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516 Z - 4/18 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 04.06.2018
Aktenzeichen: 516 Z - 4/18
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

516 Z – 4/18

Urteil

vom 4. Juni 2018

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 14. Juni 2017 - 5 C 12/15 BSch -)

Im Rechtsstreit

hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 18. April 2018, an welcher teilgenommen haben die Richter Frau STAMM (Vorsitzende), die Herren BALL, DE BAETS, SPRENGER, WOEHRLING und in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, Frau BRAAT, gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1868 in der Fassung vom 20.11.1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17.10.1979, folgendes Urteil gefällt:

Es wird Bezug genommen auf:

1.      das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 14. Juni 2017, das der Klägerin und den Beklagten am 26. Juni 2017 zugestellt worden ist;

2.      die Berufungsschrift der Klägerin vom 28. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am 30. Juni 2017;

3.      die Berufungsbegründung der Klägerin vom 3. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 7. Juli 2017;

4.      die Berufungsschrift der Beklagten vom 24. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 26. Juli 2017;

5.      die Berufungsbegründung und Berufungsantwort der Beklagten vom 23. August 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag;

6.      die Berufungsantwort der Klägerin vom 29. September 2017, eingegangen bei Gericht am 2. Oktober 2017;

7.      die Akten 5 C 12/15 BSch des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort;

8.      die Verklarungsakten 25 II 1/15 BSch des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort.

Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche aufgrund einer Schiffskollision, die sich am 1. Januar 2015 gegen 4:15 Uhr bei Rheinkilometer 737,2 in der Ortslage Düsseldorf-Hamm zwischen dem MS „M“ und dem SV „M/M II“ ereignet hat.

MS „M“ ist 135 m lang, 15 m breit und mit zwei Hauptmaschinen zu je 1.119 kW und einem Bugstrahlruder mit 2x400 kW ausgestattet. Das Schiff befand sich mit 2.200 t Containerfracht beladen zur Unfallzeit mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h in der Talfahrt von Ludwigshafen nach Antwerpen. Verantwortlich geführt wurde es von Steuermann K M, der im Besitz des Großen Rheinpatents mit Radarpatent war.

SV „M/M II“ hat eine Gesamtlänge von 185,88 m und eine maximale Breite von 11,49 m. Das Motorschiff „M“ verfügt über zwei Hauptmaschinen zu je 1.118 kW und ein Bugstrahlruder zu 411 kW, der Schubleichter „M II“ über ein Bugstrahlruder mit 314 kW und ein Heckstrahlruder mit 441 kW. Der Schubverband war mit Containern im Gesamtgewicht von 880 t beladen. Er befuhr den Rhein zur Unfallzeit mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 km/h in der Bergfahrt von Amsterdam nach Germersheim. Verantwortlich geführt wurde der Verband von Schiffsführer A. D, dem Beklagten zu 2, der gleichfalls das Große Rheinpatent mit Radarpatent besaß.

Zur Unfallzeit herrschte dichter Nebel mit einer Sichtweite von weniger als 100 m. Beide Fahrzeuge sind mit einem Einmann-Radarsteuerstand ausgestattet und fuhren mit Radar.

MS „M“ wurde mit einem Overlay-Bildschirm navigiert, bei dem das Radarbild über die elektronische Stromkarte gelegt ist. Der Bildschirm war dezentriert auf eine Voraussicht von 1.200 m und eine Sicht nach hinten von 300 m eingestellt. Auf dem Bildschirm wurden die AIS-Signale der anderen Schiffe im Revier mit Schiffsnamen und gefahrener Geschwindigkeit angezeigt.

Das Radargerät des SV „M/M II“, dessen Antenne sich auf dem Vorschiff des Schubleichters befand, war dezentriert auf eine Voraussicht von 1.450 m und eine Sicht nach hinten von 500 m eingestellt. Auf einem zweiten Bildschirm im Steuerhaus lief Tresco mit AIS. Während der Fahrt kam es wiederholt zu Ausfällen des AIS-Geräts. Auch auf der Strecke zwischen der Hammer Brücke (Eisenbahnbrücke Neuss-Düsseldorf bei Rheinkilometer 738,2) und dem Havarieort bei Rheinkilometer 737,2 fiel das AIS-Gerät dergestalt aus, dass zwar andere Schiffe im Revier, nicht aber die eigene Position angezeigt wurden und auch keine Information über Name und Geschwindigkeit des SV „M/M II“ ausgesandt wurde. Dem entsprechend empfing MS „M“ während der Annäherung der Fahrzeuge kein AIS-Signal des SV „M/M II“.

Schiffsführer D erkannte über AIS Talfahrt, als der Schubverband sich etwa bei Rheinkilometer 740,2 befand; in Höhe der Eisenbahnbrücke Neuss-Düsseldorf bei Rheinkilometer 738,2 konnte er den Talfahrer als MS „M“ identifizieren. MS „M“ befand sich zu diesem Zeitpunkt bei Rheinkilometer 735,2. Oberhalb der Eisenbahnbrücke kam MS „M“ sodann auch auf dem Radarbildschirm des Schubverbands in Sicht.

Schiffsführer M führte das MS „M“ oberhalb der Südbrücke (Rheinkilometer 737,1) linksrheinisch zu Tal. In der Annäherung an die Südbrücke erkannte er auf dem Radarbildschirm ein Echo, das er mangels AIS-Signal für ein Fehlecho hielt. Vorsichtshalber richtete er gleichwohl seinen Kurs zum rechtsrheinischen Ufer. Unmittelbar unterhalb der Südbrücke bei Rheinkilometer 737,2 kam es im rechtsrheinischen Teil der Fahrrinne dergestalt zur Kollision der Fahrzeuge, dass MS „M“ mit dem Backbordvorschiff und SV „M/M II“ mit dem Steuerbordbug des Schubleichters in einem Winkel von etwa 30° zusammenstießen.

Durch den Aufprall wurden beide beteiligte Fahrzeuge erheblich beschädigt.

Die Klägerin, die das MS „M“ gegen die Gefahren der Schifffahrt versichert und die den Interessenten des MS „M“ entstandenen Schäden reguliert hat, nimmt aus übergegangenem und abgetretenem Recht die Beklagte zu 1 als Eignerin und den Beklagten zu 2 als verantwortlichen Schiffsführer des SV „M/M II“ auf vollen Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch, den sie mit insgesamt 410.149,27 € beziffert.

Sie hat vorgetragen:

Die Kollision sei von der Schiffsführung des SV „M/M II“ alleinschuldhaft verursacht worden. Der Schubverband sei wegen des nicht betriebsbereiten AIS-Geräts fahruntüchtig gewesen und hätte die Reise nicht antreten dürfen (Verstoß gegen § 4.07 RheinSchPV). Der Schubverband sei zwischen der Hammer Brücke und der Südbrücke zunächst linksrheinisch geführt worden; erst auf den letzten 200 m vor der Havarie habe Schiffsführer D den Kurs nach Backbord zum rechtsrheinischen Ufer geändert. Er sei genau in den Kurs des MS „M“ gefahren und habe so der Talfahrt unter Verstoß gegen § 6.04 Nr. 1 RheinSchPV keinen geeigneten Weg für die Begegnung freigelassen. Schiffsführer D habe ferner gegen § 6.32 Ziffer 2 Buchst. a RheinSchPV verstoßen, weil er keinerlei Funksprüche abgegeben habe.

Die Klägerin, die zunächst den Antrag angekündigt hatte, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 446.728,70 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen, hat nach teilweiser Klagerücknahme beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 410.149,27 € und vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 5.330,61 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21. Oktober 2015 zu zahlen, die Beklagte zu 1 zusätzlich dinglich haftend mit einem am 1. Januar 2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS „M“ und SL „M II“.

