklagte gerichteter Leistungsbescheid zu erblicken, der wegen Klageverjährung gemäß § 76 VwGO bestandskräftig geworden ist, denn die in dem Brief enthaltene Bitte stellt keine verbindliche Zahlungsaufforderung und damit keine Regelung eines zwischen den Parteien entstandenen Rechtsverhältnisses dar. Dies hätte wegen der Regelungsfunktion, die einem Verwaltungsakt innewohnt, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen; Unklarheiten gehen zu Lasten der Erlassbehörde. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1973 - VII C 9/70, BVerwGE 41 S. 301 (306).

War somit die Frage einer Erstattungspflicht der Beklagten noch nicht bestandskräftig geregelt, so kann es dahinstehen, ob dies rechtlich möglich war, denn auch in diesem Fall stand der Klägerin die Möglichkeit offen, ihre behauptete Forderung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1967 -- IV C 19/69 -, BVerwGE 28 S. 153 ff.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin kann ihre Forderung nicht aus §§ 59, 55 Abs. 2 VwVG NW in Verbindung mit § 11 Abs. 2 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (KostO NW) vom 20. Januar 1958 (GV NW S. 23) herleiten, denn selbst wenn sie unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles entgegen dem Wortlaut des § 66 VwVG NW zur sofortigen Anwendung der Ersatzvornahme (vgl. § 55 Abs. 2 VwVG NW) auch gegenüber der Beklagten berechtigt gewesen wäre. Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1968 - 1 A 1/67 -, BVerwGE 29 S. 52 (59); Huken, Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. (Stand: Juli 1976), § 66.1 Fußnote 5 - so war diese doch nicht als Eigentümerin des Rheinstroms (vgl. Art. 89 Abs. 1 GG) nach § 18 Abs. 1 OBG ordnungspflichtig. Die Anwendung dieser Vorschrift auf Gewässer ist durch § 18 Abs. 3 OBG ausgeschlossen, der den Nachrang der allgemeinen Zustandshaftung gegenüber besonderen gesetzlichen Regelungen bestimmt. Eine solche besondere Regelung enthalten § 28 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) vom 27. Juli 1957 (BGBI. 1 S. 1110, 1386, 1976 S. 3017) sowie §§ 47 f. LWG für die Verantwortlichkeit der Gewässerunterhaltungspflichtigen, so Reit-dorf/Heise/Böckenförde/Strehlau Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl. (1972), § 18 OBG Rdnr. 15; offengelassen vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 19. September 1969 - XI A 1014168 -, ZfW 1970 S. 154 (156), denn Inhalt der wasserrechtlichen Unterhaltungspflicht ist, wie § 28 Abs. 1 Satz 2 WHG bestimmt, gerade die Erhaltung des Gewässers in einem in wasserwirtschaftlicher Hinsicht ... ordnungsmäßigem Zustand". Zudem würde diese tatbestandliche Einschränkung jedenfalls teilweise ihren Sinn verlieren, wenn nämlich gegenüber den Gewässereigentümern, die gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1 WHG, 48 Nr. 2 b LWG unterhaltungspflichtig sind, im Bedarfsfall auf § 18 Abs. 1 OBG zurückgegriffen werden könnte.
...
Ein Kostenerstattungsanspruch für eine gegenüber der Beklagten als Zustandsstörer in gemäß § 18 Abs. 1 OBG ergriffene sofortige Ersatzvornahme steht der Klägerin demnach nicht zu. Dasselbe gilt für einen derartigen Anspruch aus einer gegen die Beklagte als Gewässerunterhaltungspflichtige gerichtete sofortige Ersatzvornahme, denn - unabhängig vom Umfang der wasserrechtlichen Unterhaltungspflicht in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht - die Klägerin als untere Wasserbehörde gemäß § 97 LWG war bei einem Gewässer erster Ordnung wie dem Rhein (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 LWG und die Anlage II 6 hierzu) nicht hierfür zuständig. Auch ein Eintritt gemäß §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 OBG für den Regierungspräsidenten in Düsseldorf als der zuständigen oberen Wasserbehörde scheidet vorliegend aus, denn es war gerade diese Sonderordnungsbehörde, die die Initiative zur Beseitigung der Gefahr ergriffen hatte, so dass von einer Unmöglichkeit rechtzeitigen Eingreifens der zuständigen Stelle, vgl. Reitdorf/Heise/ Böckenförde/Strehlau, a.a.0. § 6 OBG Rdnr. 4 - keine Rede sein kann.

