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Berufungskammer
der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
531 Z – 3/23
vom 14. November 2023
auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz
vom 17. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen 76 C 3/22 BSchRh
In dem Rechtsstreit
hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 14. November 2023, an welcher teilgenommen haben die Richter DE BAETS (Vorsitzender), GÖBEL, DE SAVORNIN LOHMAN, WOEHRLING, LÖTSCHER und in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, Frau BRAAT, gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1868 in der Fassung vom 20.11.1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17.10.1979, folgendes Urteil gefällt:
Es wird Bezug genommen auf:
- das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 17. Januar 2023 – 76 C 3/22 BSchRh, das der Klägerin am 19. Januar 2023 und der Beklagten am 23. Januar 2023 zugestellt worden ist;
- die Berufungsschrift der Klägerin vom 23. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag;
- die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 6. Februar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag;
- die Berufungsschrift der Beklagten vom 26. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am 8. Februar 2023;
- die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 17. Februar 2023, eingegangen bei Gericht am 1. März 2023;
- die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 23. Februar 2023, eingegangen bei Gericht am 26. Februar 2023;
- die Berufungserwiderungsschrift der Klägerin vom 17. März 2023, eingegangen bei Gericht am 22. März 2023;
- die Akten 76 C 3/22 BSchRh des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz.
Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen.
TATBESTAND
Die Parteien streiten über Ersatzansprüche infolge einer Schiffskollision, die sich am 8. August 2021 gegen 3.00 Uhr auf dem Rhein bei Rheinkilometer 494 ereignet hat. Die Klägerin ist die Eignerin des MS „S“ und des Schubleichters (SL) „Si“. Die Beklagte ist die Ausrüsterin des MS „CP“. Am Unfalltag wurde der Schubleichter „Si“ vor Anker im Rhein abgelegt, während das MS „S“ zur Löschstelle der ADM in Mainz verholt wurde. Während der Schubleichter stillliegend vor Anker lag, wurde er von dem MS „CP“ bei einem Wendemanöver beschädigt. Die Schäden entstanden überwiegend an den Luken an der Steuerbordseite des Schubleichters. Über die Havarie wurde eine kontradiktorische Schadenstaxe mit Datum vom 9. November 2021 erstellt, die auf einer Besichtigung vom 10. August 2021 beruht. Die „mit den festgestellten Schäden in Verbindung stehenden Kosten“ insbesondere für die Erneuerung der Luken wurden auf einen Betrag von 38.147,25 € taxiert. Wörtlich heißt es in der Taxe vom 9. November 2021 weiter wie folgt:
„Chronologie:
Datum/Uhrzeit Ereignis
08.08.2021 ca. 03:00 Uhr Schadeneintritt an GSL „S“
04.10.2021 ca. 16:00 Uhr Fertigstellung der Luken sowie Aufsetzen dieser und Abfahrt zur Ladestelle“
Ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils zahlte die Beklagte am 31. August 2021 an die Klägerin einen Betrag von 43.214 € auf den Kaskoschaden.
Mit der Klage verlangt die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 82.114,20 € nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Sie hat vorgetragen:
Das MS „S“ mit dem Schubleichter „Si“ sei im Rahmen eines Festvertrages für den Transport von Sojabohnen von Rotterdam nach Mainz im Einsatz gewesen. Für den Transport sei eine GMP-Zertifizierung erforderlich. Das MS „S“ könne bauartbedingt nicht ohne Schubleichter fahren. Für den SL „Si“ sei in der kontradiktorischen Schadenstaxe eine Nutzungsverlustzeit entsprechend der Reparaturzeit vom 8. August 2021 bis zum 4. Oktober 2021 ohne Vorbehalt taxiert worden. Dies sei bindend. Sie, die Klägerin, habe nach dem Unfall erfolglos versucht, einen geeigneten Ersatzschubleichter mit GMP-Zertifizierung anzumieten. Sie benötige nach der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis vom 14. September 2020 für den Betrieb des Schleppverbandes des MS „S“ und des SL „Si“ eine aktive Bugsteuerung (Bugstrahlanlage) von mindestens 1.118 kW, davon mindestens 419 kW an der Spitze des Verbandes. Für den erforderlichen Zeitraum habe kein geeigneter Schubleichter zur Verfügung gestanden, so dass im Interesse der Schadensminderung das MS „S“ mit dem SL „Si“ für nicht GMP-zertifizierte, einfache Schüttgutladungen auf dem Spottmarkt eingesetzt worden sei. In der Zeit zwischen dem 7. August 2021 und dem 4. Oktober 2021 sei an 57 Tagen durch die eingeschränkte Nutzbarkeit jeweils ein Nutzungsverlust von täglich 