Die Beklagte haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

 

SV „M/M II“ sei mit gesetzter blauer Tafel und weißem Funkellicht zu Berg gefahren, um der Talfahrt Steuerbord an Steuerbord zu begegnen. Schiffsführer D habe bei Rheinkilometer 739,5 den Kurs nach rechtsrheinisch verlegt und sei in der Folge rechtsrheinisch zu Berg gefahren. Der Abstand zum rechtsrheinischen Ufer habe zunächst etwa 30 m betragen. Oberhalb der Eisenbahnbrücke habe Schiffsführer D den Abstand zum Ufer vergrößert, um den im rechtsrheinischen Fahrwasser stehenden Brückenpfeiler der Südbrücke mit einem Abstand von 30 m freizufahren. Bei dieser Fahrweise befinde sich ein Bergfahrer ein bis zwei Schiffslängen unterhalb der Südbrücke in der Mitte des Fahrwassers.

 

Die Abweichung zwischen elektronischer Karte und Radarbild sei so groß, dass SV „M/M II“ fälschlicherweise im linken Fahrwasser dargestellt worden sei, obwohl er sich nach der Hammer Brücke im rechten Fahrwasser befunden habe. Die Verschiebung habe Schiffsführer M von MS „M“ falsch gedeutet und bei seiner Navigation nicht ausreichend berücksichtigt.

Schiffsführer D habe das entgegen kommende MS „M“ dreimal – das erste Mal oberhalb der Hafeneinfahrt Neuss-Grimlinghausen, das zweite Mal bei der Eisenbahnbrücke (Rheinkilometer 738,2) und zuletzt kurz vor der Südbrücke bei Rheinkilometer 737,1 – über UKW-Kanal 10 angesprochen und jeweils eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert. Dass die im Verklarungsverfahren als Zeugen vernommenen Schiffsführer anderer Schiffe dies nicht gehört hätten, habe seinen Grund in der großen Entfernung von SV „M/M II“ gehabt.

Bei MS „M“ habe ein Ausrüstungsmangel vorgelegen, weil die Darstellungszentren der elektronischen Karte und der Radarantenne nicht übereingestimmt hätten. Die Anpassung der elektronischen Karte in Bezug auf „M“ in einer Entfernung von etwa 1.880 m in der Kurvenfahrt habe mit einer Abweichung von etwa 66 m und mit zeitlicher Verzögerung reagiert. Dies entspreche nicht den Anforderungen eines Inland ECDIS-Geräts im Navigationsmodus.

Zum Zeitpunkt der Kollision habe sich „M“ gestreckt im rechtsrheinischen Fahrwasser 80 bis 100 m aus dem rechten Ufer befunden.

Die Schiffsführung von MS „M“ treffe die alleinige Schuld an dem Unfall. Sie habe entgegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV ihren Kurs in einer Weise geändert, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeigeführt habe. MS „M“ habe durch die Kursänderung nach Steuerbord gegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen, weil es nicht die vom Bergfahrer gegebene Kursweisung Steuerbord an Steuerbord beachtet habe. Schiffsführer M habe ferner gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. b RheinSchPV verstoßen.

Die Beklagten seien nicht zum Ersatz der Kosten der von der Klägerin vorgenommenen Taxierung des Kaskoschadens an MS „M“ (9.000 €) und der Taxierung des Kaskoschadens an SV „M/M II“ (2.275 €) verpflichtet.

Da MS „M“ nach der kontradiktorischen Schadenstaxe am 16. Februar 2015 wieder ladebereit gewesen sei, könne die Klägerin Nutzungsausfall nur für 43 Tage (4. Januar bis 15. Februar 2015) ersetzt verlangen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat Beweis erhoben durch urkundliche Verwertungn der in dem Verklarungsverfahren des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 25 II 1/15 BSch - aufgenommenen Zeugenaussagen und Bekundungen der beteiligten Schiffsführer sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des nautischen Sachverständigen I A und dessen mündliche Erläuterungen.

Mit Urteil vom 14. Juni 2017 hat es der Klage in Höhe von 263.970,51 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz von zwei Dritteln des ihrer Rechtsvorgängerin durch den Unfall entstandenen Schadens, für den die Beklagte zu 1 gemäß §§ 92b, 3 BinSchG und der Beklagte zu 2 gemäß § 823 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit §§ 249 ff. BGB ersatzpflichtig seien. Zu einem Drittel müsse sie sich das Fehlverhalten des Schiffsführers M nach § 254 BGB zurechnen lassen.

Dieser Beurteilung lege das Gericht das Gutachten des nautischen Sachverständigen A in Verbindung mit den Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen M, R, K-G, B und H zugrunde. Der Sachverständige habe mit seinen schriftlichen Ausführungen und mündlichen Erläuterungen den ermittelten Verlauf der Annäherung an die Unfallstelle nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt und durch eine Bilddokumentation eindrücklich belegt. Hiernach sei SV "M/M II" ab der Hammer Brücke nicht beständig im rechtsrheinischen Teil der Fahrrinne, sondern ab Rheinkilometer 737,65 im linksrheinischen Drittel der Fahrrinne mit einem geringsten Abstand zum linksrheinischen Fahrrinnenrand von 36m geführt worden und habe den Kurs bei Rheinkilometer 737,52 - 400m unterhalb der Südbrücke und 300m unterhalb der späteren Kollissionsstelle - nach Backbord geändert.

Die Havarie sei zum überwiegenden Teil auf Verstöße des Beklagten zu 2, Schiffsführer D des SV "M/M II" zurückzuführen, der die gesteigerte Sorgfaltspflicht, die ihn bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter als Radarfahrer in der Bergfahrt getroffen habe, nicht beachtet habe.

Schiffsführer D habe gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. a in Verbindung mit § 1.04 RheinSchPV verstoßen, weil er es in der Radarfahrt zu Berg unterlassen habe, dem entgegenkommenden Fahrzeug über Sprechfunk Fahrzeugart, Namen, Fahrtrichtung und Standort mitzuteilen und die Vorbeifahrt mit ihm abzusprechen. Dies stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest. Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der unbeteiligten Zeugen R, K-Geltring und B habe die erste Funkdurchsage auf UKW-Kanal 10, die in dem zur Unfallzeit ruhigen Revier zu hören gewesen sei, gelautet „Hast Du mich nicht gesehen?“. Vorangegangene Funkdurchsagen wären, wenn sie erfolgt wären, von den Zeugen wahrgenommen worden. Dass dies aufgrund großer Entfernung nicht möglich gewesen sein sollte, sei auszuschließen. Der Zeuge K-G, der etwa 8 bis 9 km hinter MS „M“ zu Tal gefahren sei, habe die unmittelbar nach der Havarie erfolgte Funkdurchsage wahrgenommen. Daraus folge, dass der Zeuge R, der sich im Zeitpunkt der Havarie nur etwa 2,7 km hinter MS „M“ befunden habe, und der Zeuge B, der SV „M/M II“ in einer Entfernung von Luftlinie etwa 4 km gefolgt sei, die angeblich zuvor getätigten Funkdurchsagen gehört hätten, wenn solche erfolgt wären.

Die entgegenstehenden Angaben des Schiffsführers D im Verklarungsverfahren seien unglaubhaft. Sie stünden in Widerspruch zu seinen Angaben bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Dort habe er angegeben, aufgrund der Fahrweise der beteiligten Schiffe sei eine problemlose Begegnung Steuerbord an Steuerbord möglich gewesen; er habe MS „M“ nur einmal, nämlich erst kurz vor der Kollision angesprochen, als dieses seinen Kurs auf das rechtsrheinische Ufer hin geändert habe. Im Laufe des Verklarungsverfahrens habe Schiffsführer D sein Aussageverhalten geändert. Es sei davon auszugehen, dass er dies getan habe, weil er im Verlauf des Verfahrens gemerkt habe, dass er möglicherweise SV „M/M II“ doch nicht auf dem rechtsrheinischen Kurs zu Berg geführt habe, wie er geglaubt habe.

Eine Kursweisung sei Schiffsführer D problemlos möglich gewesen. Er habe MS „M“ bei Rheinkilometer 738,5 in 3.000 m Entfernung identifiziert und daher gewusst, dass demnächst eine Kursabsprache über UKW-Kanal 10 zu erfolgen hatte, weil die blaue Tafel mit Funkellicht, selbst wenn sie gesetzt gewesen sei, wegen des dichten Nebels für die Talfahrt nicht sichtbar gewesen sei.

