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6 U 37/74 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 24.10.1974
Aktenzeichen: 6 U 37/74
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Sicherungsmaßnahmen gegen das Fortfliegen von Lukendeckeln bei orkanartigem Sturm.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht – Hamburg

vom 24. Oktober 1974

6 U 37/74

(Schiffahrtsgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Am 13. November 1972 herrschte im Hamburger Hafen ein orkanartiger Sturm, dessen Werte seit 1950 nur an 2 Tagen überschritten worden waren. Bei dem starken Sturm wurden die Lukendeckel verschiedener Schuten losgerissen und weggeweht. Ein Lukendeckel der von der Beklagten zu 1 ausgerüsteten Schute „B" flog auf die mehr als 100 m entfernt liegende Barkasse „A", die bei der Klägerin mitversichert war.
Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht Ersatz des erstatteten Schadens von etwa 500,- DM, weil die Beklagten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hätten. Trotz rechtzeitiger Sturmwarnungen seien keine Draht- oder Tausicherungen - zusätzlich zu der unstreitig vorhanden gewesenen Lukensicherung nach dem System „Adolf Wesemann" - angebracht worden.
Die Beklagten bestreiten ein schuldhaftes Verhalten. Die Lukensicherung sei ausreichend gewesen. Die Auswirkung des orkanartigen Sturms sei nicht vorhersehbar gewesen. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus den §§ 823 Abs. 1, 831 BGB oder §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 3, 114 BSchG in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht.
...
Im vorliegenden Fall handelte es sich bei dem Sturm am 13. November 1972 um einen dem Unwetter am 17. Oktober 1967 vergleichbaren, ungewöhnlich heftigen Orkan (vgl. die Auskunft des Seewetteramtes Hamburg vom 17. Oktober 1973) mit Windgeschwindigkeiten, wie sie zuvor erst im Jahre 1967 erreicht worden waren. Damals hatte man wie auch schon früher die Erfahrung gemacht, daß Lukendeckel von Schuten vom Wind fortgerissen wurden und Schäden anrichteten. Darauf hat der Sachverständige W. in dem früheren Prozeß hingewiesen und in dem von ihm in „Schiff und Hafen" veröffentlichten Artikel findet sich die Bemerkung, daß im Jahre 1964 bei 14 Schiffen Lukendeckel infolge eines Sturms über Bord gefallen waren. Er hat in diesem Artikel auch auf die von ihm entwickelte Sicherungsvorrichtung für Lukendeckel hingewiesen.
Die Schute FB „B" war aber mit einer Lukensicherung nach dem System „Adolf Weselmann" ausgerüstet. Diese Lukensicherung hat sich, wie Oberingenieur W. als sachverständiger Zeuge dem Senat berichten konnte, im wesentlichen bewährt. Sie dient dazu, die Lukendeckel von Schuten gegen ein Abheben durch starken Wind zu sichern. Bei handwerklich einwandfreier Anbringung dieser Sicherungseinrichtung und unter der Voraussetzung ihres guten Erhaltungszustandes kann man nach den gemachten Erfahrungen wohl davon ausgehen, daß diese Sicherung auch im Sturm in den meisten Fällen standhält. Allerdings hat es immer wieder Fälle gegeben - so auch besonders am 13. November 1972 -, in denen Lukendeckel trotz dieser Sicherung fortgeflogen sind. Als Ursachen dieser Unfälle kommen in Betracht fehlerhafte Anbringung der Sicherungseinrichtung, Beschädigungen der Einrichtung bei der Benutzung der Schute oder aber übermäßig starke Saugkraft bei orkanartigen Winden. Der sachverständige Zeuge W. hat erläutert, daß insbesondere auch Form und Beschaffenheit der Oberfläche der Lukendeckel dabei eine erhebliche Rolle spielen, wie sich die Saugwirkung des Windes auswirkt. So bieten z. B. gewellte Oberflächen der Lukendeckel weniger Angriffsfläche für die Sogwirkung des Windes als glatte.
Aus der Aussage des Zeugen muß der Schluß gezogen werden, daß es eine absolute Sicherung gegen das Davonfliegen von Schutendeckeln nicht gibt und daß auch eine Sicherung nach dem System „Adolf Weselmann" eine solche hundertprozentige Sicherung nicht bietet.
...
In dem hier entscheidenden Zeitpunkt, nämlich am 13. November 1972, konnten Schuteneigner noch darauf vertrauen, daß die eingebaute Windsicherung nach dem System „Adolf Weselmann" ausreicht, um das Wegfliegen der Lukendeckel zu verhindern. Erst die im Laufe der Zeit, insbesondere am 13. November 1972 gemachten Erfahrungen, geben dazu Veranlassung, aus heutiger Sicht dringend zu empfehlen, vor zu erwartenden starken Stürmen die Lukendeckel von Schuten zusätzlich durch geeignete Maßnahmen gegen ein Davonfliegen zu sichern, um Schäden zu vermeiden und um sich nicht Schadensersatzansprüchen auszusetzen.
Daraus folgt also, daß den Beklagten der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens am 12./13. November 1972 nicht gemacht werden kann. Der Senat muß aber nochmals darauf hinweisen, daß für die Zukunft in derartigen Fällen auf Grund der jetzt vorliegenden Erfahrungen etwas anderes zu gelten haben wird.
...“