1.440,60 €, insgesamt damit i.H.v. 82.114,20 € entstanden. Die Nutzung sei auch in der Zeit der Schließung des ADM-Terminals in Mainz vom 14. bis zum 26. September 2021 ununterbrochen möglich gewesen, so dass diese Zeit zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 82.114,20 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2022 zu zahlen und auszusprechen, dass die Beklagte unbeschränkt persönlich und zusätzlich dinglich mit einem am 8. August 2021 gegen 3.00 Uhr an MS „CP“ entstandenen Schiffsgläubigerrecht haftet,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 2.985,90 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung (3. Mai 2022) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Die Nutzungsverlustzeit sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ohne Vorbehalt taxiert worden. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass in der Zeit vom 14. September bis zum 26. September 2021 an der Umschlagstelle in Mainz keine Schiffe mit Sojabohnen hätten gelöscht werden können. Daher seien maximal 43 Tage als Nutzungsausfall zu berücksichtigen. Außerdem sei die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen. Die Reparatur habe erst am 15. September 2021 begonnen, da die Klägerin die Vorschussleistung abgewartet habe, bevor sie den Auftrag erteilt habe. Sie hätte zwecks Beschleunigung in Vorleistung treten können und müssen. Es habe des weiteren keine Notwendigkeit zur Anmietung eines Ersatzschubleichters mit der angefragten Leistung von mindestens 1.118 kW bestanden; Entsprechendes lasse sich der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis vom 14. September 2020 nicht entnehmen. Deshalb hätte ein einfacher Ersatzschubleichter mit Luken und ohne Bugstrahlruder ausgereicht, der problemlos und kostengünstig für ca. 300 € täglich hätte angemietet werden können.
Im Wege der Widerklage verlangt die Beklagte Erstattung der Differenz zwischen ihrer Zahlung von 43.214,00 € und der taxierten Schadenssumme von 38.147,25 € (5.066,75 €) nebst Zinsen. Insoweit sei die Klägerin ungerechtfertigt bereichert.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an sie 5.066,75 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2022 zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt habe und deshalb ein Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen sei.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat mit Urteil vom 17. Januar 2023 sowohl der Klage als auch der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch gemäß den §§ 3, 92, 92b BinSchG zu, wobei die Haftung dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig sei. Auch der Höhe nach könne die Klägerin die Klageforderung beanspruchen. Die Berechnung des entgangenen Gewinns sei für das Gericht aufgrund der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung nachvollziehbar und überzeugend. Aufgrund der kontradiktorischen Schadenstaxe vom 9. November 2021 sei von einer verringerten Nutzbarkeit des Schleppverbandes an 57 Tagen auszugehen. Die Bindungswirkung der Schadenstaxe sei nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Hierfür trage die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Dass in der Zeit vom 14. September bis zum 26. September 2021 das Umschlagsterminal nicht geöffnet gewesen sei, ändere entgegen der Auffassung der Beklagten am Gewinnentgang nichts. Die Klägerin habe nämlich substantiiert dargelegt, dass und wie sie diesen Zeitraum einplane, damit gerade kein Ausfall eintrete. Unerheblich sei auch der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin die Reparatur erst beauftragt habe, nachdem der Vorschuss eingegangen sei. Diese Vorschusszahlung habe die Klägerin im Hinblick auf die hohen Kosten abwarten dürfen. Dass sie lediglich Ersatzschubleichter mit einer Leistung des Bugstrahlruders von mindestens 1.118 kW angefragt habe, sei ihr nicht als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht anzulasten. Nach der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis dürfe der Schubverband lediglich mit einer Verbandsabmessung von max. 186,50 m x 11,45 m bei Wasserständen von 0,85 m bis HWM l = 4,60 m ohne diese Bedingung am Pegel Kaub fahren. Es könne dahinstehen, ob - so die Behauptung der Beklagten - in der geltend gemachten Zeit des Nutzungsausfalls ein solcher Pegelstand am Pegel Kaub gewährleistet gewesen sei. Über einen Zeitraum von zwei Monaten sei ein bestimmter Pegelstand nämlich an einer bestimmten Stelle nicht planbar. Der Schubverband habe mit einem Schubleichter ausgerüstet sein müssen, der auch bei einem wechselnden Pegelstand in Kaub die Auflagen der schifffahrtsrechtlichen Erlaubnis erfüllte.
