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6 U 222/82 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 09.02.1984
Aktenzeichen: 6 U 222/82
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 31 Abs. 3 BSchG
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

Nach dem deutschen Binnenschifffahrtstarif dürfen Mengen-, Treue- und Beschäftigungsgarantierabatte einem Verlader nur gewährt werden, wenn letzterer für eigene Rechnung tätig wird. Ein Handeln für eigene Rechnung liegt nicht vor, wenn die wirtschaftlichen Folgen von Garantien (Rabatte für Mengenzusagen usw.) dem Vertragspartner nicht zugute kommen, sondern dem Auftraggeber des Verladers weitergegeben werden. Der tarifwidrig Handelnde kann nicht zur Zahlung des Differenzbetrages gemäß § 31 Abs. 3 BSchG verurteilt werden, wenn er selbst durch den Tarifverstoß keinen Vorteil erlangt hat.

Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg

vom 9. Februar 1984

Zum Tatbestand:

Die Reederei A - Hauptfrachtführerin - beförderte aufgrund langjähriger Verträge Mineralölprodukte der Firma B, u. a. an die Beklagte. Dies geschah im weiteren Verlauf der Geschäftsverbindungen von A, B und der Beklagten seit 1976/77 unter Einschaltung der Firma C. Die Beklagte hatte der Firma A wechselnde Brutto Frachtvolumina garantiert und andererseits von Firma A die Zusage erhalten, dass ihr für innerdeutsche Transporte gemäß FTB Mengen-, Treue- und später Beschäftigungsgarantierabatte gewährt würden. Ebenso hatte sich Firma B gegenüber Firma C verpflichtet, letzterer ihr gesamtes grenzüberschreitendes und innerdeutsches Transportaufkommen im Westen zur Abwicklung zu übertragen und hatte ihr bestimmte Frachtvolumina garantiert. In den letztgenannten Verträgen waren hinsichtlich der grenzüberschreitenden, nicht jedoch bezüglich der innerdeutschen Transporte Regelungen über Nachlässe, Sonderrabatte usw. vorgesehen. Entsprechende Vereinbarungen erfolgten zwischen Firma C und der Beklagten. Zur Durchführung der von Firma C eingegangenen Verträge hatte sich die Beklagte unmittelbar gegenüber Firma B verpflichtet. Die Frachtrechnungen erhielt die Beklagte von der Firma A, die der Firma B jeweils eine Rechnungskopie zusandte. Die Firma B erbat dann, unter Übersendung einer Nachricht an A, bei der Beklagten Belastung derselben Frachtbeträge, worauf die Beklagte eine entsprechende Berechnung an Firma C richtete, von ihr Zahlung erhielt und danach selbst an die Firma A zahlte. Firma B erstattete der Firma C wiederum die gezahlten Frachten. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Einlassung zugegeben, dass sie die Rabatte an die Firma B weitergegeben hat. Die Klägerin macht aufgrund einer von ihrer zuständigen Behörde durchgeführten Betriebsprüfung geltend, dass die Beklagte tarifwidrige Rabatte in Höhe von etwa 2,8 Mio. DM empfangen habe und deshalb gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVG zur Zahlung der Differenz zwischen tarifgerechtem und tarifwidrig vereinbartem Entgelt an den Bund verpflichtet sei. Im gegenseitigen Einvernehmen hat sie den Klageanspruch der Höhe nach zunächst auf 20 % = ca. 560000,- DM beschränkt. Sie begründete die Tarifwidrigkeit in erster Linie mit der Feststellung, dass alle drei gewährten Rabattarten für Mengen-, Treue und Beschäftigungsgarantie nur zulässig seien, wenn die betreffenden Transportgüter für eigene Rechnung befördert seien und nicht, wie im vorliegenden Fall geschehen, von mehreren Verladern in einer „Garantiegemeinschaft" gepoolt würden, um dadurch die genannten Rabatte, jedenfalls höhere Rabatte, zu erhalten. Die Beklagte habe sich bezüglich eines erheblichen Teils der Transportmengen wie ein Spediteur betätigt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es nicht auf das Eigentum an der Ladung, sondern darauf ankomme, dass der rabattberechtigte Verlader die Frachtgarantie für eigene Rechnung abgebe, also selbst aus eigenem Risiko für die Erfüllung der Garantie einstehen müsse. Die Firma C habe gegenüber Firma B eine Beförderungsverpflichtung übernommen und diese an die Beklagte weitergegeben.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen, der Beklagten jedoch die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

l.

