Rechtsprechungsdatenbank

7 U 64/72 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 17.10.1972
Aktenzeichen: 7 U 64/72
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Die einjährige Verjährung der §§ 117, 118 BSchG gilt auch für solche Ansprüche, die nicht nur auf die §§ 3, 4, 114, 92 BSchG in Verbindung mit § 734 ff HGB, sondern auch auf allgemeine Rechtsvorschriften, z. B. auf §§ 823 ff BGB gestützt werden. Ein bezifferbarer Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalles wird nicht erst zum Zeitpunkt der Reparatur und des Feststehens der Reparaturdauer, sondern schon vor Durchführung der Reparatur nach der Vorlage einer Schadenstaxe fällig.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht Hamm

vom 17. Oktober 1972

7 U 64/72

(Schiffahrtsgericht Dortmund)


Zum Tatbestand:

Zwischen dem Motorschiff der Klägerinnen und dem Motorschiff der Beklagten kam es im August 1969 zu einer Kollision. Der von beiden Parteien beauftragte Experte erstellte eine Schadenstaxe, in der es nach Feststellung der Reparaturkostenhöhe u. a. hieß: „Die Reparatur kann gelegentlich durchgeführt werden." Im Juni/Juli 1970 wurde das Schiff der Klägerinnen auf einer Werft repariert und gleichzeitig modernisiert. Die Reparaturkosten in Höhe von ca. 2800,- DM wurde von den Haftpflichtversicherern gemäß Godesberger Abkommen auf Basis 50:50 ohne Erörterung der Schuldfrage erledigt.
Die Klägerinnen verlangen mit der im Mai 1971 erhobenen Klage darüber hinaus für 6 Tage Werftliegezeit Ersatz des Nutzungsschadens von ca. 1700,- DM. Dieser Anspruch sei durch die oben genannte Klausel in der nach ihrer Ansicht nicht kontradiktorischen Taxe nicht ausgeschlossen worden.
Die Beklagte meint, daß es sich um eine verbindliche kontradiktorische Taxe handele, durch die die Geltendmachung von Nutzungsverlust ausgeschlossen sei. Tatsächlich hätte die Reparatur während der Werftliegezeit nebenbei durchgeführt werden können. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfange den Klägerinnen ein Anspruch auf Nutzungsausfall zusteht. Denn ein solcher Anspruch, der sich allein auf die §§ 3, 4, 114, 92 BschG i. V. mit §§ 734 ff. HGB oder auf die Vorschriften über die unerlaubte Handlung (§§ 823 ff. BGB) stützen könnte, wäre gemäß §§ 117 Nr. 7, 118 BSchG am 31. 12. 1970 verjährt, so daß die Klageerhebung am 12. Mai 1971 die Verjährung nicht mehr unterbrechen konnte. Die Regelung des § 117 Nr. 7 geht als Sonderrecht dem allgemeinen Recht vor. Deshalb verjähren auch solche Ansprüche, die gleichzeitig auch auf die §§ 823 ff. BGB gestützt werden können, in der kurzen Frist der §§ 117, 118 BSchG (BGH VRS 1955, 401; KG OLG Rechtspr. 32, 190, Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl. 1964 § 117 Anm. 3 c).
Nach § 118 BSchG beginnt die einjährige Verjährungsfrist mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Fällig geworden wäre der Anspruch auf Nutzungsentschädigung aber im Jahre 1969.
Die Fälligkeit einer Forderung tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann und der Schuldner zur Leistung verpflichtet ist (Palandt BGB 31. Aufl., 1972 § 271 Anm. 1 d). Das ist in der Regel der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung (BGH BB 1971, 371; OLG Hamburg VKBI. 1970, 586). Streitig ist allerdings, ob Fälligkeit voraussetzt, daß der Anspruch im Wege einer Leistungsklage geltend gemacht werden kann (so OLG Hamburg MDR 1970, 337 und VKBI. 1970, 586) oder ob es genügt, daß Feststellungsklage erhoben werden kann (so Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt 4. Aufl. 1971 Seite 390 f., Vortisch-Zschucke § 118 Anm. 2; RGZ 83, 358). Indes kann diese Streitfrage hier dahingestellt bleiben. Denn die Klägerinnen bzw. der Erblasser hätten den Anspruch auf Nutzungsausfall schon vor Durchführung der Reparatur beziffern und damit Leistungsklage erheben können. Der Anspruch auf Nutzungsausfall stellt sich als Anspruch auf entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB dar. Diese Bestimmung stellt aber gerade nicht darauf ab, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Er stellt eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Geschädigten dar (BGHZ 29, 398). Damit ist der Geschädigte aber in der Lage, seinen entgangenen Gewinn oder wie hier seine Nutzungsentschädigung schon vor Durchführung der Reparatur zu beziffern. Dem entspricht auch die Rechtsprechung, die auf Grund eines entsprechenden Handelsbrauchs anerkennt, daß Nutzungsverlust für ein in Fahrt bleibendes Schiff auch vor Durchführung der Reparatur gezahlt werden muß (Wassermeyer a.a.O. Seite 365 OLG Hamburg VersR 1966, 380). Konnte aber der Erblasser der Klägerinnen den Nutzungsausfall spätestens nach Vorlage der Schadenstaxe Ende August 1969 beziffern, so wurde der Anspruch auch spätestens zu diesem Zeitpunkt fällig, so daß er mit Ablauf des 31. 12. 1970 verjährt ist. Der mit der kurzen Verjährungsfrist der §§ 117, 118 BSchG verfolgte Zweck, die dort genannten Ansprüche in möglichst kurzer Zeit abzuwickeln, würde verhindert, wenn man eine Fälligkeit des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung erst vom Zeitpunkt der Reparatur und des Feststehens der Dauer der Reparatur annehmen würde, weil je nach Art und Umfang des Schadens die Reparatur unter Umständen erst längere Zeit nach Schadenseintritt durchgeführt wird. Deshalb kann der Meinung der Klägerinnen, erst mit der Möglichkeit, den konkreten Schaden zu beziffern, trete die Fälligkeit der Forderung auf Nutzungsentschädigung ein, nicht gefolgt werden.