Die Widerklage sei ebenfalls begründet. Die Beklagte könne gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB die Überzahlung von 5.066,75 € beanspruchen. Eine Anwendung von § 814 BGB sei ausgeschlossen, da die Zahlung am 31. August 2021 zwar nicht ausdrücklich als Vorschuss bezeichnet worden sei. Dies sei jedoch angesichts der bevorstehenden Reparatur und der noch ausstehenden Schadenstaxe zwischen den Parteien zumindest konkludent unstreitig gewesen.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und die jeweiligen Rechtsmittel form- und fristgerecht begründet.
Die Beklagte macht mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:
Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts sei bereits deshalb zu beanstanden, weil es einen Reparaturzeitraum vom 8. August 2021 bis zum 4. Oktober 2021 zugrunde gelegt habe, obwohl die Reparaturdauer tatsächlich nur den Zeitraum vom 15. September 2021 bis 4. Oktober 2021 umfasst habe. Entgegen der Auffassung in dem angegriffenen Urteil enthalte die kontradiktorische Schadenstaxe keinerlei Feststellungen zur „Reparaturzeit für die beschädigten Luken“, sondern lediglich eine Chronologie dazu, wann der Schadenseintritt erfolgt sei und wann die Luken fertiggestellt worden seien. Die hiernach erhebliche Verzögerung des Reparaturbeginns beruhe auf einem groben Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht, so dass der Zeitraum vom 8. August 2021 bis zum 15. September 2021 bei der Berechnung einer etwaigen Nutzungsverlustforderung nicht berücksichtigt werden dürfe. Entgegen dem üblichen Ablauf in Schifffahrtssachen habe die Klägerin den Reparaturauftrag nicht unmittelbar nach dem Schadensereignis erteilt. Die Reparaturfirma Blommaert habe sich am 23. August 2022 und damit 15 Tage nach dem Schadenfall bei dem für die Beklagte tätigen Schiffssachverständigen gemeldet und sich verwundert gezeigt, dass sie noch keinen Reparaturauftrag aufgrund ihres Angebots vom 16. August 2021 erhalten habe. Am 6. September 2021, also erst 29 Tage nach dem Schadensereignis, habe die Versicherungsmaklerin der Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass die Reparaturfirma die Lukendeckel erst nach Zahlung des Angebotsbetrages herstellen und liefern werde. Es sei um eine zeitnahe Abschlagszahlung gebeten worden. Diese Zahlung sei dann am 15. September 2022 und nicht schon am 31. August 2021 erfolgt, wie es in dem angegriffenen Urteil heiße, und zwar direkt an die Reparaturfirma Blommaert, nachdem an diesem Tag die auf den 31. August 2021 datierende Rechnung der Firma Blommaert bei ihr - der Beklagten - eingegangen sei.
Auch im Übrigen könne die Entscheidung des Amtsgerichts nicht überzeugen. Die Beklagte habe von Anfang an die Existenz eines von der Klägerin behaupteten Festvertrages bestritten, ebenso wie die Behauptung der Klägerin, dass eine GMP-Zertifizierung für die Sojabohnen-Transporte erforderlich gewesen sei. Da die Klägerin ihren Nutzungsverlust konkret berechne, hätte es ihr oblegen, sämtliche hierzu erforderlichen Nachweise und Belege vorzulegen. Die von ihr vorgelegte Zahlenaufstellung, aus der sie die angebliche Einnahmedifferenz herzuleiten versuche, sei unzureichend. Die Aufstellung sei von der Beklagten bestritten worden.
