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7 Z - 4/70 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 24.06.1970
Aktenzeichen: 7 Z - 4/70
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für Rheinschiffahrt

vom 24.06.1970

7 Z - 4/70

(Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 14. August 1969 (C 40/67))

hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt in STRASSBURG in ihrer Sitzung vom 24. Juni 1970, unter Teilnahme der Herren BONET-MAURY (Vorsitzender), MULLER, ROYER, SMEESTERS und SPECHT als Richter, und in Anwesenheit des Gerichtskanzlers Herrn DOERFLINGER, gestützt auf die Artikel 37 und 45bis der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963, im schriftlichen Verfahren folgendes Urteil gefällt:

Es wird Bezug genommen auf:

1. Das Zwischenurteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 14. August 1969 (Aktenzeichen: C 40/67 RhSch),

2. die Berufungsschrift vom 11. September 1969 und die Berufungsbegründung vom 23.September 1969,

3. die Gegenerklärung vom 20. Oktober 1969,

4. die weiteren Erklärungen zur Berufung,

5. die Akten C 40/67 RhSch des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim, die der Berufungskammer vorgelegen haben.

Sachverhalt:

Der Berufungsbeklagten gehören das Schubboot " S" sowie die beiden Schubleichter "B" und "BR". Die Schubleichter waren zu der hier infrage stehenden Zeit untereinander längsseits gemeert. Bei dieser Zusammenstellung hatte der Schutverband eine Länge von 110 m und eine Breite von 22 m. Die Schubleichter sind jeweils 72 m lang. Das Schubboot "S" ist mit zwei Maschinen von je 1.200 PS ausgerüstet. Der Berufungskläger Ziff. 1 ist Eigner, zumindest Ausrüster des MTS "M" - 1.331 t gross, etwa 600 PS stark -, das am Tage des Nachbeschriebenen Unfalls von dem Berufungskläger Ziff. 2 verantwortlich geführt wurde. Am 28. Januar 1966 befand sich das Schubboot "S" mit den beiden leeren Schubleichtern "B" und "BR" auf dem Rhein auf Talfahrt. Da ab Budenheim eine Sichtweite von nur 200-300 m herrschte, wurde auf dem Schubverband das Radargerät eingeschaltet, und etwa ab Beginn der Kleinen Gies nur nach Radar gefahren. Auch entgegenkommende Bergfahrer fuhren nach Radar. Die Begegnungen erfolgten ohne Zwischenfall. Bei Eltville benutzte der Schubverband die Kleine Gies. Hier kam es bei der Begegnung mit dem mit 1.129 t Gasöl beladenen MTS "M" zu einer Kollision, bei welcher der Tankleichter "BR" und MTS "M" erheblich beschädigt wurden. Über die Benutzung der Kleinen Gies bestimmte zu jener Zeit die Bekanntmachung 130/64 T der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz vom 24. Juni 1964 folgendes:
"Bei Wasserständen am Pegel Mainz über 1,70 m müssen einzeln fahrende leere Motorgüterschiffe und Fahrgastschiffe ohne Fahrgäste zwischen Rhein-km 512,00 und 517,50 auf der Talfahrt das linke Fahrwasser (die Grosse Gies) benutzen. Dasselbe gilt bei Wasserständen am Pegel Mainz über 2,00 m auch für alle anderen leeren Selbstfahrer und für leere Schleppzüge. Der vorstehende Absatz gilt nicht für Talfahrer, die das rechte Fahrwasser (die Kleine Gies) aus zwingenden Gründen, z.B. zwecks Anlegens, befahren müssen." Der Pegel Mainz stand am Unfalltag auf 3,78 m. Die Berufungsbeklagte war der Auffassung, dass den Berufungskläger Ziff. 2 das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe. Sie hat deshalb den ihr aus dem Unfall entstandenen Schaden geltend gemacht, den sie auf DM. 19.126,50 beziffert. Sie hat in der ersten Instanz daher beantragt:


1. die Berufungskläger werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Berufungsbeklagte DM 19.126,50 nebst 4 % Zins hier aus seit dem 1. Juni 1966 zu zahlen, der Berufungskläger Ziff. 1 sowohl dinglich mit dem MTS "M", wie auch persönlich im Rahmen des § 114 BSchG haftend.

