Rechtsprechungsdatenbank

59 P - 13/76 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 21.10.1976
Aktenzeichen: 59 P - 13/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
 
Urteil
 
vom 21. Oktober 1976

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 29. Oktober 1975 - 19 Cs (P) 497/74 -)

Die Berufungskammer hat erwogen:

I.

Die Berufung des Betroffenen gegen das seinen Verteidigern am 9.12.1975 und ihm selbst am 12.12.1975 zugestellte Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 29. Oktober 1975 ist form- und fristgerecht eingelegt. Zwar waren im Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Berufungsbegründung (9.1.1976) mehr als 4 Wochen seit Anmeldung der Berufung am 7.11.1975 verstrichen; jedoch erfolgte die Berufungsbegründung noch innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Urteilszustellung, wobei die zeitlich zuletzt erfolgte Zustellung an den Betroffenen am 12.12.1975 gemäß § 37 Abs. 2 der deutschen Strafprozessordnung für den Fristbeginn maßgebend ist. Die Berufungskammer erblickt deshalb in der Berufungsbegründung eine zulässige und gemäss Artikel 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte fristgerechte Wiederholung der bereits vor Zustellung eingereichten Berufungsanmeldung, mit der zugleich auch deren schriftliche Rechtfertigung erfolgte.

II.

Die Berufungskammer hat aufgrund der eigenen Angaben des Betroffenen, die er durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung vortragen ließ, sowie der Aussage des in erster Instanz als Zeugen gehörten Polizeihauptkommissar L. von der Wasserschutzpolizei Station Gernsheim folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am 11.9.1974 befand sich der Betroffene mit dem von ihm verantwortlich geführten, 655 tons großen Motorschiff "M" bei Rhein-km 464 auf der Bergfahrt, ohne dass sein Schiff entsprechend den Bemannungsvorschriften ordnungsgemäß besetzt war. Laut Schiffsattest sind für das Fahrzeug des Betroffenen ein Schiffsführer, ein Matrose und ein Schiffsjunge vorgeschrieben, wobei laut Eintragung im Schiffsattest auf MS "M" eine Frau als Matrose beschäftigt werden kann. An Bord befand sich außer dem Betroffenen als Schiffsführer dessen Ehefrau als Matrose und anstelle des vorgeschriebenen männlichen Schiffsjungen die 18jährige Tochter des Betroffenen, die seit 3.4.1974 nach Ablegung der entsprechenden Abschlussprüfung im Besitz eines Matrosen-(Bootsmann)-Briefes ist.

III.

In  Übereinstimmung  mit   dem  erstinstanzlichen Rheinschifffahrtsgericht   ist auch  die  Berufungskammer   der  Auffassung, dass   an   der   im   Schiffsattest   vorgeschriebenen  Mindestbesatzung   trotz  der  Anwesenheit   der  Tochter  des Betroffenen, die die Prüfung als Matrose abgelegt hat, ein Schiffsjunge fehlte und der Betroffenen somit der Bestimmung des § 1,08 RhSchPVO in Verbindung mit Artikel 37 der Untersuchungsordnung für Rheinschiffe und - flösse zuwidergehandelt hat, da nur ein Mitglied der Schiffsbesatzung durch eine Frau ersetzt werden darf. Der Betroffene ist daher zu recht gemäß § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt zu einer Geldbusse verurteilt worden.
Soweit der Betroffene in seiner Verteidigung die Frage aufwirft, ob die Vorschrift des Artikels 37 Ziff. 1 der Untersuchungsordnung für Rheinschiffe und flösse nicht gegen das deutsche Grundgesetz verstoße, da sie den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau verletzte, ist festzustellen, dass die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau bei der Besetzung von Binnenschiffen ausschließlich aus Gründen der allgemeinen Schiffssicherheit vorgenommen wurde. Somit würde der Gleichberechtigungsgrundsatz nicht verletzt, da für dieses Grundrecht Gewährleistungsgrenzen dann bestehen, wenn aus übergeordneten objektiven Sicherheitsinteressen verschiedene Behandlungen von Mann und Frau geboten sind.

Dass diese allgemeine Regelung im Einzelfall an Härten führen kann, muss in Kauf genommen werden und kann nur bei der Bemessung der Höhe der Geldbusse - wie dies von dem erstinstanzlichen Gericht in angemessener Weise bereits geschehen ist - Berücksichtigung finden.

Es war deshalb für Recht zu erkennen:

1. Die Berufung des Betroffenen wird zurückgewiesen und das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 29. Oktober 1975 bestätigt.

2. Die Kosten des Verfahrens, die gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom Rheinschifffahrtsgericht Mainz festzusetzen sind, fallen dem Betroffenen zur Last.
 
Der Gerichtskanzler:                                       Der Vorsitzende:

(gez.) Doerflinger                                           (gez.) L. Specht