Aus den von dem Sachverständigen A ausgewerteten Rohdaten der Navigationsanlagen beider Fahrzeuge gehe hervor, dass Schiffsführer D zu diesem Zeitpunkt in Höhe der Hammer Eisenbahnbrücke einen Kurs am rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne eingehalten, aber bei einem Abstand der Schiffe Bug zu Bug von 1.459 m mit einem Kurs auf die Mitte der Südbrücke gefahren sei, den er im Folgenden beibehalten habe. Dadurch habe er sich wegen der aus seiner Sicht nach rechts gekrümmten Fahrrinne trotz gleichbleibenden Kurses von 180° immer weiter dem linksrheinischen Fahrrinnenrand genähert. Dies scheine ihm wegen des unsichtigen Wetters und des Ausfalls der AIS-Anzeige seines Fahrzeugs nicht bewusst gewesen zu sein. Wie sich aus seinen Bekundungen im Verklarungsverfahren und der von ihm dort gefertigten Skizze ergebe, habe er irrtümlich gemeint, das Schiff im rechtsrheinischen Teil der Fahrrinne zu führen, lediglich mit einer Ken Kurskorrektur in Richtung Fahrrinnenmitte, um den Pfeiler der Südbrücke mit einem Abstand von 30 m zu passieren. Nach seiner Bekundung im Verklarungsverfahren habe er den Radarbildschirm verfolgt und gemeint, die Begegnung mit der Talfahrt werde problemlos Steuerbord an Steuerbord von statten gehen. Offenbar deswegen habe er eine Kursabsprache für überflüssig gehalten.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen A gehe hervor, dass Schiffsführer D wegen des Ausfalls seines AIS-Geräts nicht in der Lage gewesen sei, die Position seines Fahrzeugs in der Fahrrinne genau zu bestimmen. Die Orientierung in der Fahrrinne allein mit Radar sei nach dem Sachverständigengutachten sehr schwierig und erfordere eine ständige Auswertung des Abstands zum Ufer oder zur Kribbenlinie mit einem variablen Messring. Auf diese Weise sei es bei genauer Kenntnis des Verlaufs der Fahrrinne möglich, die Fahrt innerhalb der Fahrrinne präzise einzuschätzen.

Schiffsführer D habe keinerlei Angaben dazu gemacht, wie er seine Position in der Fahrrinne bestimmt habe. Das Gericht gehe davon aus, dass er lediglich gemeint habe, so zu fahren, wie er immer fahre, also möglichst weit rechtsrheinisch. Dies entspreche nach dem Sachverständigengutachten auch der Regel, weil eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord an dieser Stelle aus nautischer Sicht sinnvoll und üblich sei. Dass er sich auf Kollisionskurs zu MS „M“ befunden habe, scheine Schiffsführer D erst ab einer Entfernung Bug zu Bug von unter 300 m bemerkt zu haben. Ab 4:14:56 Uhr bis 4:15:20 Uhr sei der Kurs von SV „M/M II“ um 5° nach Backbord verändert worden.

Während der gesamten Annäherung der Schiffe hätte Schiffsführer D der Talfahrt eine Begegnungsweisung geben können; dadurch wäre die Kollision mit Sicherheit zu vermeiden gewesen. Die Begegnungsweisung hätte zunächst bei einem Abstand von 3 km auf Steuerbord an Steuerbord, in der weiteren Annäherung auf Backbord an Backbord lauten können, als der Abstand des SV „M/M II“ zum linksrheinischen Fahrrinnenrand 36 bis 37 m betragen habe und beide Fahrzeuge im linksrheinischen Drittel der Fahrrinne gefahren seien. Der Abstand Bug zu Bug habe zu diesem Zeitpunkt zwar nur noch etwa 834 m betragen, SV „M/M II“ habe sich aber bereits vollständig auf der Backbordseite der Vorauslinie von MS „M“ befunden. Auch jetzt wäre noch Zeit für eine Weisung für eine Begegnung Backbord an Backbord gewesen. Eine solche Begegnung wäre angesichts des ansonsten völlig freien Fahrwassers problemlos möglich gewesen und hätte die Kollision verhindert.

Schiffsführer D habe ferner gegen § 4.07 RheinSchPV verstoßen. Seit dem 1. Dezember 2014 müssten Fahrzeuge mit einem Inland AIS-Gerät nach § 7.06 Nr. 3 RheinSchPV ausgestattet sein, das sich in einem guten Betriebszustand befinde. Dies sei auf SV „M/M II“ nicht der Fall gewesen. Das GPS an Bord habe nur sporadisch funktioniert und sei wiederholt ausgefallen. Die Ausfälle hätten jeweils längere Zeit gedauert und seien auf dem Bildschirm durch diverse Anzeigen (Farbänderung der Datenanzeige für Kurs und Geschwindigkeit, „Hängenbleiben“ der Bewegungsanzeige des eigenen Schiffs, optischer Hinweis auf fehlende Positionsangaben des Responders) sichtbar gewesen. Das Gericht sei daher davon überzeugt, dass Schiffsführer D den Ausfall bemerkt habe. Der Ausfall des AIS-Geräts sei auch für den Unfall ursächlich gewesen. Schiffsführer M hätte SV „M/M II“ schon deutlich früher als Entgegenkommer identifiziert, wenn das Gerät ordnungsgemäß funktioniert hätte, und wäre nicht im Unklaren darüber gewesen, ob es sich bei dem auf dem Bildschirm wahrgenommenen Radarecho um ein Fehlecho gehandelt habe.

Schiffsführer D habe überdies eine ungeeignete Maßnahme des letzten Augenblicks ergriffen. Mit der Kursänderung nach Backbord auf den letzten 200 m vor der Kollision habe er SV „M/M II“ genau in den Kurs von MS „M“ geführt. Ob er kurz vor der Kollision aufgestoppt und die Maschine auf rückwärts gemacht habe, könne dahinstehen, weil diese Maßnahme so spät erfolgt sei, dass sie die Kollision nicht mehr habe verhindern können.

Schließlich habe Schiffsführer D dadurch, dass er seine Geschwindigkeit bis zuletzt nicht reduziert habe, auch gegen § 1.04 RheinSchPV verstoßen. Nach der Auswertung der Radardaten und der ECDIS-Daten durch den Sachverständigen A stehe fest, dass Schiffsführer D die Geschwindigkeit des Schubverbands von etwa 10 km/h nicht vermindert habe. Er hätte die Geschwindigkeit so weit reduzieren müssen, dass die Beweglichkeit des Schiffs erhalten geblieben und für ein Manöver des letzten Augenblicks genügend Fahrt im Schiff gewesen wäre. Dadurch hätte die Kollision zumindest geringere Schäden zur Folge gehabt.

Die Klägerin müsse sich jedoch ein erhebliches Mitverschulden des verantwortlichen Schiffsführers M des MS "M" anrechnen lassen. Dieser habe die ihn bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter als Radartalfahrer treffende gesteigerte Sorgfaltspflicht ebenfalls nicht beachtet und damit eine wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gesetzt.

Schiffsführer M habe gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. b in Verbindung mit § 1.04 RheinSchPV verstoßen. Danach habe in der Radarfahrt zu Tal ein Schiffsführer, der ein Fahrzeug auf dem Radarbildschirm bemerke, dessen Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen könne und das sich über Funk nicht gemeldet habe, über Sprechfunk auf die gefährliche Situation hinzuweisen und die Vorbeifahrt abzusprechen. Dies habe Schiffsführer M nicht getan.

Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass bereits um 4:12:08 Uhr – 192 Sekunden vor der Kollision und bei einem Abstand von 1.800 m – das Radarecho eines Entgegenkommers auf dem Radarschirm von MS „M“ deutlich erkennbar geworden sei. Es hätte demnach auch von Schiffsführer M bemerkt werden müssen. Aufgrund der ständigen Drehung von MS „M“ nach Steuerbord sei zu diesem Zeitpunkt die Anpassung der elektronischen Karte an das Radarbild nicht optimal gewesen, so dass die Position des Entgegenkommers in der Fahrrinne nicht eindeutig habe bestimmt werden können. Dieser Entgegenkommer, bei dem es sich um SV „M/M II“ gehandelt habe, sei wegen des Ausfalls seines AIS-Geräts nicht mit Namen ansprechbar gewesen und habe auch über AIS nicht gesichtet werden können. Allerdings habe Schiffsführer M im Verklarungsverfahren bekundet, dass er bei einer Entfernung von 1.400 m auf dem Overlaybildschirm ein Echo bemerkt habe. Das Gericht gehe nicht davon aus, dass er dieses Echo über längere Zeit für ein Fehlecho gehalten habe. Zum einen habe der Sachverständige A ausgeführt, dass bei ständiger Beobachtung und Auswertung des Radarbilds habe bestimmt werden können, dass es sich um einen Entgegenkommer gehandelt habe. Zu einer solchen besonders sorgfältigen Auswertung sei Schiffsführer M bei der Radarfahrt im dichten Nebel ohnehin verpflichtet gewesen. Zum anderen habe Schiffsführer M im Verklarungsverfahren selbst bekundet, er habe eine Funkansprache unterlassen, weil er angenommen habe, dass der andere sich vielleicht gleichzeitig melden und es zu einem Durcheinander kommen werde. Gerade wegen dieser unklaren Situation hätte Schiffsführer M aber diesen Entgegenkommer über Funk ansprechen und die Vorbeifahrt absprechen müssen. Letzte Zweifel, ob es sich um ein Fehlecho oder um einen Entgegenkommer gehandelt habe, hätten so unproblematisch und zu einem Zeitpunkt ausgeräumt werden können, in dem die Kollision noch hätte verhindert werden können.

Schiffsführer M sei des Weiteren ein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 RheinSchPV vorzuwerfen, weil er seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Nach der Auswertung der Radar- und der ECDIS-Daten durch den Sachverständigen A stehe fest, dass Schiffsführer M bis zum Zeitpunkt der Havarie die Geschwindigkeit von etwa 20 km/h beibehalten habe, obwohl ein Radarecho eines Entgegenkommers deutlich auf dem Radarbildschirm erkennbar gewesen sei. Als Talfahrer hätte er seine Geschwindigkeit so weit reduzieren müssen, dass er falls erforderlich Bug zu Tal hätte anhalten können. Hierdurch wäre die Kollision zumindest in dieser Schwere zu vermeiden gewesen.

Durch die Kursänderung von linksrheinisch nach rechtsrheinisch habe Schiffsführer M hingegen nicht gegen § 6.03 RheinSchPV verstoßen. Die Beklagten hätten ihre Behauptung nicht bewiesen, dass die Schiffe vor der Kollision Kurse gefahren seien, die jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausgeschlossen hätten, nämlich MS „M“ linksrheinisch und SV „M/M II“ rechtsrheinisch. Nach der ausführlichen Auswertung der Radardaten durch den Sachverständigen stehe fest, dass SV „M/M II“ sich zwar an der Hammer Eisenbahnbrücke in der Nähe des rechtsrheinischen Ufers und im rechten Drittel der Fahrrinne befunden habe, im weiteren Verlauf aber in das linksrheinische Drittel der Fahrrinne gewechselt sei. Ab 4:13:08 bei einem Abstand Bug zu Bug von etwa 1.210 m hätten sich beide Schiffe im linksrheinischen Drittel der Fahrrinne befunden, so dass die Gefahr eines Zusammenstoßes bestanden habe. Die Kursänderung von MS „M“ sei erfolgt, um SV „M/M II“ auszuweichen; sie sei nämlich erfolgt unmittelbar nachdem die Kurslinie von MS „M“ im Radargerät auf das Radarecho des Entgegenkommers gezeigt habe. Auf diese Weise wäre eine Begegnung Backbord an Backbord gelungen, wenn nicht SV „M/M II“ kurze Zeit später ebenfalls eine Kursänderung in Richtung auf das rechtsrheinische Ufer vorgenommen hätte. Nach dem mündlich erläuterten Gutachten habe sich SV „M/M II“ bereits ab 4:13:54 Uhr bei einem Abstand Bug zu Bug von 834 m insgesamt auf der Backbordseite der Vorauslinie des MS „M“ befunden. Aufgrund des weiteren Kursverlaufs des MS „M“ zum rechtsrheinischen Ufer sei zwischen 4:14:09 Uhr und 4:14:51 Uhr (Entfernung Bug zu Bug 280 m) ein etwa 70 m breiter Korridor zwischen der Vorauslinie von MS „M“ und einer gedachten Seitenlinie auf dessen Backbordseite frei gewesen. Erst ab 4:14:51 Uhr habe auch SV „M/M II“ den Kurs nach rechtsrheinisch in den Kurs von MS „M“ hinein geändert, so dass es um 4:15:24 Uhr in einer Entfernung von 50 m zum rechtrheinischen Fahrrinnenrand zur Kollision der Schiffe in einem Winkel von etwa 30° gekommen sei.

Schiffsführer M habe auch nicht durch Missachtung einer Kursweisung der Bergfahrt gegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass Schiffsführer D über UKW-Kanal 10 keine Kursweisung ausgesprochen habe. Ob er mit blauer Tafel und Funkellicht zu Berg gefahren sei und auf diese Weise den Kurs für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gewiesen habe, könne dahinstehen, weil eine solche Kursweisung wegen des dichten Nebels nicht erkennbar gewesen sei.

Das von Schiffsführer M verwendete Inland ECDIS-Gerät, das im Navigationsmodus betrieben worden sei, habe keinen Ausrüstungsmangel aufgewiesen. Der Grenzwert von +/- 3° für die dynamische Abweichung der Kartenorientierung bei Drehgeschwindigkeiten von weniger als +/- 60°/min sei ausweislich des Sachverständigengutachtens eigehalten worden.

Der entstandene Schaden sei somit auf das Verschulden beider Fahrzeuge zurückzuführen. Die Haftungsverteilung richte sich gemäß §92c BinSchG nach der Schwere des beiderseitigen Verschuldens. Bei umfassender Würdigung aller festgestellten Umstände überwiege das Verschulden des Bergfahrers. Die Kollisionsgefahr sei erst dadurch entstanden, dass er entgegen §6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV und in Kenntnis der Tatsache, dass er für andere Schiffe nicht im Inland ECDIS zu orten gewesen sei, keine Kursweisung erteilt und seinen Kurs im Verlauf der Annäherung von rechtsrheinisch nach linksrheinisch und wieder zurück verlegt habe. Dieses Verschulden sei doppelt so schwer zu werten wie das Verschulden des Talfahrers wegen ebenfalls unterbliebener Kursabsprache und mangelnder Reduzierung der Geschwindigkeit. Die Haftung sei daher im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel zu Lasten des Bergfahrers "M" zu verteilen.

Von dem geltend gemachten Kaskoschaden seien die Kosten für die Taxierung von „M“ (9.000 €) und „M“ (2.275 €) abzusetzen. Der Schiffseignerin M B.V. sei insoweit kein Schaden entstanden, weil die Klägerin die Begutachtung im Rahmen des Versicherungsverhältnisses erbracht und Eigenrechnungen erstellt habe. Nutzungsausfall sei für 43 Tage in Höhe von 100.396,40 € zu ersetzen.

Bei einem hiernach zu berücksichtigenden Gesamtschaden von 395.955,77€ seien der Klägerin mithin 263.970,51€ und 4.259,60€ vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, zuzusprechen und die weitergehende Klage abzuweisen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und ihre Rechtsmittel jeweils form- und fristgerecht begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Schiffsführers M und beanstandet ferner die Absetzung der Expertenkosten und die fehlende Feststellung der dinglichen Haftung.

Die Beklagten erstreben mit dem Rechtsmittel eine Reduzierung ihrer Verurteilung auf einen Betrag von 98.988,94 € und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 2.706,66 €, jeweils nebst Zinsen.