2. Die Berufungskläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar (soweit erforderlich gegen Sicherheitsleistung, die auch durch Bürgschaft einer deutschen Grossbank geleistet werden kann). Die Berufungskläger waren der Ansicht, die Verantwortlichen für den Schubverband "S" hätten schon deshalb für den Unfall einzustehen, weil dieser Verband verbotenerweise die Kleine Gies benutzt habe. Sie haben daher beantragt, die Klage kostenfällig abzuweisen. Das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim hat zunächst über den Unfallhergang durch Vernehmen von neun Zeugen Beweis erhoben und darauf durch Zwischenurteil vom 14. August 1969 für Recht erkannt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei und die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten bleibe. Weil die Parteien sich auch über die Höhe des Schadens streiten, der Rechtstreit aber dem Grunde nach zur Entscheidung reif war, hat das Rheinschiffahrtsgericht gemäss § 304 ZPO durch Zwischenurteil wie geschehen entschieden. Die Entscheidung beruht zusammengefasst auf folgenden Gründen: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Schuld an dem Unfall ausschliesslich dem Berufungskläger Ziff. 2, dem Schiffer des MTS "M", zuzuschreiben, aufgrund der Art und Weise, wie das Schiff in der Kleinen Gies verkehrte. Trotz der schlechten Sicht hatte er keinen Ausguck aufgestellt (§ 80, Nr.1, Abs. 2 RheinSchPVO), obwohl er damit rechnen musste, einem Talfahrer zu begegnen. Infolgedessen konnte er auch das vom Schubverband "S" vorschriftsmässig abgegebene Dreiklang-Signal (Nr. II, Ziff. 1 der Bekanntmachung der Wasser-und Schiffahrtsdirektionen Duisburg, Mainz und Freiburg für die Rheinschiffahrt über die Fahrt mit Radar bei unsichtigem Wetter 57/1964 vom 3. November 1964, gültig bis 31. Dezember 1966) nicht beachten. Während das MTS "R" und das MS "JT mit Recht ihr Querfahrtmanöver abgebrochen und ständig gemacht haben, hat er, entgegen der obengenannten Nr. II, Ziff. 3 der Bekanntmachung, nach Steuerbord gedreht und dieses Manöver fortgesetzt, wobei er der "JT den Weg abschnitt. Er hat es unterlassen, rechtzeitig das in Nr. III der Bekanntmachung vorgeschriebene Achtung-Signal (langer Ton) abzugeben. Dem Berufungskläger Ziff. 2 ist damit ein Verschulden gemäss § 823, Abs. 1 und 2 BGB, §§ 4, 80 Nr. 1 Abs. 2, 102 RhSchPVO in Verbindung mit der angeführten Bekanntmachung vorzuwerfen. Er haftet damit für den Schaden, für den auch der Berufungskläger Ziff. 1 gemäss §§ 3, 4, 92, 114 BSchG., § 840 BGB einzutreten hat. Dagegen hat das Verfahren nach Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichtes ein kausales Mitverschulden des Schiffsführers des Schubbootes "S nicht nachweisbar ergeben. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein zwingender Grund im Sinne von der auf Seite 3 oben angeführten Bekanntmachung der Wasser-und Schiffahrtsdirektion Mainz 130/64 T für den Schubverband zur Benutzung der Kleinen Gies vorlag ; denn wäre der Schubverband beladen gewesen, hätte er die Kleine Gies auch nach dieser Bekanntmachung ohne weiteres benutzen dürfen. Es sei also nicht so gewesen, dass MTS "M" aufgrund dieser Bekanntmachung nicht mit Talfahrt zu rechnen brauchte. Für die Kollision sei es aber gleichgültig gewesen, ob der Schubverband leer oder beladen war, sodass die Uebertretung dieser Bekanntmachung durch den Schiffsführer des Schubbootes "S" für den Unfall nicht kausal war. Nach  Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts hat der Schiffsführer des Schubbootes "S" nicht gegen das Gebot der Bekanntmachung der Wasser-und Schiffahrtsdirektionen Duisburg, Mainz und Freiburg verstossen, wonach das mit Radarhilfe zu Tal fahrende Fahrzeug, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen muss, wenn auf dem Radarschirm Fahrzeuge bemerkt werden, deren Kurs nicht den Eintritt jeglicher Gefahrenlage ausschliesst. Als das MTS "M" nach Steuerbord drehte, habe sich der Schubverband diesem Fahrzeug bereits soweit genähert gehabt, dass es nichts anderes mehr tun konnte, als mit der Maschine zurückzuschlagen, was es auch getan habe.
Die Berufungskläger haben gegen das ergangene Zwischenurteil bei der Berufungskammer Berufung eingelegt. Sie haben beantragt, dieses Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und der Berufungsbeklagten die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen. Die Berufungsbeklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen, den Berufungsklägern gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar zu erklären. Beide Parteien haben darauf verzichtet, eine öffentliche Verhandlung zu beantragen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungskammer hat erwogen:

1. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt.

2. Die Berufungskläger tragen zur Begründung ihrer Berufung vor, dass nach dem Urteil der ersten Instanz das Schubboot "S" nicht das Recht gehabt habe, in die Kleine Gies einzufahren, da keine zwingenden Gründe im Sinne der Bekanntmachung der Wasser- und Schiffahrtsdirektion 130/64 T vom 24. Juni 1964 dafür vorlagen, und dass ferner der erste Richter zu Unrecht befunden habe, zwischen der Einfahrt des Schubverbandes in die Kleine Gies und der Kollision bestehe kein Kausalzusammenhang.

3. Für die Beurteilung der Berufung muss gemäss der nicht angefochtenen  Feststellung des Rheinschiffahrtsgerichts davon ausgegangen werden, dass der Berufungskläger Ziff. 2 aufgrund der Art und Weise, wie er mit dem MTS "M" in der Kleinen Gies fuhr, eine Schuld an dem Unfall trägt. Im Berufungsverfahren ist weiterhin die Tatsache zu berücksichtigen, dass das Schubboot "S" in der Kleinen Gies vorschriftsmässig fuhr. In erster Instanz hatten die Berufungskläger zwar geltend gemacht, der Schiffsführer hätte dadurch, dass er mit dem Schubverband in die Kleine Gies einfuhr, gegen Nr. II, Ziff, 2 der Bekanntmachung der Wasser-und Schiffahrtsdirektionen Duisburg, Mainz und Freiburg verstossen, die vorschreibt, dass Talfahrer ihre Geschwindigkeit herabsetzen müssen und, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen müssen. In ihrer Berufungsbegründung haben sie dieses Argument jedoch nicht beibehalten, nachdem durch das Zwischenurteil festgestellt worden war, dass der Schubverband in der Kleinen Gies, in der Mitte der Fahrrinne langsam fuhr, zwei Ausguckposten aufgestellt hatte und die in Nr. II, Ziff. 1 der Bekanntmachung vorgeschriebenen Radarzeichen vorschriftsmässig abgab, und ferner festgestellt worden war, dass für den Schubverband kein zwingender Grund vorlag, Bug zu Tal anzuhalten oder aufzudrehen. Zwar haben die Berufungskläger in der Berufung Beweis dafür angeboten, dass die Strömung in der Kleinen Gies stärker ist als in der Grossen Gies und dass infolgedessen leere Talfahrer darin schwieriger zu steuern sind. Für die Erhebung dieses Beweises besteht jedoch keine Veranlassung, da die Berufungskläger keine konkreten Tatsachen dafür angeführt haben, dass der Schubverband in der Kleinen Gies nicht hinreichend sicher gesteuert werden konnte, wodurch es zum Unfall gekommen sei. Ausserdem zieht die Berufungskammer in Zweifel, dass der leer zu Tal fahrende Schubverband in der Kleinen Gies nur unzureichend sicher gesteuert werden konnte, da sich Schubverbände auch unter den schwierigsten Umständen, dank der Besonderheiten ihrer Bauweise (insbesondere was das Steuer, die Schiffsschrauben und die Antriebsstärke betrifft), besonders leicht manövrieren lassen.

4. Das Argument der Berufungskläger, in erster Instanz sei befunden worden, dass das Schubboot "S" nicht in die Kleine Gies hätte einfahren dürfen, da keine zwingenden Gründe im Sinne der Bekanntmachung 130/64 T vom 24. Juni 1964 vorlagen, ist tatsächlich nicht begründet. Das Rheinschiffahrtsgericht hat eine solche Entscheidung nicht gefällt, sondern ausdrücklich festgestellt, es könne dahingestellt bleiben, ob ein zwingender Grund vorlag oder nicht, da nach Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts zwischen der Einfahrt des Schubverbands in die Kleine Gies und der Kollision kein Kausalzusammenhang bestand, denn wäre der Schubverband beladen gewesen, so hätte er, wie der Erstrichter feststellte, die Kleine Gies auch nach dieser Bekanntmachung ohne weiteres benutzen dürfen.