Unabhängig davon habe die Klägerin auch für den Zeitraum vom 15. September 2021 bis zum 4. Oktober 2021 in grober Weise gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Da das Motorschiff „S“ nicht beschädigt worden sei, hätte diesem während der Reparatur der Luken des Schubleichters ein gedeckter Ersatzschubleichter vorgespannt werden können, der für eine geringe Miete von ca. 300 bis 400 € pro Tag von der Klägerin hätte angemietet werden können. Die Behauptung der Klägerin, dass nach der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis eine Leistung des Bugstrahlruders von 1.118 kW hätte vorliegen müssen, sei nachweislich falsch. Diese Voraussetzungen gälten ausschließlich bei extremen Wasserständen unter 0,85 m und über 4,80 am Pegel Kaub. Während des gesamten hier in Betracht kommenden Zeitraums hätten jedoch zu keiner Zeit einer der beiden Extremwasserstände geherrscht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 17. Januar 2023 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und macht im Wesentlichen geltend:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die vorgelegte Schadenstaxe kontradiktorisch und damit bindend. Die Reparaturkosten würden festgestellt und entfalteten Bindungswirkung. Ein Vorbehalt sei in der Taxe nicht vermerkt. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liege nicht vor, da MS „S“ gemeinsam mit SL „Si“ konstruktiv eine speziell ausgelegte Einheit bilde und die Klägerin alles getan habe, um einen SL „Si“ gleich gebauten Schubleichter zu chartern, was objektiv nicht möglich gewesen sei. Nach der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis sei Bedingung für sämtliche Fahrten, dass sich insgesamt mindestens 1.118 kW aktive Bugsteuerung im Schubverband befänden.
Der weitere Vortrag der Beklagten zu den Umständen des Reparaturauftrages für die streitbefangenen Luken sei ihr bislang nicht bekannt gewesen, da ihr der erstinstanzliche Schriftsatz der Beklagten vom 22. August 2022 nicht zugegangen sei. Auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags liege ein Mitverschulden der Klägerin nicht vor. Unverzüglich nach der Havarie habe die Klägerin die Firma Blommaert, die als einzige in der Lage gewesen sei, die Luken wieder instandzusetzen, um ein Angebot gebeten, das am 16. August 2021 erteilt und noch am gleichen Tage durch die Klägerin durch Unterschrift angenommen worden sei. Das Angebot verweise auf die Zahlungsbedingungen, wonach 35 Prozent bei Auftrag und der Rest bei Lieferungsbereitschaft zu zahlen seien. Wegen Betriebsferien und extrem starker Auslastung der Firma Blommaert hätten die neuen Luken, deren Herstellung einen ganz erheblichen Zeitraum beanspruche, erst Mitte September fertiggestellt und zum Einbau vorgehalten werden können. Zwischen den Prozessparteien sei bereits im Rahmen der gemeinsamen Schadensbesichtigung abgesprochen worden, dass die Beklagte die erforderliche Zahlung zur Lieferung der Luken und Montage unmittelbar an die Werft leisten werde, da die Klägerin nicht über genügend Liquidität verfügt habe. Darauf habe der Versicherer des SV „S“ gegenüber der Firma Blommaert noch einmal hingewiesen und per Mail vom 9. September 2021 darum gebeten, die ursprünglich auf die Klägerin ausgestellte Rechnung auf die Beklagte auszustellen. So sei es auch gekommen. Die Beklagte habe die Rechnung ausgeglichen, nachdem diese auf die Beklagte umgeschrieben worden sei.
Mit ihrer eigenen Berufung verfolgt die Klägerin den Abweisungsantrag betreffend die Widerklage weiter. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die Beklagte in Kenntnis des Schadensumfanges und des Zustandes des Schiffes und der Luken auf die vorgelegte Reparaturrechnung ohne jeden ausdrücklichen Vorbehalt eine Zahlung unmittelbar an den Reparaturbetrieb geleistet habe. Ein Bereicherungsanspruch sei deshalb gemäß § 814 BGB ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 17. Januar 2023 die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Im Hinblick auf die bevorstehende Reparatur und der im Zeitpunkt der Zahlung noch ausstehenden kontradiktorischen Schadenstaxe sei noch nicht abzusehen gewesen, auf welchen Schadensbetrag sich die mit der Erstellung der kontradiktorischen Schadenstaxe beauftragten Schiffssachverständigen verbindlich einigen würden. Die Zahlung der Beklagten bis zur Vorlage der kontradiktorischen Schadenstaxe habe daher nur vorläufig als Vorschusszahlung erfolgen können. Maßgeblich für die Schadensabrechnung bleibe der in der Schadenstaxe als erstattungsfähig ermittelte Betrag.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Berufung der Beklagten sind zulässig. Erfolg hat aber nur die Berufung der Beklagten, während die Berufung der Klägerin zurückzuweisen ist.
