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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 2. Juni 1976
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichtes Mannheim vom 26. August 1975 - Cs 1891/74 RhSch -)
Die Berufungskammer hat erwogen:
I.
Die Berufung des Betroffenen ist am 27.8.1975 bei dem Rheinschifffahrtsgericht in Mannheim eingegangen. Das ist einen Tag nach der Verkündung des angefochtenen Urteils. Die Begründung der Berufung ging am 13.11.1975 beim Rheinschifffahrtsgericht in Mannheim ein. Sie wahrt also nicht die Frist von 4 Wochen nach erfolgter Anmeldung der Berufung, die in Artikel 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte bestimmt ist. Diese Frist wäre aber dann beobachtet, wenn man in der Berufungsbegründung auch die erneute Einlegung der Berufung sehen würde. In diesem Falle wäre Berufung und ihre Begründung im gleichen Schriftsatz enthalten, so dass sich das Problem der Einhaltung der Begründungsfrist nicht stellen würde. Eine solche Sicht setzt voraus, dass am 13.11.1975 eine Berufung noch wirksam eingelegt werden konnte. Die Berufungsfrist beträgt nach Artikel 37 Abs. 2 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte 30 Tage "nach der in Gemäßheit der Landesgesetze erfolgten Insinuation des Urteils", wobei Insinuation Zustellung bedeutet. Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim ist zweimal zugestellt worden, nämlich am 3.10.1975 dem Verteidiger des Betroffenen und diesem selbst am 15.10.75. Kommt es für den Beginn der Berufungsfrist auf das erste Datum an, so wäre die am 13.11.1975 eingegangene Berufung verspätet. Ist dagegen das zweite Datum entscheidend, so ist die Berufung rechtzeitig. Die Regel des § 37 Abs. 2 der deutschen Strafprozessordnung bestimmt, dass, wenn eine Zustellung an mehrere Empfangsbevollmächtigte bewirkt wird, sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet. Daraus wird, in den Kommentaren zur deutschen Strafprozessordnung abgeleitet, dass bei einer Zustellung eines Urteils an den Verteidiger des Angeklagten und an diesen selbst der Beginn der Berufungsfrist sich nach der letzten Zustellung richtete (Hinweis auf Kleinknecht: Strafprozessordnung § 37 Anm. 2). Kann man also in dem Schriftsatz vom 13.11.1975 auch die Einlegung einer Berufung sehen, so wäre diese rechtzeitig eingelegte Die Berufungskammer ist der Ansicht, dass eine solche Sicht möglich ist. Eine Berufungsbegründung bringt auch den Willen, Berufung einzulegen - erneut - zum Ausdruck. Allerdings ist dieser Wille in der Regel unbeachtlich, wenn die Berufungseinlegung bereits erfolgt ist. Beachtlich wird er aber dann, wenn diese Einlegung nicht wirksam war. Das gleiche gilt dann, wenn eine Berufung zwar wirksam eingelegt wurde - wie im vorliegenden Falle -, die mit dieser Einlegung beginnende Begründungsfrist aber nicht eingehalten worden ist. Ist in einem solchen Falle bei Einreichung der Berufungsbegründung die Berufungseinlegung noch möglich, so will der Betroffene auch diesen Schritt mit der Begründung tun, auch wenn dies nicht ausdrücklich geschehen sein sollte. Aus den dargelegten Gründen hält die Berufungskammer das eingelegte Rechtsmittel für formell einwandfrei.
II.
Zur Sache selbst ist folgendes zu sagen. Der Betroffene hat gegen § 1,09 Nr. 2 und 3 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung dadurch verstoßen, dass er am 1.10.1974 mit dem von ihm geführten MS "B" in Mannheim eine Strecke von etwa 600 m auf dem Rhein gefahren ist, obschon außer ihm kein Besatzungsmitglied an Bord war, der vorgeschriebene zweite Mann- Matrose oder Schiffsjunge - also fehlte. An diesem Verstoß würde sich nichts ändern, wenn die zurückgelegte Entfernung kürzer gewesen sein sollte. Die Handlung des Betroffenen war auch rechtswidrig, da kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Ein solcher liegt insbesondere nicht in dem Grund für die Unterbemannung des Schiffes - plötzlicher Ausfall des Matrosen während der Arbeitszeit -, in der Kürze der zurückgelegten Entfernung und in dem Bestreben des Betroffenen, die baldige Weiterreise eines anderen Schiffes zu ermöglichen. Auch unter solchen Voraussetzungen sind die Bemannungsvorschriften einzuhalten, da sie keine Ausnahmen für Fälle wie der vorliegenden vorsehen.
Die Schuld des Betroffenen erscheint aber aus den folgenden Gründen milder als vom ersten Richter angenommen.
1) Der Betroffe hat am 1.10.1974 seinen Dienst als "B" mit einem richtig bemannten Schiff angetreten. Während der Arbeitszeit fiel sein Matrose aus, da er sich wegen heftiger Zahnschmerzen in Behandlung begeben musste. Das Schiff des Betroffenen wurde also plötzlich und unvorhersehbar unterbemannt.
2) Der Betroffene benachrichtigte seine Reederei von dem Vorfall; diese konnte ihm aber keinen Ersatzmann stellen.
3) Die mit dem unterbemannten Schiff zurückzulegende Entfernung war sehr gering. Sie betrug nicht mehr als 600 m. Die Fahrt konnte in Ufernähe durchgeführt werden.
4) Der Betroffene handelte in dem Bestreben, einem anderen Schiff durch die notwendige Entleerung der Bilge die baldige Weiterreise zu ermöglichen.
Diese Umstände, die entweder feststehen oder von dem Betroffenen glaubhaft vorgetragen worden sind, erlauben es noch der Ansicht der Berufungskammer, die vom ersten Richter verhängte Busse herabzusetzen. Eine Busse von 40, -DM erscheint angemessen.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 26. August 1975 dahin abgeändert, dass gegen den Betroffenen eine Geldbusse von 40,- DM verhängt wird.
Der Gerichtskanzler: Der Vorsitzende: (gez.) Doerflinger (gez.) S. Royer