5. Der wichtigste Einwand der Berufungskläger gegen das Zwischenurteil richtet sich gegen die letztgenannte Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts. Sie vertreten den Standpunkt, dass zwischen der Benutzung der Kleinen Gies durch das Schubboot "S" und dem Unfall ein Kausalzusammenhang besteht; denn wäre der Schubverband durch die Grosse anstatt durch die Kleine Gies gefahren, so hätte sich der Unfall nicht ereignet.

Die Berufungskammer ist zu diesem Punkt folgender Auffassung:

Nach deutschem Privatrecht, das im vorliegenden Fall anzuwenden ist, reicht es für das Vorhandensein eines Kausalzusammenhangs zwischen zwei Begebenheiten nicht aus, dass die eine dieser beiden Begebenheiten nur die conditio sine qua non für die andere gewesen ist. Eine Begebenheit ist nur dann adäquate Bedingung eines Erfolges, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat. Bei der dahin zielenden Würdigung sind lediglich zu berücksichtigen : a) alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände, b) die dem Urheber der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände. Diese Prüfung ist unter Heranziehung des gesamten im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens vorzunehmen. Dieser Grundsatz führt, auf den vorliegenden Fall angewandt, zu der Schlussfolgerung, dass die Tatsache allein, dass der Unfall nicht stattgefunden hätte, wenn der Schubverband nicht die Kleine, sondern die Grosse Gies benutzt hätte, nicht ausreicht, um die Benutzung der Kleinen Gies durch den Schubverband zur adäquaten Ursache des Unfalls werden zu lassen. Um auf die Frage nach der Kausalität eine Antwort zu finden, muss vielmehr geprüft werden, ob ein optimaler Beobachter im Augenblick der Einfahrt des Schubverbandes in die Kleine Gies mit der im Prozess festgestellten Fahrweise des MTS "M" normalerweise hätte rechnen können. Wenn dies nicht der Fall war, stellt sich die Frage, ob etwa sonstige dem Schiffsführer bekannten Umstände zu einer anderen Schlussfolgerung hätten führen müssen. Nach Auffassung der Berufungskammer brauchte unter den gegebenen Umständen weder ein optimaler Beobachter noch der Schiffsführer des Schubverbandes im Augenblick der Einfahrt des Schubverbandes in die Kleine Gies die Tatsache, dass ein in der Kleinen Gies zu Berg fahrendes Schiff so manövrieren würde, wie das MTS "M"- es getan hat, derart in Rechnung zu stellen, dass daraus der Schluss gezogen werden könnte, die Einfahrt des Schubverbandes in die Kleine Gies hätte die objektive Möglichkeit einer Kollision in nicht unerheblicher Weise erhöht. Die Berufungskammer zieht in diesem Zusammenhang folgendes in Betracht : Einerseits, dass der Schiffsführer des Schubbootes "S" annehmen durfte, eventuelle Bergfahrer würden mit der Anwesenheit von Talfahrern in der Kleinen Gies rechnen und dass das Schubboot in der Kleinen Gies vorschriftsmässig, d.h. mit mässiger Geschwindigkeit, unter Abgabe der vorgeschriebenen Schallzeichen und mit zwei Ausguckposten auf dem Vorderschiff, fuhr. Andererseits, dass das MTS "M", dessen Schiffsführer an dieser Stelle mit Talfahrern rechnen musste, trotz der schlechten Sicht entgegen den Vorschriften keinen Ausguckposten aufgestellt hatte und dass es trotz der vom Schubboot gegebenen Schallzeichen nach Steuerbord ging, ohne das vorgeschriebene Achtung-Signal zu geben. Pflichtgemäss hätte dessen Schiffsführer sich nach Backbord halten oder - wie das MTS "R" und das MS "JT - ständig machen müssen.Die vorgenannten Erwägungen führen zu der Schlussfolgerung, dass das Rheinschiffahrtsgericht zu Recht entschieden hat, dass zwischen der Benutzung der Kleinen Gies durch den Schubverband und dem Unfall kein Kausalzusammenhang besteht. Demzufolge ist es für die Entscheidung über die Frage der Haftung für die Folgen des Unfalls unerheblich, ob der Schiffsführer des Schubbootes "S", indem er in die Kleine anstatt in die Grosse Gies einfuhr, gegen die Vorschriften der Bekanntmachung 130/64 T der Wasser-und Schiffahrtsdirektion Mainz vom 24. Juni 1964 verstossen hat. Diese Frage kann daher auch in der Berufung dahingestellt bleiben.