I.
Die Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Rheinschifffahrtsgericht, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden, also der Klage stattgegeben worden ist.
1. Dass die Klägerin von der Beklagten, die als Ausrüsterin nach § 2 BinSchG Dritten gegenüber als Schiffseignerin angesehen wird, wegen der Schiffskollision am 8. August 2021 dem Grunde nach vollen Schadensersatz verlangen kann, folgt aus den §§ 3, 92, 92b BinSchG, § 823 Abs. 1 BGB und steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Stünde der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte und ihr von dem Rheinschifffahrtsgericht zugesprochene Betrag materiell-rechtlich zu, wäre sie gemäß § 102 Nr. 4, § 103 BinSchG auch Inhaberin eines entsprechenden Schiffsgläubigerrechts, das ebenfalls Gegenstand der Klage ist.
2. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts und unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz steht jedoch nicht fest, dass der Klägerin gemäß § 252 BGB ein Gewinn in Höhe der Klageforderung von 82.114,20 € entgangen ist. Der Sachverhalt bedarf weiterer Aufklärung.
a) Im Ausgangspunkt ist die Berechnung des Nutzungsausfalls durch die Klägerin nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Berufungskammer folgt, kann der Nutzungsausfall – jedenfalls auch - anhand des eigenen durchschnittlichen Einfuhrergebnisses abzüglich ersparter Kosten berechnet werden (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 715 Rn. 10).
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin und des ihr folgenden Rheinschifffahrtsgerichts kann der Berechnung des Nutzungsausfalls aber nicht ein Betrag i.H.v. 1.440,60 € pro Tag zugrunde legt werden, sondern nur in Höhe von 1.294,23 €.
aa) Bei der von der Klägerin gewählten Berechnungsmethode kommt es auf die Erträge jeweils drei Monate vor der Havarie und nach der Reparatur an (vgl. Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, BinSchiff 2018, Nr. 6, 72). Demgegenüber stellt die Klägerin auf den Vergleichszeitraum von Januar bis Juli 2021 und von Oktober bis Dezember 2021 ab. Zieht man – richtigerweise - die sich aus der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung ergebenden Zahlen für die Monate Mai bis Juli 2021 und von Oktober bis Dezember 2021 heran, errechnet sich ein Mittelwert der (gasölfreien) Umsatzerlöse von 2.345,57 € pro Tag (Reinerlös von 431.584,65 € ./. 186 Tage), nicht jedoch von 2.491,94 €, wovon die Klägerin ausgeht. Von dem Ausgangsbetrag von 2.345,57 € sind 1.051,34 € in Abzug zu bringen, da die Klägerin trotz der Beschädigung der Luken in den Monaten August und September 2021 in dieser Höhe (gasölfreie) Umsatzerlöse erzielt hat. Hieraus errechnet sich ein Umsatzverlust je Tag in Höhe von 1.294,23 € (2.345,57 € - 1.051,34 €). Personalkosten hat die Klägerin nicht erspart, weil sie das Schiff auch in den Monaten August und September 2021 mit entsprechendem Personal eingesetzt hat. Folgerichtig wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht, von dem geltend gemachten Gewinn müssten ersparte Personalkosten in Abzug gebracht werden.
bb) Die Berufungskammer kann von den in der betriebswirtschaftlichen Auswertung aufgeführten Umsatzerlösen trotz des Bestreitens der Beklagten ausgehen. Da es um eine Frage der Schadensentstehung bzw. der Schadenshöhe geht, gilt das reduzierte Beweismaß des § 287 ZPO, d.h., es kann nach freier Überzeugung entschieden werden. Dafür, dass die von dem Steuerberater der Klägerin erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung von unzutreffenden Werten ausgeht, liegen keine Anhaltspunkte vor und werden auch von der Beklagten nicht vorgetragen.
c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin für einen Zeitraum von 57 Tagen Nutzungsersatz verlangen kann. Auf die kontradiktorische Schadenstaxe vom 9. November 2021 kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen.