Die Klägerin trägt unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor:

Die Schwere der zahlreichen Rechtsverstöße des Schiffsführers des SV „M/M II“ und die Tatsache, dass der Kurswechsel auf den letzten 200 m völlig unerklärlich und überraschend gekommen sei, verböten es, ein Mitverschulden des Talfahrers anzunehmen. Das Rheinschifffahrtsgericht habe auch verkannt, dass Schiffsführer M von MS „M“ aus gutem Grund habe annehmen dürfen, allein auf dem Rhein zu sein, und er mit seinem Übergang nach rechtsrheinisch angesichts des Fehlechos auf dem Radar richtig gehandelt habe. Da SV „M/M II“ während der gesamten Annäherung an die Unfallstelle kein AIS-Signal ausgesendet habe und deshalb auf dem Navigationssystem unsichtbar gewesen sei, habe Schiffsführer M das wechselnde Radarecho zu Recht für ein Fehlecho gehalten, wie es zwischen Brücken häufig auftrete. Von einer bevorstehenden Begegnung mit einem Bergfahrer habe Schiffsführer M auch deswegen nicht ausgehen müssen, weil ein solcher mit seinem AIS-Signal sichtbar gewesen wäre und zudem gemäß § 6.04, § 6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV über Funk den Kurs für die Begegnung hätte weisen müssen. Die Tatsache, dass beides nicht geschehen sei, habe in Schiffsführer M zu Recht die Gewissheit hervorgerufen, dass es sich bei dem grünen Fleck auf dem Radarbildschirm nicht um ein Schiff habe handeln können. Der Übergang nach rechtsrheinisch sei nautisch richtig gewesen und hätte die Kollision verhindert, wenn SV „M/M II“ linksrheinisch geblieben wäre, statt auf den letzten 200 m nach rechtsrheinisch zu wechseln. Hätte es sich bei dem grünen Fleck wider Erwarten um ein Schiff gehandelt, so hätte eine Kursweisung für eine Begegnung Backbord an Backbord bestanden, weil dieses eindeutig linksrheinisch gefahren sei, die blaue Tafel nicht gezeigt und dies auch nicht über UKW-Kanal 10 angesagt habe. Für einen Schiffsführer habe keine Veranlassung bestanden anzunehmen, dass ein Bergfahrer im Revier sei, der entgegen seiner eigenen Weisung von linksrheinisch nach rechtsrheinisch wechsele. Schiffsführer M sei am geographisch rechten Ufer daher auf der sicheren Seite gewesen. Damit, dass der „Gegenstand“ auf den letzten 100 m zur Havariestelle vom geographisch linken zum geographisch rechten Ufer genau in den Fahrweg der Talfahrt wechsele, müsse niemand rechnen.

Selbst wenn man davon ausginge, dass es besser gewesen wäre, wenn Schiffsführer M sich über Funk gemeldet hätte, sei außerordentlich zweifelhaft, ob eine solche Funkmeldung zu einem anderen Kurs des SV „M/M II“ geführt hätte. SV „M/M II“ habe ja gewusst, dass ein Schiff entgegengekommen sei, und dennoch von linksrheinisch nach rechtsrheinisch gewechselt. SV „M/M II“ könne nicht beweisen, dass ein Funkspruch das irrationale Manöver des orientierungslosen Schiffsführers D und damit die Havarie verhindert hätte. Davon abgesehen wäre das Unterlassen einer Funkmeldung des Talfahrers in der beschriebenen Situation allenfalls am untersten Rand leichter Fahrlässigkeit anzusiedeln. Angesichts der zahlreichen und schwersten Verstöße der Schiffsführung und des Ausrüsters des SV „M/M II“, die den Vorwurf der Leichtfertigkeit, mindestens grober Fahrlässigkeit begründeten, wäre ein solches minimales Mitverschulden zu vernachlässigen.

Die von der Klägerin geltend gemachten Expertenkosten habe das Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht abgesetzt. Nach ständiger Praxis aller Schifffahrts- und Rheinschifffahrtsgerichte seien die Kosten einer kontradiktorischen Schadenstaxe zu erstatten, weil sie nicht der Schadensregulierung im Versicherungsverhältnis, sondern dem Regress dienten. Entgegen der Annahme des Rheinschifffahrtsgerichts handele es sich nicht um Eigenkosten des Versicherers (der Klägerin). Das Expertenunternehmen sei als dessen Tochterunternehmen eine eigenständige Rechtsperson. Es habe dementsprechend dem Versicherer eine Rechnung gestellt, die auch bezahlt worden sei.

Neben der persönlichen gesamtschuldnerischen Haftung beider Beklagter sei die dingliche Haftung laut Klageantrag festzustellen. Durch die Havarie sei gemäß § 102 Nr. 4 BinSchG ein Schiffsgläubigerrecht entstanden, das neben der persönlichen Haftung des Schiffseigners und des Schiffsführers in dem der Klage stattgebenden Urteil zu tenorieren sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 14. Juni 2017 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 410.149,27 € und vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 5.330,61 €, jeweils neben Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21. Oktober 2015 zu zahlen, die Beklagte zu 1 zusätzlich dinglich haftend mit einem am 1. Januar 2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS „M“ und SL „M II“.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Klägerin mehr als 98.988,94 € sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von mehr als 2.706,66 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21. Oktober 2015 zu zahlen, wobei die Beklagte zu 1 zusätzlich dinglich haftet mit einem am 1. Januar 2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS „M“ und SL „M II".

Sie wenden sich gegen die Beweiswürdigung des Rheinschiffahrtsgerichts und tragen unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor:

Die schon in erster Instanz geäußerte Kritik an dem Gutachten des Sachverständigen A werde aufrechterhalten. Der Sachverständige habe aus den Radarbildern beginnend mit den Abbildungen 18 und 19 des Gutachtens die Positionen des SV "M/M II" in den Abbildungen 24 und 25 der Kartengrafik ungenau übertragen, wodurch die Positionen des SV "M/M II" zu weit weg vom rechtsrheinischen Ufer in Richtung Fahrwaassermitte verschoben werde, obwohl SV "M/M II" auf dem Radarbild viel näher am rechtsrheinschen Ufer fahre. Der Fehler liege in einer Größenordnung von knapp 50 m (Beweis: Sachverständigengutachten). Wegen diesr falschen Positionierung des Schubverbands verschöben sich bei den nachfolgenden Abbildungen die Positionen des SV "M/M II" im Fahrwasser zu sehr nach linksrheinisch, obwohl der Verband zunächst im rechtsrheinischen Teil des Fahrwassers und später in dessen Mitte fahre und einen Kurs rechts von der Mitte der Südbrücke anhalte. Auch der Ort der Kollision werde dadurch zu weit in die Mitte des Fahrwassers verschoben. Durch diesen Fehler komme der Sachverständige zu dem unzutreffenden Ergebnis, dass der Schubverband nach dem Passieren der Eisenbahnbrücke und in der Annäherung an die Südbrücke nicht mehr im rechtsrheinischen Teil des Fahrwassers und später über dessen Mitte hinaus mehr im linksrhenischen Teil des Fahrwassers geführt worden sei (Beweis: Sachverständigengutachten).

Das Rheinschifffahrtsgericht habe zu Unrecht angenommen, Schiffsführer D habe sich entgegen § 6.32 RheinSchPV als Bergfahrer bei unsichtigem Wetter nicht über Funk gemeldet. Tatsächlich sei dies dreimal geschehen, wobei jeweils eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert worden sei. Die gegenteilige Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts sei falsch. Die Aussagen der Zeugen R, K-G und B seien unergiebig, weil die Zeugen sich außer Reichweite des UKW-Funks aufgehalten hätten. Den Angaben des Schiffsführers D zum Funkverkehr habe das Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht keinen Glauben geschenkt. Dessen Bekundung gegenüber dem Polizeibeamten Dunz, er habe den Talfahrer nicht angesprochen, bedeute nicht, dass keine Funkdurchsagen erfolgt seien; sie sei vielmehr dahin gemeint gewesen, dass er bei den ersten beiden Funkdurchsagen MS „M“ nicht namentlich angesprochen habe.