6. Obwohl nicht erforderlich, glaubt die Berufungskammer, mit Bezug auf die letztgenannte Bekanntmachung 136/64 T, noch folgende Bemerkungen machen zu sollen:
Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob die in der Bekanntmachung getroffene Vorschrift im Augenblick des Unfalls rechtsverbindlich war. Diese Vorschrift ist offenbar als "Anordnung vorübergehender Art" im Sinne von § 102 RheinSchPVO, von dem sie ihre Rechtsgültigkeit ableitet, zu verstehen. Nach den Informationen, die die Berufungskammer von der Zentralkommission erhalten hat, war die Vorschrift, die erst durch die Bekanntmachung 332/66 T vom 17. Oktober 1966 aufgehoben worden ist, - also nach dem Zeitpunkt des Unfalls-, nie in schriftlicher Form bekanntgegeben worden, sondern nur fernmündlich, und ist seit 1964 6 mal erneuert worden, und zwar stets ebenfalls durch fernmündliche Bekanntmachung; die letzte Bekanntmachung trägt die Nr312/69T und stammt vom 7. Oktober 1969. Wenn die Bekanntgabe einer Anordnung vorübergehender Art aufgrund gewisser unvorhersehbarer Umstände im Interesse der Sicherheit und Ordnung der Schiffhart innerhalb kürzester Frist erforderlich wird, ist es recht und billig, dass die in § 102 Nr. 1 RheinSchPVO vorgesehene behördliche Bekanntmachung zunächst einmal fernmündlich vorgenommen werden kann. Wenn es sich jedoch, wie es hier offensichtlich der Fall ist, um eine Anordnung handelt, für die von vornherein eine längere Gültigkeitsdauer vorgesehen ist, so ist nach Auffassung der Berufungskammer der Verpflichtung zur behördlichen Bekanntmachung nach § 102 Nr. 1 RheinSchPVO nicht vollends Genüge getan, wenn diese Bekanntmachung ausschliesslich fernmündlich stattgefunden hat und nicht in einem Amtsblatt abgedruckt wurde, das von den in § 102 Nr. 1 RheinSchPVO genannten Personen ohne zu grosse Schwierigkeiten zur Kenntnis genommen werden kann. Weiterhin äussert die Berufungskammer ernsthafte Zweifel ob die obengenannte Bekanntmachung zum fraglichen Zeitpunkt auch für Schubverbände galt, da in der Bekanntmachung nur von "einzeln fahrenden leeren Motorgüterschiffen und Fahrgastschiffen ohne Fahrgäste" sowie von "allen anderen leeren Selbstfahrern und ... leeren Schleppzügen" die Rede ist, während in der bereits genannten Bekanntmachung der Wasser-und Schiffahrtsdirektionen Duisburg, Mainz und Freiburg über die Fahrt mit Radar und bei unsichtigem Wetter (57/1964 vom 3. November 1964) ausdrücklich von "Schubverbänden" und daneben von "Schleppzügen" die Rede ist. Da die Bekanntmachung 130/64 T in diesem Punkt so unklar ist, dass sich sogar innerhalb der Berufungskammer Zweifel über ihre Bestimmung erheben, kann von Schiffsführern von Schubverbänden kaum erwartet werden, dass sie ihren Sinn besser erfassen.

Aus diesen Erwägungen wird für Recht erkannt:

1.
Die von den Berufungsklägern eingelegte Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das Zwischenurteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 14. August 1969 (Aktenzeichen : C 40/67 RhSch) wird bestätigt.

2.
Die Berufungskläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens, die vom Rheinschiffahrtsgericht Mannheim gemäss Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte festzusetzen sind.