aa) Richtig ist, dass unter Berücksichtigung eines entsprechenden Schifffahrtsbrauchs kontradiktorische Schadenstaxen dahingehend auszulegen sind, dass durch die Taxe die Höhe der Reparaturkosten und die Dauer der Reparatur nach dem für die Taxierung maßgebenden Zeitpunkt endgültig festgelegt werden, soweit kein Vorbehalt gemacht ist (vgl. BGH, VersR 1965, 351; siehe auch Berufungskammer, Urteil vom 25. April 1997 – 335 Z – 3/97, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank iwt-law.eu (www.uni-mannheim.de/transportrecht/datenbanken/).
bb) Eine solche Bindung hinsichtlich der Reparaturtage setzt aber voraus, dass die Taxe (auch) im Hinblick auf die erforderlichen Reparaturtage eine entsprechende Aussage trifft. Dies ist hier nicht der Fall. In der Taxe werden nur die Schäden an dem Schubleichter, insbesondere der Luken, verbindlich festgelegt, und zwar auf einen Betrag von 38.147,25 €. Demgegenüber fehlt eine entsprechende Feststellung hinsichtlich der angemessenen Reparaturdauer. Vielmehr wird nach der Festlegung der Höhe des Kaskoschadens (lediglich) eine „Chronologie“ angefügt, in der in Form einer Beschreibung dargestellt wird, wann der Schaden eingetreten ist (8. August 2021) und wann die Luken fertiggestellt und aufgesetzt wurden (4. Oktober 2021). Dass der gesamte Zeitraum von 8. August 2021 bis zum 4. Oktober 2021 für eine fachgerechte Reparatur benötigt wurde, lässt sich der Taxe nicht entnehmen. Auch die Klägerin selbst will nicht etwa behaupten, dass bereits am Tag der Kollision die Reparatur begonnen wurde.
d) Auch ohne Berücksichtigung der kontradiktorischen Schadenstaxe steht aber aufgrund des unstreitigen Sachverhalts fest, dass die Klägerin wegen der Kollision den Schubleichter in der Zeit vom 8. August 2021 bis zur am 4. Oktober 2021 erfolgten Reparatur nicht nutzen konnte. Hätte sie während dieses gesamten Zeitraums einen intakten Schubleichter einsetzen können, wäre ihr für 57 Tage ein Gewinn in Höhe des oben genannten Betrages 1.294,23 € je Tag entgangen. Allerdings kann die Klägerin Nutzungsersatz nicht beanspruchen, soweit ihr eine solche Nutzung auch bei einem unbeschädigten Schubleichter nicht möglich gewesen wäre. Dies ist nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit der Schließung der Umschlagsstelle in Mainz in der Zeit vom 14. September bis zum 26. September 2021 (13 Tage) für einen Zeitraum von drei Tagen der Fall. Die Klägerin verweist insoweit darauf, dass der Rundlauf für sog. Pendelschiffe, die regelmäßig für ADM führen, je nach Wasserstand sieben bis zehn Tage betrage, so dass es durch die Schließung des ADM-Terminals zu Verzögerungen von „allenfalls“ drei Tagen komme. Auch wenn insoweit von einem Rundlauf von (höchstens) zehn Tagen ausgegangen wird, konnte der Schubleichter jedenfalls drei Tage nicht genutzt werden. Hieraus ergibt sich im Ausgangspunkt ein schlüssig vorgetragener erstattungsfähiger Zeitraum für die Nutzungsentschädigung von 54 Tagen (57 Tage abzüglich 3 Tage) und ein Nutzungsausfall von 69.888,42 € (54 x 1.294,23 €). Darüber hinaus hat die Beklagte aber den Vortrag der Klägerin zu dem Rundlauf insgesamt bestritten und geltend gemacht, der Klägerin sei während des gesamten Zeitraums der Schließung der Umschlagstelle in Mainz eine Nutzung nicht möglich gewesen. Die Klägerin hat für ihren Vortrag Beweis angetreten, den das Rheinschifffahrtsgericht hätte erheben müssen. Für das Entstehen des Nutzungsausfalls ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Auf die kontradiktorische Schadenstaxe, die das Rheinschifffahrtsgericht zur Begründung seiner abweichenden Auffassung zur Verteilung der Beweislast heranzieht, kann sich die Klägerin – wie ausgeführt – im Zusammenhang mit der Reparaturdauer nicht stützen. Insoweit ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif.
