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6 U 12/81 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 11.06.1981
Aktenzeichen: 6 U 12/81
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 556 HGB, § 642 HGB, IOCKlausel, § 3 AGBG, § 656 HGB, § 612 HGB, § 4 AGBG
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Bei einem Stückgut-Seefrachtvertrag dient das Konnossement in der Regel gleichzeitig dazu, die Bedingungen des Frachtvertrags festzulegen. Enthält jedoch das Konnossement eine Identitiv-of-Carrier (IOC)-Klausel, welche abweichend vom Frachtvertrag einen Dritten als Verfrachter bestimmt, so geht der Inhalt des individuell ausgehandelten Frachtvertrags vor. Zudem stellt in solchem Fall die IOC-Klausel eine überraschende Klausel i. S. des § 3 AGBG dar

Urteil des Oberlandesgerichtes Karlsruhe

vom 11.06.1981

6 U 12/81


Zum Tatbestand:

Die in Kopenhagen ansässige Bekl. war Reeder des MS "G.", das sie gemäß Vertrag vom 27.11. 1979 an die Y.-Corporation verchartert hatte. Mit dieser, vertreten von ihrer Agentin H., Bremen, vereinbarte die Kl., die von der W.-Spedition vertreten wurde, im November 1979 die Beförderung von geologischen Fahrzeugen auf MS "G." von Hamburg nach Hodeida (Jemen). Die Güter wurden verladen, und die Kl. erhielt das Konnossement vom 15.12.1979, das als Empfänger ein "German Geological Team" auswies, wobei es sich um Bedienstete der Kl. handelte. Unter den verladenen Gütern der Kl. befand sich auch eine fahrbare Kernbohranlage, die im unteren Laderaum 1 auf Backbordseite gestaut wurde. Der achtere klappbare Lukendeckel der im Zwischendeck befindlichen Ladeluke konnte nicht geschlossen werden, weil in der achteren Hälfte des unteren Laderaums Nr. 1 über die Zwischendecksebene hinausragende Container gestaut waren. Infolgedessen konnten auch die für die Abdeckung des verbleibenden Zwischenraums dienenden vier abnehmbaren stählernen Lukendeckel nicht auf dieser Ladeluke befestigt werden.

Sie wurden im Zwischendeck mit Stahltrossen und Spannschrauben an Augbolzen gelascht. Das Schiff verließ Bremen am 15. 12. 1979. Es geriet am 16./17. 12.1979 in einen Sturm. Dabei fiel einer der gelaschten stählernen Lukendeckel in den unteren Laderaum Nr. 1 und beschädigte dort die fahrbare Kernbohranlage der Kl. sowie das Lkw-Fahrgestell. Zwei Augbolzen, an denen die Spannschrauben der Stahltrossen der Lukendeckel befestigt waren, waren an den Schweißnähten glatt abgeschoren; dadurch waren die dort gelaschten Lukendeckel ins Rutschen gekommen und schließlich durch die offene Ladeluke in den unteren Laderaum Nr. 1 gestürzt. Die Kl. forderte von der Bekl. als Schadenersatz Bezahlung der Reparaturkosten. Der Charterer hatte Ansprüche unter Hinweis auf die in dem Konnossement enthaltene IOC-Klausel (Nr. 17 der Bedingungen) abgelehnt. Die Kl. trug vor: Nach der IOC-Klausel im Konnossement gelte die Bekl. als Verfrachter. Daher hafte diese für die eingetretenen Schäden. Der Konnossementsempfänger, der gleichzeitig Befrachter sei, könne grundsätzlich wählen, ob er aus dem Frachtvertrag oder dem Konnossement vorgehe. Auf Gefahren der See könne sich die Bekl. nicht mit Erfolg berufen, auf Haftungshöchstbeträge allenfalls insoweit, als die Frachteinheit heranzuziehen sei.