Schließlich ist der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auch nicht entsprechend §§ 670, 683 BGB als Aufwendungsersatz im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag begründet.

Zwar ist die Beklagte gemäß § 48 Nr. 1 LWG zur Unterhaltung der Gewässer erster Ordnung, soweit diese Bundeswasserstraßen sind, verpflichtet. Burghartz, Wasserhaushaltsgesetz und Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 4. Aufl. (1974), § 48 LWG Anm. 1.

Diese Bestimmung ist ebenso wie die des § 47 LWG Teil der „gesetzlichen Regelung" der öffentlichen Wasserwirtschaft, vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 11. April 1967 t - 2 BvG 1/62 -, BVerfGE 21 S. 312 (320 f.) -- die auch für die Beklagte als Eigentümerin der Bundeswasserstraße Rhein verbindlich ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Zeidler, DVBI. 1960 S. 573 (579); Salzwedel, ZfW 1971/72 S. 1 (13).

Oblag der Beklagten somit die öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit der Gewässerunterhaltung gemäß §§ 28 WHG, 47 f. LWG, 1 so beinhaltete diese auch die Reinigung des Gewässerbettes jedenfalls von „stehenden Verunreinigungen". So Salzwedel, ZfW 1791/72 S. 1 (13 f.), 141 (145); ähnlich Gieseke/Wiedemann, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. (1971), § 28 Rdnr. 7a; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 19. September 1969 - XI A 1014/68, ZfW 1969/70 S. 154 (158 f.).

Als solche sind auch die angespülten Fischkadaver anzusehen. Vorliegend hat die Klägerin indes den Beweis nicht führen können, dass diese sich zum Zeitpunkt ihrer Beseitigung innerhalb des Gewässerbettes im Sinne von § 47 Abs. 1 LWG befanden. Grenze des Gewässerbettes ist gemäß § 7 Abs. 1 LWG die durch den Mittelwasserstand bestimmte „Uferlinie". So Siedler/Zeitler, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, München 1970, § 28 Rdnr. 5; vgl. auch Mintzel, Bundeswasserstraßengesetz nebst ergänzenden Vorschriften, Handkommentar, Berlin 1969, § 1 Anm. 3 Abt. a. A. Gieseke/Wiedemann, a.a.O., § 28 Rdnr. 3; Rheder. Niedersächsisches Wassergesetz, Kommentar 4. Aufl. (1971), § 81 Rdnr. 2.

Dies ergibt sich einmal aus der Erwähnung des „Ufers" als eines vom Gewässer(bett) getrennten Teils der Erdoberfläche in §§ 28 Abs. 1 Satz 2 WHG, 47 Abs. 1 LWG sowie aus der Definition der Überschwemmungsgebiete in § 32 WHG.

Die von der Klägerin, wie aus der Aufstellung ihrer benutzten Hilfsmittel ersichtlich, überwiegend manuell beseitigten Fischkadaver sind jedoch wegen der Ausbreitung der Wasserfläche des Rheines infolge eines in der fraglichen Zeit mindestens 40 cm über dem mittleren Hochwasser liegenden Pegelstandes jenseits der Mittelwasserlinie und damit auch außerhalb des Gewässerbettes angespült worden. Dafür, dass dies ganz oder teilweise nicht so gewesen ist, ist von der Klägerin nichts dargetan; noch sind hierfür Anhaltspunkte gegeben. Soweit die Fischleichen aus dem Wasser des N. Sporthafens geborgen wurden, war die Beklagte nicht gewässerunterhaltungspflichtig, denn der Hafen ist als „Stichhafen" nicht durch das Gesetz über den Staatsvertrag betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vom 29. Juli 1921 (BGBI. S. 961) vom Reich übernommen worden, BVerfG, Urteil vom 30. Juni 1953 - 2 BvE 1/51 -, BVerfGE 2 S. 347 (376) - und ist deshalb nicht gemäß Art. 89 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. Mai 1951 (BGBI. 1 S. 352) Eigentum der Beklagten und Teil der Bundeswasserstraße Rhein. Vgl, auch Mintzel, a.a.O. § 1 Anm. 3 A C.

Somit hat die Klägerin mit der Entfernung der Fischkadaver kein Geschäft der Beklagten geführt. Dafür, dass sie diesen Wille gehabt hätte, sind zudem keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. E. b. Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag ist demnach nicht begründet.