Die der Beklagten von der Firma A gewährten vorgenannten Rabatte waren tariflich unzulässig, weil die nach dem deutschen Binnentankschifffahrtstarif für die Gewährung derartiger Rabatte erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Demgemäß schuldete Firma A der Beklagten diese Rabatte nicht (vgl. §31 Abs. 1 und Abs. 2 BiSchVG). Nach Ziff. 12a des vorgenannten Tarifs können Schifffahrttreibende nämlich nur dann einem Verlader einen nach der Höhe der garantierten Gesamtfrachtsumme gestaffelten Mengenrabatt gewähren, wenn dieser für eigene Rechnung dem Schifffahrttreibenden eine bestimmte Gesamtfrachtsumme für die Dauer von mindestens einem Jahr garantiert. Auch der ab 1976 zulässige Beschäftigungsgarantierabatt (Ziff. 12e des Tarifs) knüpft daran, dass der Verlader für eigene Rechnung handelt, der den sog. Konventionsreedern durch Übertragung seiner gesamten für die Dauer eines Jahres für Binnenschiffstransporte vorgesehenen Mineralöl- und Mineralölproduktmengen eine Beschäftigungsgarantie abgibt. Dagegen setzt der in § 12c des Tarifs geregelte Treuerabatt nach seinem Wortlaut an sich nur voraus, dass der Verlader Vertragsmindestsummen einem Schifffahrttreibenden für eine Vertragsdauer von zwei und mehr Jahren garantiert. Auch diese Bestimmung setzt aber voraus, dass die Beklagte dabei„für eigene Rechnung" tätig geworden ist; denn in der Bestimmung ist ausdrücklich davon die Rede, dass die den Treuerabatt begründende Garantie zusätzlich zu einer Verpflichtung nach dem Mengenrabatt, Buchstabe a), oder nach dem Vertragsrabatt, Buchstabe b), eingegangen wird. Da hier Vereinbarungen, die die Gewährung eines Vertragsrabatts rechtfertigen könnten, unstreitig nicht abgeschlossen worden sind, käme eine Gewährung des Treuerabatts nur zusätzlich zum Mengenrabatt in Betracht, was - wie dargelegt - wiederum ein Handeln für eigene Rechnung des Verladers voraussetzt. Die tariflichen Bestimmungen knüpfen allerdings die Gewährung der Rabattansprüche nicht an das Eigentum des Verlades an dem Transportgut. Dafür geben die einschlägigen Tarifbestimmungen nichts her. Jedoch kann die Beklagte die Rabatte nicht beanspruchen, weil sie nicht - wie dies aus den angeführten Gründen erforderlich gewesen wäre - für eigene Rechnung gehandelt hat. Gegensatz des Handelns für eigene Rechnung ist das Handeln für fremde Rechnung. Dieses Merkmal wird allgemein verwandt zur Kennzeichnung der mittelbaren Stellvertretung, bei der der Vertreter nach außen hin zwar im eigenen Namen handelt, im Innenverhältnis aber im Interesse und für Rechnung eines anderen (vgl. Palandt-Heinrichs, 43. Aufl., Einf. vor § 164 BGB, Anm. 3a sowie Thiele in MünchKomm, § 164 BGB, Rn. 14): Gesetzlich ausgeprägte Formen sind die Kommission und die Spedition (vgl. auch Thiele a.a.O.: Leitbilder sind die Geschäfte der Kommissionäre und Spediteure). Aus der gesetzlichen Ausgestaltung dieser Vertragstypen lässt sich entnehmen, dass ein Handeln für fremde Rechnung immer dann vorliegt, wenn die wirtschaftlichen Folgen des Ausführungsgeschäfts letztlich den Auftraggeber des Geschäfts treffen. Daraus lässt sich für die vorliegenden Tarifbestimmungen ableiten, dass die wirtschaftlichen Folgen der Garantien dem Verlader zugute kommen müssen und ein Handeln für eigene Rechnung jedenfalls ausscheidet, wenn die ausbedungenen Rabatte an den/die Auftraggeber des Verladers abzuführen sind.
Indes hat die Klägerin sich insoweit jedenfalls hilfsweise das Vorbringen der Beklagten zu eigen gemacht, dass die der Beklagten von Seiten der Firma A gewährten Rabatte an die Firma B bzw. über die Firma C. an diese Firma in Form von Sonderrabatten für grenzüberschreitende Transporte verdeckt weitergegeben worden sind.
Da ausweislich der Verträge zwischen Fa. C. und der Beklagten die Fa. C. die gleichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten übernommen hat, kann angesichts des Umstandes, dass Fa. C. eine „Enkelin" der Beklagten ist und die garantierten Bruttofrachtvolumina Fa. B - Fa. C. einerseits und Fa. C. - Beklagte andererseits für die einzelnen Vertragsjahre übereinstimmen, kein Zweifel sein, dass wirtschaftlich gesehen Fa. B mittelbar gegenüber der Beklagten die vorgenannten Verpflichtungen eingegangen ist. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen über die jeweils zu zahlenden Frachtvorauszahlungen identisch sind. Allerdings enthalten diese Verträge keinerlei Rabattbestimmungen für die sog. innerdeutschen Transporte. Jedoch ist jeweils in den Bestimmungen über die Abrechnung für die grenzüberschreitenden Transporte, für die die Verträge ohnehin Nachlasse und Sonderrabattbestimmungen enthalten, in §7c bzw. §8c die Gewährung eines summenmäßig festgelegten weiteren Sonderrabatts vereinbart. Die in diesen Bestimmungen der Verträge (§ 7c bzw. §8c) und ihrer Nachträge ausgewiesenen Sonderrabatte decken sich aber summenmäßig bis auf ganz unwesentliche Abweichungen mit den Rabatten, die die Fa. A jeweils für das vorangegangene Vertragsjahr der Beklagten als Rabatte auf die Frachten für innerdeutsche Transporte nach Ablauf des Schifffahrtsjahres und Genehmigung durch die Klägerin vergütet hatte.
dass sich bereits die seitens der Firma A gewährten Rabatte für innerdeutsche Transporte 1975 mit den betreffenden Sonderrabatten für grenzüberschreitende Transporte 1976 deckten, hat die Klägerin schon vorprozessual dem Angestellten Z. der Beklagten vorgehalten. Diese Übereinstimmung beruht nach der Überzeugung des Senats nicht auf Zufall. Vielmehr ist von Anfang an zwi¬schen Fa. B und der Beklagten festgelegt worden, dass durch die angeführten in den Verträgen der Beklagten mit Fa. C. bzw. vor deren Gründung mit Fa. B direkt und in den Verträgen von Fa. C. mit Fa. B ausbedungenen zusätzlichen Sonderrabatte für grenzüberschreitende Transporte in Wahrheit in verdeckter Form die Rabatte für die innerdeutschen Transporte an Fa. B weitergeleitet werden sollten.