Die Kl. beantragte, die Bekl. zur Zahlung von 122812,50 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Bekl. wandte ein: Da die Kl. Befrachter sei, könne sie sich auf das Konnossement nicht berufen. Die IOC-Klausel sei im vorliegenden Fall auch nicht wirksam. Weiter liege der Grund für den Schaden nicht in unsachgemäßer Stauung, sondern in der Gewalt der Kräfte, die während des Sturms auf das Schiff eingewirkt hätten. Schließlich sei die Haftung per Packung oder Einheit beschränkt.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Kl. blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

I.

Die Rechtsbeziehungen der Parteien sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Parteien haben sich nämlich auf dessen Anwendung konkludent dadurch geeinigt, dass sie die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit vereinbart und überdies im Prozess allein auf der Grundlage des deutschen Rechts argumentiert haben.

II.

Die Kl. als Befrachter kann gegenüber der Bekl. keine Ansprüche aus dem Konnossement geltend machen, obwohl sie zugleich Inhaberin des Konnossements und im Konnossement als Empfänger der Güter ausgewiesen ist. Nach § 656 Abs. 3 HGB bleiben nämlich für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Befrachter die Bestimmungen des Frachtvertrags maßgeblich. Diese Bestimmung greift nach allgemeiner Meinung auch dann ein, wenn der Befrachter zugleich als legitimierter Konnossementsinhaber und Empfänger auftritt (vgl. Schaps/Abraham 4. Aufl. § 656 HGB Rdn. 29 a. E.; Prüßmann § 656 HGB Anm. D 1; Schlegelberger/ Liesecke 2. Aufl. § 656 HGB Rdn. 13; OLG Hamburg Hansa 63,337 <339>; vgl. auch BGHZ 25,300 ff. <304> = VersR 57,746 <747>; 73,4 ff. = VersR 79, 275 ff.).

III.

Die Kl. kann die Bekl. auch nicht mit Erfolg aufgrund des Frachtvertrags auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, weil nicht die Bekl., sondern vielmehr die Fa. Y. als Charterer des Schiffs sich im Frachtvertrag gegenüber der Kl. zur Beförderung der Güter verpflichtet hat und damit deren Vertragspartner ist.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Frachtvertrag zwischen der Kl. - vertreten durch die Fa. W. - als Befrachter und der Fa. Y. - vertreten durch die Fa. H. als deren Agentin - als Verfrachter zustande gekommen ist. Allerdings handelt es sich um einen Stückgutvertrag. Im Stückgutverkehr dient das Konnossement in der Regel gleichzeitig dazu, die Bedingungen des Frachtvertrags festzulegen (vgl. BGHZ 6, 127 ff.; OLG Hamburg Hansa 67, 2055). Diese Folgerung erscheint deshalb als gerechtfertigt, weil im Stückgutverkehr die Vertragsparteien die Vertragsmodalitäten nicht erschöpfend zu regeln pflegen und im übrigen davon ausgehen, dass die in den Konnossementsformularen enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Verfrachters auch für den Frachtvertrag maßgeblich sein sollen (vgl. Schaps/ Abraham Rdn. 11 vor § 642 HGB). Im vorliegenden Fall ist diese Rechtslage zudem durch den Vermerk auf der Vorderseite des Konnossements klargestellt worden, wonach durch die Annahme des Konnossements der "Merchant", worunter gem. Nr. 1 der Konnossementsbedingungen der Ablader, Empfänger, Konnossementsinhaber und der Eigentümer der Güter zu verstehen ist, die Konnossementsbedingungen anerkennt. Danach hat an sich die Kl. bzw. die Fa. W. als ihre Vertreterin - durch die widerspruchslose Entgegennahme des Konnossements der Inkorporierung der Konnossementsbedingungen in den Frachtvertrag zugestimmt. Daraus folgt indes nicht, dass die in Nr. 17 der Konnossementsbedingungen enthaltene IOC-Klausel anwendbar und die Bekl. Verfrachter und damit Vertragspartner der Kl. geworden ist. Diese Konnossementsbedingung steht nämlich im Widerspruch zu den individuellen Abreden des Frachtvertrags, weil sich unstreitig die Fa. Y. im Frachtvertrag gegenüber der Kl. zur Beförderung der Güter nach Hodeida verpflichtet hat, wie überdies auch der Inhalt der booking note bestätigt. Die Festlegung der Person des Verfrachters stellt aber eine wesentliche Bestimmung des Frachtvertrags dar; denn für den Befrachter ist es durchaus von Bedeutung, wer ihm als Verfrachter die Beförderung und Auslieferung der Güter schuldet und an wen (bzw. an wessen P. & 1.-Club) er sich im Fall des Verlusts oder einer Beschädigung der Güter zu halten und wem gegenüber er insbesondere auch die
Klagefrist des § 612 HGB zu waren hat. Daher steht eine Konnossementsbedingung, die - wie die IOC-Klausel - anstelle desjenigen, in dessen Namen der Frachtvertrag abgeschlossen ist, einen Dritten zum Verfrachter macht, im Widerspruch zum Inhalt des Frachtvertrags selbst. Unter diesen Umständen geht aber der Inhalt des individuellen Frachtvertrags der vorliegenden Konnossementsbedingung vor, weil die Konnossementsbedingungen nicht zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt, sondern lediglich als AGB des Verfrachters in den Frachtvertrag inkorporiert worden sind (vgl. §4 AGBG). Das hat der Senat in seiner bereits zitierten Entscheidung (Hansa 67,2055) mit den Worten zum Ausdruck gebracht, dass die Konnossementsbedingungen im Stückgutverkehr nur insoweit die Bedingungen des Frachtvertrags festlegen, als nicht ein gesonderter Frachtvertrag, insbesondere eine Buchungsnote, abweichende Bedingungen enthält, die sodann in erster Linie zwischen dem Verfrachter und dem Befrachter maßgeblich sind.