Die damit bewiesene Kursweisung für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord habe Schiffsführer M missachtet und dadurch gegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen. Das Rheinschifffahrtsgericht habe auch zu Unrecht angenommen, Schiffsführer M habe nicht unter Verstoß gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV eine gefährliche Kursänderung vorgenommen, weil die Schiffe vor der Kollision keine gefahrlosen Kurse gefahren seien, die eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord ermöglicht hätten. Diese Begründung sei schon im Ausganspunkt falsch, denn nach § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV sei bei unsichtigem Wetter nicht Backbord an Backbord zu begegnen, sondern notfalls anzuhalten. Im Übrigen sei SV „M/M II“ seit geraumer Zeit mit blauer Tafel und Funkellicht zu Berg gefahren und habe über Funk die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord gegeben.

Bei der gebotenen Korrektur der eingezeichneten Schiffspositionen um jeweils 50 m nach rechtsrheinisch sei SV „M/M II“ bei Rheinkilometer 737,750 mit einem Abstand von 103 m zum linksrheinischen Fahrrinnenrand gefahren. Bei Rheinkilometer 737,654 habe dieser Abstand 86 m betragen. 315 m unterhalb der Südbrücke habe der Abstand zwischen der Steuerbordseite des SV „M/M II“ und dem linksrheinischen Fahrrinnenrand 100 m betragen. Damit habe ausreichend Raum für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord bestanden. MS „M“ sei zu dieser Zeit 44 m vor der Brücke mit einem Abstand zum linksrheinischen Fahrrinnenrand von etwa 50 m gefahren, so dass bei einer nur geringfügigen Kurskorrektur des Talfahrers nach Backbord eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord möglich gewesen wäre. Aus der weiteren Darstellung der Annäherung der Fahrzeuge ergebe sich deutlich, dass das zu Tal fahrende MS „M“ wegen seiner hohen und zu lange beibehaltenen Wendegeschwindigkeit nach Steuerbord und einer zu späten Kursänderung nach Backbord in einen gestreckten Kurs die Kollisionsgefahr herbeigeführt habe. Ganz offensichtlich sei MS „M“ nicht aufmerksam gefahren und habe die für die Rechtskurve notwendige Wendegeschwindigkeit nicht rechtzeitig reduziert.

Der Sachverständige habe darauf hingewiesen, dass in diesem Streckenabschnitt eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord aus nautischer Sicht sinnvoll und üblich sei. Das Rheinschifffahrtsgericht habe bei seiner Beurteilung verkannt, dass der Schubverband diesen Kurs immer gefahren sei und an seiner Steuerbordseite zum linksrheinischen Rand der Fahrrinne immer genug Platz für die gewiesene und aus nautischer Sicht sinnvolle und übliche Begegnung gelassen habe, selbst wenn man die Korrekturen der Lage des Schubverbands im Fahrwasser unberücksichtigt lasse.

Verfehlt sei es auch, wenn das Rheinschifffahrtsgericht die Kursänderung des MS „M“ nach Steuerbord ins rechtsrheinische Fahrwasser damit erkläre, MS „M“ habe SV „M/M II“ ausweichen wollen. Schiffsführer M habe dazu im Verklarungsverfahren erklärt, er habe „M“ nicht gesehen. Seine Fahrweise erkläre sich nur so, dass der anscheinend schläfrige, jedenfalls völlig unaufmerksame Schiffsführer M die Wendegeschwindigkeit nach Steuerbord für die Rechtskurve zu lange beibehalten habe.

Die Beklagten ließen sich wegen des gelegentlichen Aussetzens des AIS des SV „M/M II“ ein Mitverschulden des Beklagten zu 2 in Höhe von 25 % anrechnen. Diesen Mangel hätte der Beklagte zu 2 auf der Fahrt von der Eisenbahnbrücke zur Südbrücke durch zusätzliche Funkdurchsagen mit Standort und erneuter Kursweisung kompensieren sollen, was nicht geschehen sei. Dieses Versäumnis wiege aber nicht so schwer, weil SV „M/M II“ im Radar in großer Entfernung einwandfrei zu erkennen gewesen sei und Radar Vorrang vor AIS habe, worauf der Sachverständige zutreffend hingewiesen habe.

Ein Mitverschulden der Beklagten komme auch deshalb in Betracht, weil der Beklagte zu 2 ohne Funkabsprache mit dem Talfahrer entsprechend § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV einen langen Ton hätte abgeben und so oft wie notwendig hätte wiederholen und schließlich seine Geschwindigkeit vermindern und notfalls anhalten sollen. Weitere Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2 gebe es nicht.

Demgegenüber wiege das Verschulden des Schiffsführers M von MS „M“ dreimal schwerer. Er hätte nach den Feststellungen des Sachverständigen A den Schubverband schon auf eine Entfernung von 1.800 m auch ohne AIS auf dem Radar sehen müssen und sich wegen des unsichtigen Wetters nach § 6.32 Nr. 2 Buchst. b RheinSchPV über Funk wegen der Begegnung melden und diese absprechen müssen. Dazu verpflichte das Gesetz den Talfahrer in gleicher Weise wie den Bergfahrer.

Auch hätte Schiffsführer M – ebenso wie Schiffsführer D – ohne Zustandekommen einer Funkabsprache mit dem Bergfahrer nach § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV einen langen Ton abgeben und so oft wie notwendig wiederholen und schließlich seine Geschwindigkeit vermindern und notfalls anhalten müssen.

Schließlich hätte Schiffsführer M von MS „M“ nicht kurz vor der Südbrücke mit einer abrupten Kursänderung nach Steuerbord vom linken ins rechte Fahrwasser auf Kollisionskurs wechseln dürfen, wo es doch eine Kursweisung für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gegeben habe und aufgrund der vorherigen Fahrweise des Schubverbands ersichtlich eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord jederzeit möglich und dies die übliche Begegnung gewesen sei. Durch diese Kursänderung von MS „M“ sei erst die Gefahr eines Zusammenstoßes mit SV „M/M II“ herbeigeführt worden, der im üblichen Bergweg und wegen des unsichtigen Wetters etwas breiter gefahren sei.

In Höhe der von der Klägerin beanspruchten Taxierungskosten habe das Rheinschifffahrtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Schiffseignerin M B. V. insoweit kein Schaden entstanden sei. Die Klägerin habe die Begutachtung im Rahmen ihres Versicherungsverhältnisses von ihrer Tochtergesellschaft erstellen lassen. Deshalb seien die Rechnungen auch auf die Klägerin als Auftraggeberin ausgestellt. Auch der Versicherer des SV „M/M II“ verlange die Kosten der eigenen Experten nicht ersetzt. Entgegen der Darstellung der Klägerin sei es nicht ständige Praxis der Schifffahrtsgerichte, die Kosten der Schadensfeststellung ersetzt zu verlangen. Ersetzt verlangt würden nur die Kosten der Experten, die als selbständige und freiberufliche Sachverständige und nicht ausschließlich für die Versicherung tätig seien. Das sei bei den Experten der Tochtergesellschaft der Klägerin nicht der Fall, die zudem nicht im Auftrag des geschädigten Schiffseigentümers, sondern im Auftrag der Versicherung tätig geworden seien.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen und weist darauf hin, dass die Kritik der Klägerin an der Positionsermittlung des SV „M/M II“ durch den Sachverständigen A bereits in erster Instanz vorgetragen worden sei und Anlass für die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2017 gewesen sei. Der Sachverständige habe die behauptete Positionsverschiebung um 50 m dort gerade nicht bestätigt, sondern erklärt und demonstriert, dass er die richtigen Positionen und Kurse ermittelt habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg, die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass die Schiffskollision durch schuldhaftes Verhalten beider Schiffsführer verursacht worden ist. Nach Auffassung der Berufungskammer wiegt jedoch das Mitverschulden des Schiffsführers M weniger schwer, als das Rheinschifffahrtsgericht dies beurteilt hat, so dass die Haftung zulasten der Beklagten abweichend zu verteilen ist.

I.