II.

Danach ist die Beklagte um die in der Klage angeführten Beträge, die unstreitig die Firma A der Beklagten nach Ablauf der einzelnen Schifffahrtsjahre und Genehmigung durch die Klägerin als Rabatte zurückgezahlt hatte, ungerechtfertigt bereichert (§§ 812, 817 S. 1 BGB). Ob die Beklagte der Firma A. entgegenhalten könnte, diese habe durch ihre Leistungen gleichfalls gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (§817 S. 2 BGB), kann offen bleiben; denn dieser Einwand kann nach Sinn und Zweck des §31 Abs. 3 BiSchVG jedenfalls der den Unterschiedsbetrag geltend machenden Klägerin nicht entgegengehalten werden (vgl. BGH in Zeitschrift für Binnenschifffahrt und Wasserstraße 1975, S. 395, S. 396). Nach der Überzeugung des Senats haben im vorliegenden Fall auch die Vertragsparteien Beklagte und Fa. A die von den festgesetzten Tarifentgelten wegen der unzulässigen Rabatte abweichenden Entgelte in Kenntnis des festgesetzten Entgelts vereinbart, so dass die Voraussetzungen des §31 III BiSchVG für den Forderungsübergang auf die Klägerin erfüllt sind. Dabei liegt die Kenntnis der auf Seiten der Beklagten bei Vertragsabschluß handelnden Perso¬nen, die sich die Beklagte gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss (vgl. Helm, Frachtrecht, §23 GüKG Anm. 8 m.w.N.), auf der Hand. Gerade der Umstand, dass die Beklagte die Rabatte nicht offen an Fa. B weitergegeben hat, sondern dass sie diese unter Zwischenschaltung der Fa. C. in verdeckter Form als Sonderrabatte für grenzüberschreitende Transporte kaschiert weitergeleitet hat, zeigt zur Genüge, dass sich die für die Beklagte handelnden Personen des Tarifverstoßes bewusst waren. Ihnen war ersichtlich bewusst, dass kein Handeln für eigene Rechnung vorlag, das nach dem ihnen bekannten Binnentankschifffahrtstarif aber Voraussetzung für die Gewährung der Rabatte war. Durch die Kaschierung der Weiterleitung der Rabatte an Fa. B wollten sie ersichtlich verdecken, dass die Beklagte die Rabatte nicht beanspruchen konnte, weil sie nicht für eigene Rechnung handelte. Wenn sie dennoch die Rabattierung der B.-Mengen in dem zusätzlichen Transportvertrag mit Fa. A vereinbart haben, so haben sie damit in Kenntnis des festgesetzten Entgelts ein von diesem abweichendes vereinbart. Aber auch die Firma A hat nach der Überzeugung des Senats diese Kenntnis gehabt. Zunächst einmal hat der Vertragspartner der Beklagten genau gewusst, dass unter dem zusätzlichen Transportvertrag ausschließlich Mineralölprodukte der Firma B. befördert wurden. Einmal wurden nämlich die Transporte von Mineralölprodukten der Beklagten bereits durch einen schon zuvor abgeschlossenen Transportvertrag erfasst.
Der Fa. A ist sicherlich nicht entgangen, dass hier die Beklagte und Fa. B durch Übertragung der Transportmengen der Fa. B auf die Beklagte ihre Transportmengen gepoolt haben, um zum gemeinsamen Nutzen in den Genuss höherer Rabatte zu gelangen. Damit spricht alles dafür, dass die für Fa. A Handelnden auch gewusst haben, dass die Beklagte hinsichtlich der hier in Rede stehenden Transportmengen nicht für eigene Rechnung gehandelt hat.