Die IOC-Klausel stellt überdies hier auch eine überraschende Klausel i. S. des § 3 AGBG dar. Es mag zwar sein, dass Reeder gecharterter Schiffe vielfach Konnossementsformulare auf der Basis der Conlinebill verwenden. Mit Sicherheit verwenden aber andere Linienreeder bei Einsatz von Charterschiffen in ihrem Liniendienst Konnossementsformulare, die nur sie selbst als Verfrachter ausweisen (s. bereits dazu das Urteil des Senats VersR 72,585 <586>). Abgesehen davon, das die Kl. noch nicht einmal vorgetragen hat, dass sie bzw. die Fa. W. als ihrVertreter wussten, dass das MS "G." ein gechartertes Schiff war, mussten daher die Kl. bzw. ihr Vertreter auch nicht ohne weiteres damit rechnen, dass die Fa. Y. durch Verwendung eines Konnossements mit IOC-Klausel die frachtvertraglich übernommene Stellung des Vertragspartners auf den Schiffseigner übertragen wollte.

Das gilt umso mehr, als das von der Fa. Y. verwandte Konnossementsformular auf der Vorderseite in hervorspringender und unübersehbarer Weise das Zeichen und den Namen der Fa. Y. trägt und damit für die Kl. bzw. deren Vertreter auch diese Linie in Übereinstimmung mit dem Frachtvertrag als Verfrachter erscheinen ließ. Auch aufgrund dieses Umstands muss die verwandte IOC-Klausel hier als eine überraschende Klausel i. S. des § 3 AGBG gewertet werden, die demgemäß nicht Vertragsbestandteil geworden ist.

Bei dieser Sachlage bedarf es nicht der Entscheidung, ob die IOC-Klausel ohnehin wegen Verstoßes gegen das Offenkundigkeitsgebot unwirksam ist (vgl. zur Problematik OLG Bremen VersR 75,732 <733>; LG Hamburg VersR 78,714 ff.) und ob die Bekl. die Fa. Y. durch Klausel 25 bzw. 42 des Chartervertrags dazu bevollmächtigt hatte, sie durch ein Konnossement mit IOC-Klausel zu verpflichten (vgl. zur Problematik OLG Hamburg Hansa 69,1865 f. sowie OLG)