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6 U 37/1973 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 12.07.1973
Aktenzeichen: 6 U 37/1973
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Der Anspruch des Bundes gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVG auf Zahlung des auf tarifwidrigem Verhalten beruhenden Differenzbetrages ist nur berechtigt, wenn beide Parteien in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des festgesetzten Entgelts handeln und abweichende Vereinbarungen treffen. Entsprechende Tatbestände müssen bei der Geltendmachung des Anspruchs im Einzelnen vorgetragen und nachgewiesen werden.


2) Wenn jemand als Hauptfrachtführer (Absender) mit einem (Unter-)Frachtführer einen Frachtvertrag schließt und es im Ladeschein heißt, dass die Ware vom Absender empfangen worden ist, müssen die Unterfrachtführer daraus nicht entnehmen, dass sie es mit einem Eigenhändler und nicht mit einem Gelegenheitskommissionär zu tun haben.

Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg

vom 12. Juli 1973


Zum Tatbestand:

Die Beklagte vereinbarte einerseits mit Kieswerken an der Unterelbe die Abnahme und Lieferung von Kies und schloss andererseits mit verschiedenen Reedereien und Privatschiffern Frachtverträge über die Beförderung des Kieses von Unterelbe-Stationen nach West-Berlin. Auf ihren eigenen Ladescheinformularen ist die Beklagte als diejenige bezeichnet worden, von der die Ware zur Beförderung nach Berlin an diejenigen im Ladeschein bezeichneten Empfänger übernommen wurde, an die die Beklagte den Kies vorher verkauft hatte. Den Kiesgruben erteilte die Beklagte für einen gewissen Zeitraum, z. B. für einen halben Monat, Gutschriften, die aus den Summen der erzielten Kaufpreise abzüglich 6,5 Verkaufsprovision bestanden. Die Berliner Abnehmer erhielten von der Beklagten im eigenen Namen Rechnungen. Den Binnenschifffahrtsunternehmen zahlte die Beklagte vereinbarungsgemäß die festgesetzten Frachtsätze. Sie zog jedoch eine Abschlußprovision von 5 % und eine Abfertigungsprovision von 4 %, im fraglichen Abrechnungzeitraum insgesamt etwa 43400,-DM Provision, ab.
Die Klägerin klagt diese Summe unter Berufung auf §.31 Abs. 3 BiSchVG ein, weil die genannten Provisionen nur einem Hauptfrachtführer zuständen, die Beklagte jedoch Absender gewesen sei. Den Betrag müsse die Beklagte zahlen, weil sie und die beschäftigten Schifffahrtsbetriebe in Kenntnis der Festfrachtvorschriften vorsätzlich gegen diese verstoßen hätten. Die Beklagte bestreitet das Vorbringen. Sie habe den Kies nicht zu Eigentum erworben, sondern für die Kieswerke als Verkaufskommissionär veräußert und den vollen Verkaufspreis abzüglich einer Provision an die Werke abgeführt. Der subjektive Tatbestand des §31 Abs.3 BiSchVG (Vereinbarung in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Frachtfestsetzung) sei nicht erfüllt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Auf die von ihr eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:
„....
Die auf § 31 Abs. 3 BiSchVG gestützte Klage ist unbegründet.
Sie kann keinen Erfolg haben, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte und die von ihr beschäftigten Frachtführer in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des festgesetzten Entgelts von diesem abweichend die von der Klägerin beanstandeten Provisionszahlungen vereinbart hatten. Es fehlt schon an einem schlüssigen Klagvortrag dazu, dass auf Seiten dieser Frachtführer der von der Klägerin behauptete Sachverhalt durchschaut oder infolge grober Fahrlässigkeit verkannt worden war. Daher erübrigt sich, auf die weiteren von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen.
