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6 U 186/74 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 06.11.1975
Aktenzeichen: 6 U 186/74
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsatz:

Zur Geltendmachung von Versicherungsansprüchen wegen Frostschäden, die durch Einfrieren der Heizung und des Kühlwassersystems auf stilliegenden Schiffen entstanden sind.

Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg

vom 6. November 1975

Zum Tatbestand:

Das im Herbst 1971 auf der Este stillgelegte und bei den Beklagten kaskoversicherte MS „E" erlitt Mitte Januar 1972 Frostschäden in Höhe von mehr als 131 000,- DM, da die Heizungsanlage und das Kühlsystem der Maschine eingefroren waren.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihres Versicherungsanspruchs vor, dass die Heizung ständig in Betrieb gewesen sei, sich ein zuverlässiger Matrose an Bord befunden habe und die Mitreeder das Schiff regelmäßig kontrolliert hätten. Anscheinend habe sich der Wachmann in der Nacht vom 16. zum 17. Januar 1972 - an diesem wurde der Schaden entdeckt - entfernt und nicht abgemeldet.
Die Beklagten bestreiten, dass sich ein Wachmann ständig auf dem Schiff befunden habe. Ein Wachmann habe auch nicht ausgereicht. Die Heizung müsse auch schon 4-5 Tage vorher ausgefallen sein. Selbst wenn die Heizung in Betrieb gewesen wäre, hätten alle Leitungen entwässert werden müssen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb bis auf eine geringfügige Teilsumme von 450,- DM erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Die Beklagten meinen, auch wenn das Schiff beheizt gewesen sei, hätte die Klägerin außerdem auch noch alle Leitungen entwässern müssen. Dieser Auffassung kann der Senat sich nicht anschließen. Der Sachverständige A. hat dazu ausgeführt: Eine Schiffsheizung sei normalerweise so ausgelegt, dass keine Leitungen einfrieren könnten, wenn die Heizung in Betrieb sei. Ihm sei deshalb aus seiner langjährigen Praxis als Werftleiter kein Fall bekannt, in dem man bei einem beheizten Schiff obendrein auch noch das Wasser abgelassen hätte. Er habe das auch niemals verlangt. Stets habe er Wert darauf gelegt, dass auf der Werft möglichst die Heizung der Schiffe in Betrieb gehalten wurde. Das sei nämlich sicherer, als ein Schiff nur zu entwässern. Niemals habe er bei einem beheizten Schiff einen Frostschaden erlebt, wohl aber Frostschäden bei Schiffen, die nur entwässert und nicht beheizt waren. All dies scheint dem Senat vollkommen überzeugend.
...

Der von den Beklagten herangezogene Sachverständige „G" hat die Frage aufgeworfen, ob nicht dem Kühlwasser der Maschine ein Frostschutzmittel hätte hinzugesetzt werden müssen. Doch meinte „G", dies sei nur bei frostgefährdeten Maschinenräumen notwendig. Die Klägerin hatte keine Veranlassung, ihren durch Heizkörper zusätzlich beheizten Maschinenraum für frostgefährdet zu halten.
Auch ihre Pflicht, das Schiff zu beaufsichtigen, hat die Klägerin nicht nachweislich verletzt.
a) Beweispflichtig sind insoweit die Beklagten. Denn § 33 ADS ist ein Ausnahmetatbestand: Grundsätzlich haften die Versicherer für jeden Kaskoschaden; sie haften nur ausnahmsweise dann nicht, wenn der Versicherte diesen Schaden schuldhaft herbeigeführt hat (vgl. Prölss-Martin, VVG, 19. Aufl., § 61 Anm. 6).
...
b) Hiernach ist davon auszugehen, dass sich auf dem Schiff ständig ein Wachmann befand, ein ehemaliger Matrose, der seit Jahren bei der Klägerin beschäftigt war und sich bis zu diesem Schadensfall immer als zuverlässig erwiesen hatte. Dieser Mann hatte Anweisung, sich im Hause von H. abzumelden, wenn er das Schiff verließ; das hatte er bislang auch immer getan. All dies hat nämlich die Klägerin behauptet. Die Beklagten haben es zwar bestritten, für ihren Vortrag aber keinen Beweis angeboten.
...
c) Die Beklagten meinen, mit einem Wachmann sei es nicht getan gewesen. Es hätten wenigstens zwei Leute an Bord sein müssen, damit, wenn einer von ihnen schlief, der andere insbesondere die Heizung überwachen konnte. Das ist aber nicht überzeugend. Gerade nach dem Vortrag der Beklagten dauert es, falls die Heizung ausfällt, über 24 Stunden, bis das Wasser in den Leitungen gefriert. So lange schläft kein Mensch. Und wer sich im geheizten Zimmer schlafen legt, wacht auch mit Sicherheit auf, wenn die Temperatur in seinem Schlafraum unter 0° absinkt.
...
d) Allerdings durfte sich die Klägerin nicht unbeschränkt auf ihren Wachmann verlassen. Von Zeit zu Zeit musste vielmehr einer der Mitreeder oder ein anderes Familienmitglied nachsehen, ob an Bord alles in Ordnung war. Auch insoweit ist der Klägerin aber keine Pflichtverletzung nachgewiesen.

