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Leitsatz:
Der durch die von zivilen oder militärischen Behörden im Jahre 1940 angeordnete Wegnahme von Binnenschiffen zwecks Vorbereitung des Unternehmens Seelöwe" entstandene Verlust stellt einen Kriegssachschaden im Sinne der §§ 13 Abs. 3 LAG, 4 FG. dar.
Urteil des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf
vom 21. Mai 1959
Nach § 4 FG ist ein Kriegssachschaden im Sinne dieses Gesetzes ein Kriegssachschaden nach § 13 LAG, soweit es sich nicht um einen Schaden durch Verlust von Wohnraum oder durch Verlust der gewerblichen oder sonstigen Existenzgrundlage handelt. Nach § 13 Abs. 3 LAG gilt als Kriegssachschaden auch ein Schaden u. a. durch Wegnahme von Sachen auf Grund behördlicher Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen getroffen worden sind. In dieser Vorschrift wird nicht unterschieden, um welche Behörden - ob zivile oder militärische - und um welche Maßnahmen - insbesondere ob um rechtmäßige oder unrechtmäßige - es sich gehandelt hat. Bei der weiten Fassung des Gesetzes kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Erfassung des Schiffes der Klägerin durch die deutsche Kriegsmarine im Hafen von A. für das Unternehmen „Seelöwe" eine behördliche Maßnahme in diesem Sinne war. Diese Maßnahme ist im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen getroffen worden. Darunter sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts nur solche Maßnahmen zu verstehen, die mit bestimmten kriegerischen Einzelgeschehnissen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, also nicht die Inanspruchnahme von Wirtschaftsgütern nach dem Reichsleistungsgesetz, die der Behebung eines Mangels dienen soll, der seine Ursache in der gesamten kriegsbedingten Wirtschaftsentwicklung hat (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 1952 in der Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs Band 8 S. 189, Rundschau für den Lastenausgleich 1953 S. 117, Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 460 und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 1955 in Rundschau für den Lastenausgleich 1955 S. 281, Der Lastenausgleich 1955 S. 297, Zeitschrift für den Lastenausgleich 1955 S. 185, Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 1371, und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 1958 in Zeitschrift für den Lastenausgleich 1959 S. 137). Ein solches kriegerisches Ereignis war die im Spätsommer 1940 geplante und vorbereitete Landung der deutschen Wehrmacht in England, das so genannte Unternehmen „Seelöwe".
Zur Verwendung als Landungsboot bei diesem Unternehmen und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser von der Kriegsmarine durchgeführten Maßnahme wurde das Schiff der Klägerin am 26. Juli 1940 in „A" erfasst und ihr weggenommen. dass die Truppen dann nicht nach England übersetzten, das gesamte Unternehmen wieder aufgegeben und die Zusammenziehung der Landungsschiffe aufgelöst wurde, ist nicht entscheidend. Denn schon die Versammlung der Schiffe in den Häfen für die geplante Kanalüberquerung stellte ein kriegerisches Einzelgeschehnis dar. Im Übrigen müssen ganz allgemein solche geplanten militärischen Vorhaben als kriegerische Ereignisse angesehen werden, die über die Planung hinaus bereits tatsächliche Maßnahmen wie die Versammlung von Truppen und die Anhäufung von Material in Ausgangspositionen ausgelöst hatten. Denn diese tatsächlichen Maßnahmen sind kriegerische Ereignisse und Einzelgeschehnisse.
Diese Maßnahme hat auch zur Wegnahme des Schiffes geführt. Dabei ist es nicht entscheidend, ob sie durch den Gegner, die eigene Truppe oder die Verwaltung erfolgt ist (vgl. Kühne-Wolff, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz § 13 Anmerkung 9). Ebenso wenig steht der Anerkennung eines Kriegssachschadens der Umstand entgegen, dass die Wegnahme zunächst nur zur Inanspruchnahme, also zur Nutzung, erfolgt ist, wie aus dem Schreiben der Kriegsmarinedienststelle Rotterdam vom 8. März 1941 an die Klägerin hervorgeht. Auch wenn ein zur Nutzung in Anspruch genommener Gegenstand grundsätzlich zurückgegeben werden muss und deshalb im allgemeinen durch die Wegnahme „zur Nutzung" ein Kriegssachschaden im Sinne des LAG noch nicht entsteht, so schließt das doch nicht aus, dass auch durch die Wegnahme „zur Nutzung" tatsächlich eine endgültige Wegnahme erfolgen und damit der Verlust der Sache selbst eintreten kann (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1954 in Monatsschrift für Deutsches Recht 1954 S. 674). Liegt eine solche tatsächliche, endgültige, den Verlust der in Anspruch genommenen Gegenstände herbeiführende Wegnahme zeitlich vor dem 1. August 1945, so ist auch der Schaden vor diesem Zeitpunkt im Sinne des § 13 Abs. 3 LAG entstanden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1954 aa0). Auf welcher Rechtsgrundlage die Wegnahme des Schiffes beruht hat, kann als unerheblich dahingestellt bleiben. Die zeitweise Zahlung einer Entschädigung an die Klägerin bis zum 31. Juli 1941 ändert nichts daran, dass ihr das Schiff endgültig bereits am 26. Juli 1940 weggenommen worden ist. Denn sie hat niemals wieder den Besitz oder auch nur teilweise Verfügungsgewalt über das Schiff erlangt und hat - wie sie glaubwürdig vorgetragen hat - nur durch Zufall von ihrem Onkel erfahren, dass das Schiff in „B" gelegen hatte und zum Landungsboot umgebaut worden war.
Wie die Kammer bereits im Urteil vom 3. Juli 1958 (6 KI 1571/57) ausgesprochen hat, kommt es bei Schiffsschäden durch Beschlagnahme darauf an, wo dem Eigentümer die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit entzogen worden ist. So gelten auch nach Nr. 4 des Rundschreibens des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes betr. Zweifelsfragen bei der Auslegung der Vorschriften über die Kriegsschadenrente vom 3. September 1953 (Mitteilungsblatt des Bundesausgleichsamtes 1953 8.311) Kriegssachschäden an Schiffen, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) entstanden sind, stets als Kriegssachschäden im Sinne des LAG, ohne Rücksicht darauf, wo das Schiff in einem Schiffsregister eingetragen war und wo der Schiffseigentümer seinen ständigen Aufenthalt hatte.
Nach alledem stellt der der Klägerin durch die Wegnahme ihres Schiffes entstandene Verlust einen Kriegssachschaden im Sinne der §§ 13 Abs. 3 LAG, 4 FG dar. Er ist deshalb feststellungsfähig.