Das Landgericht hat die subjektiven Voraussetzungen für den Klaganspruch nur auf Seiten der Beklagten geprüft und ihr Vorliegen angenommen. Auch ob dies zutrifft, kann, wie gesagt, dahinstehen. Mit der Frage des Verschuldens der Frachtführer hat es sich nicht auseinandergesetzt. Schon die Klägerin hatte lediglich die Rechtsfolgebehauptung aufgestellt, dass angesichts des geschilderten Sachverhalts auch die von der Beklagten „beschäftigten Binnenschiffer in Kenntnis der einschlägigen Frachtfestsetzung vorsätzlich gegen diese verstoßen" hätten, ohne sie durch entsprechenden Sachvortrag zu spezifizieren. Die Beklagte hat, wenn auch etwas undeutlich, das Verschulden ihrer Vertragspartner bestritten, indem sie sich auf deren Zeugnis dafür berufen hat, dass sie ihnen gegenüber nicht als Absender und Frachtzahler, sondern als Hauptfrachtführer aufgetreten sei. Die Parteien waren und sind sich darin einig, dass die beanstandeten Provisionen der Beklagten in Übereinstimmung mit den Festsetzungen in FTB D 502/7 und FTB D 341/3 zugestanden haben, wenn sie gegenüber den Kiesgruben als Verkaufskommissionär aufgetreten ist und Frachtverträge für fremde Rechnung geschlossen hat. Dies entspricht auch der Auffassung des Senats. Der Standpunkt, der Kommissionär befördere die ihm nicht gehörende Ware im eigenen Interesse und also auf eigene Rechnung dorthin, wo er sie am besten verkaufen könne, wird nicht geteilt. Ausgangspunkt der Betrachtung muss das Kieswerk sein, das sein Produkt in Berlin verkaufen wollte. Das konnte es in der Weise tun, dass es die Ware direkt an die Berliner Abnehmer verkaufte und Frachtverträge abschloss, um den Kies zu den Berliner Abnehmern zu befördern. Es konnte sich auch eines Spediteurs bedienen, der die Beförderung für es besorgte, und die Ware in Berlin unmittelbar oder über einen Kommissionär verkaufen. In einem solchen Falle würde der Spediteur sicherlich die Abschlußprovision und die Abfertigungprovision verdient haben. Hier übernahm die Beklagte, wenn sie Kommissionärin war, zugleich die Aufgaben des Spediteurs. Die Frage, ob die Beklagte Eigenhändler oder Gelegenheitskommissionär war, lässt sich nur von demjenigen beantworten, der die Abmachungen zwischen den Kieswerken, der Beklagten und deren Abnehmer und die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte in diesem Verhältnis kennt. dass die von der Beklagten beschäftigten Frachtführer, welche die Klägerin nicht einmal vollzählig mit Namen und ladungsfähiger Anschrift benannt hat, Einblick in diese inneren Vorgänge gehabt haben, hat die Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht anzunehmen. Ohne diesen Einblick konnte die für Laien schwierige Rechtsfrage, ob die Beklagte Eigenhändlerin oder Kommissionärin gewesen war, von den Binnenschiffern kaum aufgeworfen, geschweige denn beantwortet werden. Zu diesem Punkt hat die Klägerin offenbar keine Ermittlungen bei den beteiligten Frachtführern angestellt. Auch der Hinweis der Klägerin auf die Ladescheine, von denen die Frachtführer mindestens je eine Kopie erhalten hätten, ermöglicht nicht die Feststellung groben Verschuldens auf deren Seite. Da die Anlage 10, auf die sich der Hinweis der Klägerin bezieht, anscheinend die Ablichtung eines nicht unterzeichneten Original-Ladescheins ist, wird nicht ganz klar, wer Aussteller und Unterzeichner der von der Klägerin gemeinten Ladescheine war. Die Benutzung der Formulare der Beklagten spricht dafür, dass sie sie selbst ausgestellt hat. Das würde jedoch der Beweisführung der Klägerin entgegenlaufen, denn nach § 26 BSchG in Verbindung mit § 445 HGB stellt der (Haupt-) Frachtführer den Ladeschein aus. Wenn es sich daher um einen zwar unter Benutzung der Formulare der Beklagten von dieser ausgefüllten, aber von dem von ihr beauftragten Frachtführer unterzeichneten Ladeschein handeln soll und derartige Dokumente bei der Abwicklung der Kiestransporte von der Unterelbe nach Berlin zwischen der Beklagten und ihren Vertragspartnern gebräuchlich waren, so ist auch daraus der von der Klägerin gezogene Schluss nicht zwingend. Denn auch wenn die Beklagte die Frachtverträge nicht für eigene Rechnung geschlossen hat, wie sie behauptet, so ist dies doch, wie es bei einem Spediteur und einem Kommissionär üblich ist, im eigenen Namen geschehen. Derjenige aber, der mit einem (Unter-) Frachtführer einen Frachtvertrag schließt, ist der Absender, und insofern ist es nicht auffällig, wenn es in dem Ladeschein heißt, die Ware sei von der Firma, also der Beklagten, empfangen worden. Jedenfalls mussten weder die Binnenschifffahrtsunternehmen noch gar die Privatschiffer daraus entnehmen, es mit einem Eigenhändler zu tun zu haben.
Weiterer Sachvortrag für das Vorliegen groben Verschuldens auf Seiten der beteiligten Binnenschiffer fehlt.