e) Mangels hinreichender Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts und unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug ist die Berufungskammer auch nicht zu einer abschließenden Entscheidung zu dem von der Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwand (§ 254 Abs. 2 BGB) in der Lage.
aa) Mit der Überlegung der Beklagten, die Klägerin habe es unterlassen, einen tauglichen Ersatzschubleichter zu einem günstigen Preis von 300 € bis 400 € anzumieten, lässt sich ein Mitverschulden allerdings nicht begründen. Anders als die Beklagte meint, kann die schifffahrtspolizeiliche Erlaubnis vom 14. September 2020 so verstanden werden und durfte von der Klägerin auch so verstanden werden, dass die Fahrt mit dem Schubverband generell nur gestattet ist, wenn mindestens 1.118 kW aktive Bugsteuerungen gegeben sind, wobei sich mindestens 419 kW an der Spitze des Verbandes befinden müssen. Nach der jedenfalls vertretbaren Auslegung der Klägerin gilt die in der Erlaubnis unter „1.“ formulierte Bedingung sowohl für die in dem vorangegangenen Text beschriebene Alternative a): „als Schubverband, mit einer Verbandsabmessung von max. 186,50 m x 11,45 m bei Wasserständen unter 0,85 m und über HWM I =4,60 m am Pegel Kaub“ als auch für die Alternative b): „als Schubverband, mit einer Verbandsabmessung von max. 186,50 m x 22,90 m bei Wasserständen von 0,85 m bis HWM I = 4,60 m am Pegel Kaub“. Unterschiede bestehen nach dieser Lesart nur insoweit, als der Schubverband bei mittlerem Wasserstand 22,90 m breit sein darf, bei Niedrigwasser (unter 0,85 m) oder Hochwasser (über 4,60 m) aber nur 11,45 m. Dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, einen Leichter mit einer entsprechenden Motorisierung anzumieten, wird von der Beklagten nicht behauptet. Auf die Verfügbarkeit der von ihr ins Feld geführten Schubleichter kommt es nicht an, weil diese nicht über die bei der von der Klägerin vorgenommenen Auslegung der schifffahrtspolizeilichen Erlaubnis erforderliche Motorisierung verfügen. Unerheblich ist damit auch, ob die Anmietung eines Ersatzschubleichters mit der GMP-Zertifizierung erforderlich und möglich gewesen wäre.
bb) Die Klägerin hätte aber grundsätzlich gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie die Reparatur nicht zeitnah in Auftrag gegeben hätte. Hiervon kann auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz, wonach sie unverzüglich ein Angebot bei der Fa. Blommaert eingeholt und deren Angebot vom 16. August 2021 noch am selben Tag angenommen habe, nicht ausgegangen werden. Mit diesem Vortrag ist die Klägerin nicht gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da ihr der erstinstanzliche Schriftsatz der Beklagten vom 22. August 2022, mit dem sie sich nunmehr auseinandersetzt, nicht übersandt worden war. Allerdings kann die Berufungskammer der Entscheidung nicht den Vortrag der Klägerin zugrunde legen, da der Beklagten zur Wahrung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden muss, zu dem neuen Vortrag der Klägerin Stellung zu nehmen.
cc) Ein Mitverschulden der Klägerin käme desweiteren in Betracht, wenn sich die Reparatur dadurch verzögert hätte, dass die Klägerin die in dem (von ihr angenommenen) Angebot der Fa. Blommaert vom 16. August 2021 geforderte Anzahlung von 35 Prozent nicht zeitnah erbracht hat. Hieran würde sich auch dann nichts ändern, wenn es entsprechend dem weiteren Vortrag der Klägerin eine Absprache gab, wonach die Beklagte die Reparaturkosten auf Anforderung zahlen sollte. Dass die Klägerin die Beklagte unmittelbar nach der Auftragserteilung am 16. August 2021 zu einer entsprechenden Zahlung an die Fa. Blommaert aufgefordert hat, behauptet sie nämlich nicht. Die Beklagte verweist auf eine – als solche unstreitige - E-Mail vom (erst) 6. September 2021, in der sich der Versicherungsmakler der Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um eine Abschlagszahlung gewandt habe. Die Rechnung vom 31. August 2021 sei erst am 15. September 2021 bei ihr eingegangen und noch am selben Tag bezahlt worden. Die Klägerin legt in ihrer Erwiderung hierzu lediglich ein E-Mail ihres Versicherungsmaklers vom 9. September 2021 vor, in der die Fa. Blommaert gebeten wird, die Rechnung auf die Beklagte auszustellen. Hätte es die von der Klägerin behauptete Absprache gegeben, hätte sie deutlich früher durch entsprechende Information der Beklagten bzw. der Fa. Blommaert dafür Sorge tragen müssen, dass die Anzahlung erbracht wurde, um der Reparatur Fortgang zu geben.