Anscheinend ist am Sonntag, dem 16. Januar 1972, niemand auf dem Schiff gewesen. Das ergeben bereits die eigenen Erklärungen von H. dass aber auch am Samstag, dem 15. Januar oder sogar auch an den vorangegangenen Tagen kein Mitglied der Familie H. das Schiff betreten hätte, das haben die Beklagten nicht bewiesen.
Dieser Beweis wäre den Beklagten gelungen, wenn sie nachgewiesen hätten, dass die Heizung schon mehrere Tage vor dem 17. Januar - unbemerkt - ausgefallen sei. Der Senat kann aber allenfalls davon ausgehen, dass die Heizung schon am 15. Januar abends ausgefallen ist.
...
e) Den Reedern der Klägerin kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sich am Sonntag, dem 16. Januar, keiner von ihnen um das Schiff gekümmert hat. Selbst wenn auch am 15. Januar niemand auf dem Schiff gewesen wäre, könnte man noch nicht von Fahrlässigkeit sprechen. Auch die an diesen Tagen herrschende Kälte war kein Grund, sich auf das Schiff zu begeben. Denn die Reeder konnten ja davon ausgehen, dass der Wachmann auf dem Schiff war. Dieser Mann hatte bereits über 4 Monate lang das Schiff bewacht, hatte sich dabei immer zuverlässig gezeigt, sollte sich abmelden, wenn er fort ging, hatte das bisher auch stets getan. Die Reder hatten keinen Grund, damit zu rechnen, dass dieser Matrose sich nun eines Tages heimlich davonmachen und 36 Stunden fortbleiben könnte.
...
f) Der Wachmann selbst allerdings hat sicherlich den Frostschaden verschuldet. Für sein Verschulden braucht aber die Klägerin nicht nach § 278 BGB einzustehen. Dabei mag es dahingestellt bleiben, dass die Klägerin nach der Versicherungspolice das Schiff gar nicht zu bewachen brauchte. Es mag auch dahingestellt bleiben, ob der Wachmann auf einem stillgelegten Schiff zur Schiffsbesatzung im Sinne des § 33 Abs. 3 ADS gehört. Zumindest war die Klägerin keinesfalls verpflichtet, das Schiff selbst zu bewachen. Allenfalls hatte sie die Pflicht, einen zuverlässigen Wachmann anzustellen. Deshalb kann man nicht sagen, sie habe sich zur Erfüllung ihrer Bewachungspflicht des Wachmanns bedient (Prölss-Martin a.a.o., § 61 Anm. 7; Ritter-Abraham, ADS, 2. Aufl., § 33 Anm. 15; RGZ 102, 215).
Eine Ausnahme von allem bisher Gesagten gilt allerdings für die Feuerlöschleitung an Deck. Aus dieser Leitung hätte sicherlich das Wasser herausgelassen werden müssen. Die Klägerin trägt dazu vor, die Leitung sei bereits im Sommer durch Deckslast und abgedeckte Lukendeckel beschädigt worden. Auch wenn das richtig ist, kann die Klägerin diesen Schaden den Versicherern nicht in Rechnung stellen.
...“