Was den Hergang der Kollision angeht, legt die Berufungskammer ihrer Beurteilung die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zugrunde, die sich auf das überzeugende Gutachten des nautischen Sachverständigen A stützen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Absatz 1 Nr. 1 ZPO), sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch aus dem Akteninhalt ersichtlich. Die Klägerin greift das Sachverständigengutachten und die hierauf gestützten Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts nicht an, macht sich diese vielmehr zu eigen. Die Beklagten wiederholen lediglich ihre erstinstanzliche Behauptung, der Sachverständige A habe die Position des SV „M/M II“ fehlerhaft aus den Radarbildern in die Kartendarstellung übertragen, so dass dort die eingezeichnete Position des Schubverbands jeweils um 50 m nach rechtsrheinisch zu korrigieren sei. Mit diesem Einwand hat sich indessen schon das Rheinschifffahrtsgericht befasst und den Sachverständigen A hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2017 angehört. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Sachverständige hierbei mit Hilfe seines Laptops die Radardaten von MS „M“ ausgewertet und hierbei unter anderem demonstriert, dass SV „M/M II“ um 4:13:54 – 90 Sekunden vor der Kollision – mit einem seitlichen Abstand von 50 m zum linksrheinischen Fahrrinnenrad fuhr. So ist der Schubverband auch in den Abbildungen 26 und 27 des Sachverständigengutachtens eingezeichnet. Damit hat sich der von den Beklagten behauptete Fehler bei der Übertragung der Radardaten in die Kartendarstellung nicht bestätigt. Dem Berufungsvorbringen der Beklagten ist nichts zu entnehmen, was Zweifel an der Richtigkeit der Erläuterung des schriftlichen Sachverständigengutachtens begründen könnte. Die Beklagten legen auch nicht dar, welche besseren Erkenntnismöglichkeiten bei der beantragten Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens bestehen sollten. Sie beschränken sich vielmehr auf die Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Behauptung eines Übertragungsfehlers, die durch die Demonstration des Sachverständigen A im Termin vom 23. Mai 2017 widerlegt ist. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens hierzu ist folglich nicht geboten (§ 529 Absatz 1 Nr. 1 ZPO).

II.

1. Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Recht entschieden, dass Schiffsführer D gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV verstoßen hat, weil er es unterlassen hat, in der Radarfahrt zu Berg dem entgegenkommenden Fahrzeug, das er auf dem Radarbildschirm bemerkt hatte, über Sprechfunk Namen, Fahrtrichtung und Standort mitzuteilen und die Vorbeifahrt abzusprechen. Die Feststellung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass Schiffsführer D vor der Kollision keine derartigen Funkdurchsagen des von den Beklagten behaupteten Inhalts gemacht hat, greifen die Beklagten vergeblich an. Die dieser Feststellung zugrunde liegende Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts ist überzeugend; die Berufungskammer schließt sich ihr an.

Wenn solche Durchsagen erfolgt wären, hätten sie von den Zeugen R, K-G und B wahrgenommen werden müssen. Die Beklagten machen zwar geltend, die Zeugen K-G und B seien jeweils 9 km entfernt und damit viel zu weit weg von SV „M/M II“ gewesen, um die Funksprüche zu hören; der Zeuge R sei MS „M“ zwar in nur 3 km Abstand gefolgt, es sei aber nicht sicher, dass er die Funkdurchsagen hätte hören können. Mit diesem Vortrag lässt sich die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts jedoch nicht in Zweifel ziehen.

Alle drei Zeugen haben ausgesagt, die Funkdurchsage „Hast Du mich nicht gesehen?“, die nach der Havarie erfolgte, gehört zu haben. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich somit jeweils in Reichweite des UKW-Schiffsfunks auf Kanal 10. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die unbeteiligten und neutralen Zeugen nicht die Wahrheit gesagt haben sollten. Das Rheinschifffahrtsgericht hat seiner Beurteilung daher die Angaben der Zeugen zu Recht zugrunde gelegt.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Entfernungen der drei Schiffe, mit denen die Zeugen unterwegs waren, von der Unfallstelle mit 8 bis 9 km (Zeuge K-G), 2,7 km (Zeuge R) und Luftlinie 4 km (Zeuge B) festgestellt und aus der Tatsache, dass der Zeuge K-G die Funkdurchsage auf eine Entfernung von 8 bis 9 km gehört hat, gefolgert, dass die beiden anderen Zeugen, die näher am Havarieort waren, vorangegangene Funkdurchsagen von SV „M/M II“ hätten hören müssen, wenn solche erfolgt wären. Dieser überzeugenden Begründung schließt sich die Berufungskammer an.

Die Bekundung des Schiffsführers D im Verklarungsverfahren, er habe vor der Havarie insgesamt vier Funkdurchsagen gemacht und dabei jeweils eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gewiesen, hat das Rheinschifffahrtsgericht für unglaubwürdig gehalten, weil Schiffsführer D sein Aussageverhalten während des Verklarungsverfahrens mehrfach geändert und gegenüber der Polizei zunächst angegeben habe, aufgrund der Fahrweise beider Schiffe sei eine problemlose Begegnung Steuerbord an Steuerbord möglich gewesen, er habe MS „M“ nur einmal, nämlich kurz vor der Kollision über Funk angesprochen. Die Beklagten halten diese Würdigung für unzutreffend, weil Schiffsführer D von dem vernehmenden Polizeibeamten, dem Zeugen Dunz, danach gefragt worden sei, ob er die Talfahrt „angesprochen“ habe, was der fränkisch sprechende Schiffsführer D dahin verstanden habe, ob er den Talfahrer mit Namen angesprochen habe, was er zutreffend verneint habe.

Dieser Einwand ist nicht geeignet, die Würdigung der Bekundungen des Schiffsführers D durch das Rheinschifffahrtsgericht in Frage zu stellen. Nach der Aussage des Zeugen Dunz, an deren Glaubhaftigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, antwortete Schiffsführer D auf die betreffende Frage, er habe keine Veranlassung gesehen, das andere Schiff anzusprechen, weil dieses links gefahren sei und er rechts; er sei erst aktiv geworden, als die Kollision gedroht habe. Das kann bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden werden, dass Schiffsführer D Funkdurchsagen bis zum Zeitpunkt der Kursänderung des MS „M“ für überflüssig hielt, weil die beiden Schiffe bis dahin aus seiner Sicht Kurse hielten, die keine Begegnungsabsprache erforderten. Dass Schiffsführer D aus diesem Grund allein die namentliche Ansprache des Talfahrers für überflüssig gehalten haben soll, macht ersichtlich keinen Sinn.

2. Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend festgestellt hat, fällt Schiffsführer D ferner ein Verstoß gegen § 4.07 Absatz 1 Satz 1 RheinSchPV zur Last, weil MS „M“, das die Hauptantriebskraft des SV „M/M II“ stellt, wegen wiederholter Ausfälle des AIS-Geräts nicht vorschriftsmäßig ausgerüstet war und Schiffsführer D hiervon Kenntnis hatte. Diesen Verstoß räumen die Beklagten ein. Die Ursächlichkeit dieses Ausrüstungsmangels steht außer Frage. Er hat zum einen dazu geführt, dass SV „M/M II“ auf der Fahrt von der Eisenbahnbrücke bis zur Kollisionsstelle für MS „M“ nicht auf dem AIS-Bildschirm sichtbar war und dieser Umstand Schiffsführer M jedenfalls zunächst zu der Annahme verleitete, bei dem Radarecho des Schubverbands müsse es sich um ein Fehlecho handeln. Zum anderen war für Schiffsführer D durch den Ausfall des AIS-Geräts die Bestimmung der Position des Schubverbands im Fahrwasser erheblich erschwert, wie der Sachverständige A überzeugend dargelegt hat, was zur Folge hatte, dass Schiffsführer D irrtümlich annahm, im rechtsrheinischen Fahrwasser zu Berg zu fahren, während er in Wahrheit in die linksrheinische Fahrrinnenhälfte geraten war.