dd) Ein Mitverschulden der Klägerin im Zusammenhang mit der Erteilung des Reparaturauftrags würde allerdings ausscheiden, wenn es zuträfe, dass eine Reparatur im Hinblick auf die Betriebsferien der Fa. Blommaert sowie extremer Auslastung ohnehin erst Mitte September 2021 möglich gewesen wäre. In diesem Falle hätte sich ein Mitverschulden der Klägerin auf die Höhe des Schadens nicht ausgewirkt. Auch insoweit handelt es sich aber um neues zulässiges Vorbringen der Klägerin, zu der der Beklagten noch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss.
ee) Beweispflichtig für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Verstoßes der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht ist die Beklagte. Ihr obliegt es deshalb auch, den substantiierten Vortrag der Klägerin, mit dem sie sich gegen den Mitverschuldenseinwand verteidigt, zu widerlegen.
3. Wenn und soweit der Klägerin in der Hauptsache kein Anspruch zusteht, scheiden auch die Nebenforderungen aus, mit denen die Klägerin Zinsen und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt.
II.
Die Berufung der Klägerin, die sich gegen die Stattgabe der Widerklage richtet, ist unbegründet. Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der von der Beklagtenseite beglichenen Rechnung vom 31. August 2021 und den in der Schadenstaxe als erstattungsfähig angesehenen Reparaturkosten. Die Klägerin ist insoweit ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB), weil sie durch die Leistung der Beklagtenseite ohne rechtlichen Grund von einer Verbindlichkeit befreit worden ist. Die Beklagte ist für diesen Bereicherungsanspruch aktivlegitimiert. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte selbst die Zahlung erbracht hat oder ob die Kaskoversicherer gezahlt haben, wie die Klägerin mit der Berufung geltend macht. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Vereinbarung vom 1.8/4.8.2022 haben die Kaskoversicherer auf sie übergegangene Ansprüche an die Beklagte rückabgetreten. Aufgrund der - insoweit (s.o.) verbindlichen - kontradiktorischen Schadenstaxe steht fest, dass die Klägerin als Schadensersatz nur einen Betrag von 38.147,25 € beanspruchen kann. Ein Fall des § 814 BGB, wonach ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn der Leistende gewusst hat, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein, liegt nicht vor. Im Zeitpunkt der Zahlung am 15. September 2021 - von diesem Datum gehen die Parteien im Berufungsrechtszug übereinstimmend aus - lag die Schadenstaxe noch nicht vor. Von einer sicheren Kenntnis der Beklagtenseite, dass eine Forderung nicht in Höhe des in der Rechnung genannten Betrages vorlag, kann deshalb nicht ausgegangen werden. Aus der Sicht eines verständigen Empfängers konnte auch die Klägerin die Zahlung nicht als abschließende Zahlung bewerten. Der von dem Rheinschifffahrtsgericht zuerkannte Zinsanspruch findet seine Grundlage in §§ 280, 286 BGB.
III.
Entscheidungsreif ist die Sache hiernach nur im Hinblick auf die Berufung der Klägerin, die zurückzuweisen ist. Demgegenüber kann über die Berufung der Beklagten nicht abschließend entschieden werden, weil die Sache insoweit nicht entscheidungsreif ist. Ob die Klage in Höhe eines Betrages von maximal 69.888,42 € nebst Nebenforderungen begründet ist, hängt – wie ausgeführt - von weiteren Feststellungen ab. Die Berufungskammer macht insoweit von der ihr gemäß Art. 24 Abs. 3 der Verfahrensordnung eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache unter teilweiser Aufhebung des Urteils an das Rheinschifffahrtsgericht zurückzuverweisen.
IV.
Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Rheinschifffahrtsgericht - Mainz vom 17. Januar 2023 - 76 C 3/22 BschRh - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Rheinschifffahrtsgericht zurückverwiesen.