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Leitsatz:
Rattenbefall ist eine typische Gefahr aus der natürlichen Beschaffenheit von Mehl im Sinne des § 427 I Ziffer 4 HGB und des § 59 I Nr. 4 BinSchG a. F. Das Deutsche Binnenschifffahrtsgesetz, Stand 30. Juni 1998, kann kraft Abschlussbestätigung anstelle des HGB vereinbart werden.
Rechtskräftiges Urteil des Schiffahrtsgericht Duisburg
vom 27. März 2006
Aktenzeichen 5 C 6/05 BSch
Zum Tatbestand:
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit einem Transport von 560 t Mehl von Neuss nach Antwerpen. Ladetermin war der 06. September 2004, Löschtermin der 27. September 2004. Die Beladung war am 10. September 2004 abgeschlossen, bei der Ankunft des Schiffes in Rotterdam wurde an der Ladung Rattenfraß und Rattenverunreinigungen festgestellt.
Die Klägerin begehrt Ersatz des Ladungsschaden. Die Beklagte habe nichts getan, um die Verunreinigung durch Ratten zu verhindern, insbesondere keine Rattenbleche eingesetzt, um zu verhindern, dass Ratten an Bord kämen. Während der Wartezeit auf das Seeschiff seien die Ladeluken zu Belüftungszwecken geöffnet worden, ohne Rattenbleche anzubringen. Die Ratten seien nicht mit der Ladung an Bord gekommen. Die Beklagte trägt vor, in der Bestätigung des Transportabschlusses sei das Deutsche Binnenschifffahrtsgesetz, Stand 30. Juni 1998, vereinbart. MS „C" sei vor Übernahme der Ladung rattenfrei gewesen, die Ratten hätten nur mit der Ladung oder während der Reise an Bord kommen können. Der unstreitig am Löschort festgestellte Schaden beruhe auf den spezifischen Anfälligkeiten des Ladegutes, Mehl, für Rattenfraß bzw. Rattenverunreinigung.
Zur Verwendung von Rattenblechen hat das Gericht durch Einholung eines Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. E. Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war als unbegründet abzuweisen. Der Klägerin konnte gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen Rattenfraß und Rattenverunreinigung der Ladung nicht zuerkannt werden.
I. Ein Anspruch aus §§ 425, 435 HGB scheitert schon daran, dass gem. der Anschlussbestätigung vom 03.09.2004 (Anl. K 1) für diesen Transport das deutsche Binnenschifffahrtsgesetz Stand: 30.06.1998, gelten sollte.
II. Ein Anspruch aus §§ 7, 8 Binnenschifffahrtsgesetz ist zu verneinen, denn § 7 Binnenschifffahrtsgesetz regelt eine Haftung des Schiffers, d.h. des verantwortlichen Schiffsführers (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Aufl. § 7 Binnenschifffahrtsgesetz Rdn. 2).
Die Beklagte war aber nicht Schiffsführer in diesem Sinne, sondern im Verhältnis zur Klägerin Frachtführer, der sich zur Erfüllung des Transportauftrags des Schiffes der Streithelferin bediente.
III. Ein Anspruch aus §§ 58 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. 278 BGB besteht ebenfalls nicht.
1. Nach § 58 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz haftet der Frachtführer für den Schaden, welcher seit der Empfangsnahme bis zur Ablieferung durch Verlust oder Beschädigung des Frachtgutes entstanden ist. Insofern kann festgestellt werden, dass der hier geltend gemachte Schaden in diesem Obhutszeitraum des Frachtführers eingetreten ist.
2. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 Binnenschifffahrtsgesetz haftet der Frachtführer jedoch nicht in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt sind, Verlust oder Beschädigung zu erleiden, für den Schaden, welcher aus dieser Gefahr entstanden ist. Dabei kann es sich um eine besondere natürliche Empfindlichkeit oder Verletzlichkeit handeln (vgl. Vortisch/Bemm, § 59 Binnenschifffahrtsgesetz, Rdn 9) Vorliegend ist eine solche besondere Verletzlichkeit anzunehmen, weil eine Ladung Mehl der Gefahr von Rattenfraß oder Rattenverunreinigung ausgesetzt ist. Auch die erhöhte Gefahr durch Einwirkungen von Ungeziefer und Nagetieren wird von § 59 Abs. 1 Nr. 4 Binnenschifffahrtsgesetz erfasst (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., zu dem vergleichbaren § 427 HGB Rdn 78 mit weiteren Nachweisen). Gemäß § 59 Abs. 3 Binnenschifffahrtsgesetz kann sich der Frachtführer auf die Haftungsbeschränkung nach § 59 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz allerdings nicht berufen, wenn der Ersatzberechtigte beweist, dass der Schaden durch ein Verschulden des Schiffsführers oder seiner Leute entstanden ist (vgl. Vortisch/Bemm, § 59 Rdn 11). Einen solchen Nachweis hat die Klägerin jedoch nicht geführt.
Ihre Behauptung, es sei der Beklagten ein Verschulden anzulasten, weil auf MS „C" keine Rattenbleche eingesetzt wurden, also Bleche, die den Ratten einen Zutritt auf das Schiff verweigern, hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Sachverständige Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 21.11.2005 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass es in der Binnenschifffahrt absolut unüblich sei, Rattenschutzbleche vorzuhalten und bei Mehltransporten einzusetzen. Diese Vorsichtsmaßnahme sei lediglich in Seehäfen bei Hochseeschiffen bekannt. Zudem, so der Sachverständige weiter, wäre der Einsatz von Rattenblechen auch sinnlos gewesen, da für die Ratten viel leichtere Zuwege über den festen Steg mit Geländern bestanden als über schwankende Festmacher des Schiffes, die überdies über die im Wasser stehenden Dalben gar nicht erreichbar gewesen wären. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht war für den Sachverständigen daher nicht erkennbar. Bekräftigt wurde dieses Sachverständigengutachten durch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort vom 02.02.2006, (Anl. K 17). Auch dort ist ausgeführt, dass die Verwendung von Rattenblechen in der Binnenschifffahrt nicht üblich sei.
Der weitere Vortrag der Klägerin, die Beklagte bzw. der Schiffsführer als Erfüllungsgehilfe hätten nichts getan, um die Verunreinigung der Ladung durch Ratten zu verhindern, genügt nicht für die Darlegung eines Verschuldens der Beklagten. Es fehlt bereits an dem erforderlichen substantiierten Vortrag, welche konkreten Schutzmaßnahmen die Beklagte bzw. der Schiffsführer hätten ergreifen können und müssen. Gleiches gilt für den weiteren Vortrag der Klägerin, dass derjenige, der während der bekannten Wartezeit auf das Seeschiff die Ladeluken zu Belüftungszwecken öffnet und ohne Rattenbleche und damit ohne jeglichen Schutz vor Rattenbefall unterwegs ist, sich nicht wundern dürfe, wenn die Ladung Schaden nimmt. Soweit darin der Vortrag liegen sollte, die Belüftung des Mehles während der längeren Wartezeit bis zur Löschung des Schiffes beinhalte bereits ein Verschulden, so kann dem nicht gefolgt werden. Denn gerade bei längeren Wartezeiten sind die Schiffer gehalten, eine feuchtigkeitsanfällige Ware, wie es bei Mehl nicht ausgeschlossen werden kann, notfalls auch zu lüften. Zudem ist fraglich, ob ein unterlassenes Lüften den Zugang der Ratten zu der Ladung überhaupt verhindert hätte.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2008 - Nr.1/2 (Sammlung Seite 1969); ZfB 2008, 1969