III.

Dennoch muss die Klage abgewiesen werden, weil die Beklagte die Vorteile aus der unzulässigen Tarifunterschreitung - wie bereits im einzelnen ausgeführt - aufgrund der mit Fa. B und Fa. B. getroffenen Vereinbarungen direkt an die Firma B bzw. über die Firma B. an diese weitergegeben ha. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ Bd. 64, S. 159 ff. = NJW 1975, S. 1283 ff. )) setzt aber der Anspruch des Bundes nach § 31 Abs. 3 BiSchVG voraus, dass derjenige, von dem die Zahlung des Unterschiedsbetrages verlangt wird, durch den Tarifverstoß tatsächlich einen Vorteil erlangt hat. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, weil die der Beklagten aufgrund der unzulässigen Tarifunterschreitung im Vertrag mit der Firma A zugeflossenen unzulässigen Rabattvorteile nicht höher sind als die Rabatte, die die Beklagte aufgrund der mit B bzw. mit C. getroffenen Vereinbarungen in verdeckter Form letztlich an B zu zahlen hatte und unstreitig auch gezahlt hat. Somit ist der Beklagten hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Beträge kein geldwerter Vorteil erwachsen. Die Herausgabe etwaiger durch die. Poolung erreichter zusätzlicher Rabattvorteile für die „eigenen" Transportmengen der Beklagten ist nicht Streitgegenstand. Wenn die Klägerin geltend macht, dass auch die mit Fa. C und Fa. B getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der vereinbarten so genannten „weiteren Sonderrabatte" unzulässige Umgehungsgeschäfte darstellten und insoweit gemäß §§41a, 31 Abs. 1, 31 Abs. 2 BiSchVG unwirksam seien, so ändert das am Ergebnis nichts; denn auch in dem vom Bundesgerichtshof (a.a.O.) entschiedenen Fall verstieß die Vereinbarung des Hauptfrachtführers mit dem Absender gegen die Tarifbestimmungen. Maßgeblich für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs war der Gesichtspunkt, dass es einer dem Sinn und Zweck des § 31 Abs. 3 BiSchVG widersprechenden Bestrafung des Hauptfrachtführers gleichkäme, wenn dem Bund ein Ausgleichsanspruch gegen die¬sen zuerkannt würde, obwohl nicht der Hauptfrachtführer, sondern der Absender durch den Tarifverstoß begünstigt wurde. So liegen die Dinge auch im vorliegenden Fall. Die Kosten der Berufung legt der Senat gemäß §97 Abs. 2 ZPO der Beklagten auf, weil sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie - grob schuldhaft - im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht hatte. ....“.