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5065/82 - Landgericht (-)
Entscheidungsdatum: 21.04.1982
Aktenzeichen: 5065/82
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Landgericht Kassel
Abteilung: -

Leitsatz:

Setzt sich an dem unter dem Wasser befindlichen Ansaugstutzen eine Plastiktüte so fest, dass kein Kühlwasser eintreten kann und darauf der Schiffsmotor infolge Heißlaufens Schaden erleidet, so liegt ein versicherungspflichtiger Unfall im Sinne der Wassersportkaskoversicherung vor.

Urteil des Landgerichts Kassel

vom 21. April 1982

5065/82

Zum Tatbestand:

Das Kajütboot des Klägers erlitt bei einer Fahrt im Mittelmeer einen Schaden dadurch, dass sich an dem 60 cm unter Wasser befindlichen, für das Kühlwasser bestimmten Wasseransaugstutzen eine Plastiktüte festgesetzt hatte, wodurch der Eintritt von Kühlwasser verhindert wurde, der Motor heiß lief und Schaden erlitt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der eine Wassersportkaskoversicherung abgeschlossen worden war, den Ersatz der Reparaturkosten von fast 4000,- DM.
Die Beklagte bestreitet eine Zahlungsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach, weil nur Unfälle an Maschineneinrichtungen versichert seien, nicht aber Betriebsschäden. Das Boot des Klägers habe keinen „Unfall" erlitten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.


Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Gemäß § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes in Verbindung mit den allgemeinen Bedingungen für die Wassersportkaskoversicherung (ABWK) der Klägerin und dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag ist die Beklagte verpflichtet, den durch den Versicherungsfall beim Kläger verursachten Vermögensschaden zu ersetzen.

Die allgemeinen Bedingungen bestimmen in

1.3 dass der Versicherer alle Gefahren trägt, denen die versicherte Sache während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist.

Nach

3.3.2 wird die Versicherung eingeschränkt bei Schäden an der maschinellen oder technischen Einrichtung auf Unfall des Fahrzeuges.
Die Bedingungen enthalten keine Definition des Unfallbegriffs; dem Mangel des von der Beklagten aufgestellten Regelwerks muss durch Rückgriff auf den sachnächsten Unfallbegriff, und das ist derjenige des § 12 Abs. 1 II e der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) Rechnung getragen werden. Danach ist bei der Kraftfahrzeugvollversicherung ein Unfall „ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden. Die Plastiktüte hat „von außen her" gewirkt, sie schwamm im Wasser, das Transportmedium aber auch Kühlmedium für das Fahrzeug ist. Das Ereignis hat „plötzlich" auf das Boot eingewirkt, denn das Schadensereignis hat sich in einem relativ kurzen Zeitraum abgespielt. Das Zusetzen des Ansaugstutzens mit der Plastiktüte war unerwartet, unvorhersehbar und deshalb auch unentrinnbar (vgl. Stiefel-Hoffmann, Kommentar zur Kraftfahrtversicherung 11. Auflage Randnote 72 zu AKB § 12). Die Einwirkung des Schadensereignisses, nämlich das Verstopfen, ist plötzlich aufgetreten. Es liegt auch „mechanische Gewalt" vor, denn die Plastiktüte verhinderte durch ihre körperliche Beschaffenheit den weiteren Zutritt von Kühlwasser, bildete also gegenüber dem fließenden Wasser ein mechanisches Hemmnis. Dieses Hemmnis kam „von außen her", es „wirkte plötzlich und verursachte" schließlich das Heißlaufen des Motors. Der vorliegende Fall ist am ehesten dem schon von der Rechtssprechung entschiedenen vergleichbar, dass ein von der Straße abgeschnellter Stein die Ölwanne eines Kraftfahrzeugs zerschlägt und hierdurch zwangsläufig ein Motorschaden eintritt. Auch in einem solchen Fall hat man das Erfordernis der Unmittelbarkeit als gewahrt angesehen. Vergleichbar wäre auch noch der weitere Fall, dass ein Wagen gelegentlich einer Überschwemmung durchs Wasser fährt und hierbei Wasser in den Zylinderraum eindringt. In diesem Fall sieht man den Schaden als unmittelbare Folge der von außen kommenden Wassereinwirkung an, und zwar nach ihrer Umsetzung in mechanische Gewalt durch die Hubbewegung des Kolbens (vgl. dazu aa0 Randnote 72, 74). Da in jenem von der Rechtsprechung entschiedenen Fall es der Annahme eines Unfalls nicht nachträglich war, dass die Hubbewegung des Kolbens im Kraftfahrzeug mitauslösender Faktor für die Entstehung des Schadens war, so ist auch im zu entscheidenden Fall es nicht erheblich, dass die Saugkraft bzw. Sogwirkung der Pumpe eine Mitrolle gespielt hat. Nach alledem hat somit die Plastiktüte unmittelbar von außen her plötzlich und mit mechanischer Gewalt auf das versicherte Boot eingewirkt, mithin liegt ein Unfall, kein Betriebsschaden vor. Soweit die Beklagte sich darauf bezogen hat, es seien technische Vorrichtungen gegen den Eintritt des Versicherungsfalls möglich gewesen, hat sie das nicht näher ausgeführt, so dass ihr Vorbringen als unsubstantiiert nicht zu beachten ist. Im Übrigen hat sie die Höhe des Schadens, obwohl ein detaillierter Voranschlag vorgelegen hat, nicht substantiiert bestritten. Es kann auch von dem Bootsfahrer nicht verlangt werden, ständig die Temperaturkontrollanzeige des Fahrzeuges zu beobachten.
...“