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6 U 21/72 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 22.06.1972
Aktenzeichen: 6 U 21/72
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsatz:

Schiffsschäden durch Fischöl, mit dem eingeladener Roggen zwecks Denaturierung besprüht wird, sind vom Verlader zu ersetzen. Ein Einverständnis des Schiffseigners mit einer solchen Schiffsbeschädigung über die bloße Geruchsbelästigung. Hinaus kann vernünftigerweise ohne besondere Anhaltspunkte nicht angenommen werden.

Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts

vom 22. Juni 1972

Zum Tatbestand:

Der Kläger übernahm mit seinem Motorgüterschiff am Silo der Beklagten 110 t Roggen, der lt. Freistellungsschein der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel mit Fischöl oder Fischlebertran denaturiert werden sollte. In dem Schlussschein des Maklers war von eosiniertem - (d. h. durch roten Farbstoff denaturiertem) Roggen die Rede. Der Silomeister bei der Beklagten erwähnte dem Kläger gegenüber, dass der Prokurist der Beklagten auf einem Befrachtungszettel vermerkt hatte: „Ware muss noch mit Fischöl denaturiert werden"; sodann ließ er erst 30 t unversetzten Roggen einladen und begann, Fischöl darüber zu sprühen. Trotz des Protestes des Klägers nahmen Beladung und Besprühung ihren Fortgang. Etwa 3 Wochen später wurde durch einen Sachverständigen festgestellt, dass der Bodenbelag des Schiffes in erheblichem Umfang mit Fischöl durchfeuchtet und dieses tief eingedrungen war.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 1780,- DM wegen Beschädigung des Schiffes. Die schädliche Wirkung von Fischöl sei ihm vorher nicht bekannt gewesen.
Die Beklagte meint, dass der Schlussschein die Vereinbarung nicht richtig wiedergegeben habe. Außerdem habe der Schlussschein ihrem Prokuristen bei der Beladung noch nicht vorgelegen. Der Kläger habe sein Einverständnis mit der Fischölbesprühung dadurch erklärt, dass er trotz Aufforderung seinen Protest nicht bei der Geschäftsleitung der Beklagten vorgetragen und die weitere Beladung zugelassen habe.
Das Landgericht hat die Klage zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben.

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch dann, wenn vertraglich eine Beladung mit Fischöl versetztem Roggen vereinbart war, war die Beklagte nicht berechtigt, das Schiff des Klägers zu beschädigen. Das von der Beklagten behauptete Einverständnis des Klägers kann vernünftigerweise nicht dahin gedeutet werden, dass der Kläger auch über die bloße Geruchsbelästigung hinaus mit einer Beschädigung seines Schiffes einverstanden war: Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Das Schiff des Klägers ist durch das von der Beklagten vorgenommene Besprühen des eingeladenen Roggens mit Fischöl beschädigt worden.

Diese Beschädigung des Schiffes durch das Versprühen von Fischöl beim Beladen des Schiffes stellt eine positive Forderungsverletzung seitens der Beklagten dar, für die sie nach §§ 276, 278 BGB einzustehen hat. Das Versprühen des Fischöls geschah im Zusammenhang mit der Beladung des Schiffes, und diese war Sache der Beklagten (§ 41 BSchO). Dadurch, dass die Beklagte durch die Verwendung des Fischöls das Schiff beschädigt hat, hat sie objektiv den Tatbestand einer positiven Forderungsverletzung erfüllt.
Gemäß der Regel der §§ 282, 278 BGB wird vermutet, dass die Angestellten der Beklagten die Beschädigung des Schiffes des Klägers schuldhaft herbeigeführt haben. Einen Entlastungsbeweis insoweit hat die Beklagte weder in erster Instanz noch in den Schriftsätzen zweiter Instanz angetreten. Ihre in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals angetretenen Beweise sind insgesamt nicht schlüssig: Wenn, was die Beklagte behauptet, bei der ordnungsgemäßen Denaturierung mit Fischöl der Schaden nicht hätte entstehen können, bleibt nur der Schluss, dass die Denaturierung von den Angestellten der Beklagten eben nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden ist. Dann ist ein Verschulden der Beklagten gegeben. Falls es aber so sein sollte - was die Beklagte möglicherweise hilfsweise behaupten will -, dass bei Roggen ein Durchlaufen eines Teils des Fischöls nicht vermeidbar ist, dann hätte die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit von Beschädigungen seines Schiffes aufmerksam machen und ihm die Unterlage von ölundurchlässigen Planen empfehlen müssen. Es war Aufgabe der Beklagten, sich den erforderlichen Sachverstand anzueignen, denn die ordnungsgemäße Beladung war ihre Vertragspflicht, nicht Vertragspflicht des Klägers.
Demnach ist der Schaden am Schiff des Klägers von der Beklagten verschuldet worden. Sie muss ihn nach den Regeln der positiven Forderungsverletzung ersetzen."