3. Ausgehend von den eingangs der Entscheidungsgründe erörterten Feststellungen zur Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge vor der Havarie trifft es auch zu, dass Schiffsführer D mit der Kursänderung nach Backbord ins rechtsrheinische Fahrwasser auf den letzten 200 m ein ungeeignetes Manöver des letzten Augenblicks unternommen hat, weil der Schubverband damit genau in den Kurs des Talfahrers MS „M“ geriet. Bei aufmerksamer Beobachtung des Radarbildschirms hätte Schiffsführer D dies erkennen und SV „M/M II“ rechtzeitig aufstrecken können, wodurch die Kollision hätte vermieden werden können.

4. Schließlich hat das Rheinschifffahrtsgericht einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 RheinSchPV zu Recht darin gesehen, dass Schiffsführer D den Schubverband mit unverminderter Geschwindigkeit bis zum Kollisionsort führte, anstatt die Geschwindigkeit so weit wie möglich zu reduzieren, nachdem er die Kursänderung des Talfahrers MS „M“ nach rechtsrheinisch bemerkt hatte.

III.

Die Klägerin muss sich ein Mitverschulden des Schiffsführers M von MS „M“ anrechnen lassen.

1. Schiffsführer M hat gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. b RheinSchPV verstoßen, weil er es unterlassen hat, in der Radarfahrt zu Tal das entgegenkommende Fahrzeug, das er auf dem Radarbildschirm bemerkt hatte, dessen Kurs eine Gefahrenlage verursachen konnte und das sich über Funk nicht gemeldet hatte, über Sprechfunk auf die gefährliche Situation hinzuweisen und die Vorbeifahrt abzusprechen. Die Klägerin greift dies mit der Begründung an, Schiffsführer M habe annehmen dürfen und angenommen, er sei allein im Revier, weil er den auf dem Radarbild sichtbaren grünen Gegenstand zu Recht für ein Fehlecho, wie es zwischen Brücken häufig auftrete, gehalten habe und ein anderes Schiff auf dem AIS-Bildschirm nicht sichtbar gewesen sei. Dieser Angriff hat keinen Erfolg.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz steht fest, dass bereits um 4:12:08 Uhr bei einem Abstand von 1.800 m auf dem Radarbildschirm des MS „M“ bei ständiger Beobachtung das Radarecho eines Fahrzeugs in der Bergfahrt sichtbar wurde. Jedenfalls um 4:13:08 Uhr war das entgegenkommende Fahrzeug bei Rheinkilometer 737,6 in einer Entfernung von 1.100 m auf dem Radarbildschirm des MS „M“ deutlich sichtbar (Abbildungen 15 und 25 des Sachverständigengutachtens). Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die in § 6.32 Nr. 2 Buchst. b RheinSchPV vorgeschriebene Funkdurchsage geboten, weil der Kurs des entgegenkommenden Fahrzeugs und dessen Position in der Fahrrinne auf dem Radarbildschirm nicht sicher auszumachen waren und deshalb eine Gefahrenlage verursachen konnten. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit, die bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter aufzuwenden ist, hätte Schiffsführer M dies nicht verborgen bleiben können. Davon abgesehen trifft es auch nicht zu, dass Schiffsführer M der Meinung gewesen sei, er sei allein im Revier. Im Verklarungsverfahren hat er bekundet, er habe eine Funkdurchsage deswegen unterlassen, weil er davon ausgegangen sei, dass der andere sich vielleicht gleichzeitig melde und es dann zu einem Durcheinander kommen könne. Dies zeigt, dass Schiffsführer M erkannt hatte, zumindest damit rechnete, dass es sich bei dem zunächst für ein Fehlecho gehaltenen Radarecho um das Echo eines Fahrzeugs in der Bergfahrt handelte.

2. Unter den vorstehend dargelegten Umständen hat das Rheinschifffahrtsgericht auch zu Recht einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 RheinSchPV darin erblickt, dass Schiffsführer M seine Geschwindigkeit nicht reduzierte, sondern unverändert mit etwa 20 km/h auf das rechtsrheinische Ufer zuhielt, obwohl er wusste oder zumindest damit rechnete, dass eine Begegnung mit einem Bergfahrer bevorstand, dessen Kurs unbekannt war und mit dem keine Absprache über die Begegnung stattgefunden hatte.

3. Die Kursänderung nach Steuerbord in die rechtsrheinische Fahrrinnenhälfte als solche stellt, wie das Rheinschifffahrtsgericht richtig entschieden hat, hingegen keinen Verstoß gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV dar, weil sie erfolgte, um dem linksrheinisch zu Berg kommenden Fahrzeug auszuweichen. Die hiergegen erhobene Beanstandung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weil sie auf der unrichtigen Prämisse beruht, SV „M/M II“ sei rechtsrheinisch gefahren und habe zudem über Sprechfunk eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert (dazu oben unter I, II 1).

4. Aus demselben Grund hat das Rheinschifffahrtsgericht auch zu Recht einen Verstoß der Schiffsführung des MS „M“ gegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verneint. Schiffsführer M hat keine Kursweisung der Bergfahrt missachtet, weil es eine solche nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gegeben hat.

5. Ob Schiffsführer M, wie die Beklagten geltend machen, gegen die in § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV geregelte Pflicht, Schallzeichen abzugeben, die Geschwindigkeit zu vermindern und notfalls anzuhalten, verstoßen hat, obwohl zuvor keiner der beteiligten Schiffsführer versucht hatte, einen Sprechfunkkontakt herzustellen, bedarf keiner Entscheidung. Denn falls § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV zur Anwendung kommt, sind die dort geregelten Pflichten von beiden Schiffsführern in gleichem Maße schuldhaft verletzt worden, so dass diese Pflichtverletzungen sich auf die Haftungsverteilung nach dem Grad des beiderseitigen Verschuldens nicht auswirken.

IV.

Da die Kollision von beiden Schiffsführern schuldhaft mitverursacht wurde, ist die Haftung für den der Rechtsvorgängerin der Klägerin entstandene Schaden gemäß § 92c Absatz 1 BinSchG nach der Schwere des beiderseitigen Verschuldens zu verteilen. Mit dem Rheinschifffahrtsgericht sieht auch die Berufungskammer das überwiegende Verschulden auf Seiten des Bergfahrers. Schiffsführer D hat in besonders schwerwiegender Weise die Pflichten verletzt, die ihn als Bergfahrer bei unsichtigem Wetter trafen. Er hat den Schubverband bei Nacht und in dichtem Nebel ohne funktionierendes AIS-System zu Berg geführt und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Funkdurchsagen mit dem nach § 6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV vorgeschriebenen Inhalt gemacht, obwohl er das entgegenkommende Fahrzeug auf große Entfernung auf dem Radarschirm ausgemacht hatte und daher frühzeitig wusste, dass einen Begegnung anstand. Dieses Versäumnis wiegt auch deshalb besonders schwer, weil der Schubverband – wie Schiffsführer D wusste – wegen des Ausfalls des AIS-Geräts während der Annäherung der beiden Fahrzeuge für den Talfahrer auf dem AIS-Bildschirm nicht identifiziert werden konnte und dort auch keine Informationen über Kurs und Lage des Schubverbands in der Fahrrinne angezeigt wurden. Der wiederholte Wechsel zwischen dem rechtsrheinischen und dem linksrheinischen Teil der Fahrrinne zeigt, dass der Schubverband auf der Fahrt von der Eisenbahnbrücke zur Südbrücke auch nicht mit Hilfe des Radarbilds auf sicherem Kurs geführt wurde. Ferner ist es als grob schuldhaft zu werten, dass Schiffsführer D in letzter Minute den Kurs des Schubverbands nach Backbord direkt in den Kurs der Talfahrt änderte. Ein Verschulden trifft ihn schließlich deswegen, weil er die Geschwindigkeit des Schubverbands nicht reduzierte, als er die Kursänderung des Talfahrers nach rechtrheinisch bemerkte.

 

 

Das Mitverschulden des Schiffsführers M von MS „M“ wiegt demgegenüber erheblich weniger schwer. Zwar hat er es unter Verstoß gegen § 6.32 Nr. 2 Buchst. b RheinSchPV unterlassen, den auf dem Radarbildschirm erkannten Bergfahrer, dessen Position und Kurs mangels