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Leitsätze:
1) Bedeutung und Anwendung der „Voranmeldung"
2) Zur Rechtswirksamkeit einiger frachtrechtlicher Vorschriften aus den Jahren 1940-1943.
Urteil des Amtsgerichts - Schiffahrtsgerichts in Duisburg-Ruhrort
vom 19. November 1982
5 C 5/82
Zum Tatbestand:
Der Kläger beförderte mit seinem Motorschiff 404 t Sonnenblumenschrott von Mainz nach Düsseldorf. Da die ortsüblichen Geschäftsstunden im Düsseldorfer Hafen um 16 Uhr enden, teilte der Kläger am 18. B. 1981 im Wege der Voranmeldung von Koblenz aus der Beklagten (Empfängerin der Güter) seine Absicht mit, die Anzeige der Löschbereitschaft nach Schluß der ortsüblichen Geschäftsstunden bis 18.00 Uhr zu erstatten. Er legte sein Schiff gegen 17.40 Uhr an und meldete der Beklagten die Löschbereitschaft. Gelöscht wurde am 21. und 22. 8. 1981.
Der Kläger verlangt wegen Überschreitung der zustehenden Löschzeit von 11/2 Tag Liegegeld, das von der Beklagten zum Teil bezahlt worden ist. Streitig ist, ob dem Kläger auch für den 19. B. 1981 Liegegeld zusteht. Er hält dies für gerechtfertigt, weil der 18. 8. aufgrund der Voranmeldung bereits als Meldetag zähle.
Die Beklagte meint, die Voranmeldung sei unwirksam, da der Kläger zu dieser Zeit nicht in der Lage gewesen sei, sofort einen Löschplatz im Empfangshafen aufzusuchen. Gegen die Verordnung zur vorübergehenden Änderung einiger Vorschriften des Frachtrechts vom 17.5. 1943 beständen verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Beklagte wurde vom Schiffahrtsgericht antragsgemäß zur Zahlung des restlichen Liegegeldes verurteilt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich das Gericht auf die Stellungnahme des Bundesverbands der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. vom B. Oktober 1976 zu dieser Rechtsfrage. Sie lautet:
„Aufgrund des Gesetzes zur Aufhebung einiger Verordnungen und Bestimmungen des Binnenschiffahrtsrechts vom 9. August 1949 sind u. a. auch verschiedene Bestimmungen der Verordnung zur vorübergehenden Änderung einiger Vorschriften des Frachtrechts der Binnenschiffahrt vom 17. Mai 1943 aufrechterhalten worden. Dazu gehört die Vorschrift, daß die Ladebereitschaft (§ 28) und die Löschbereitschaft (§ 47) an Werktagen bis 18.00 Uhr anzuzeigen ist. Endet die ortsübliche Geschäftszeit vor diesem Zeitpunkt, so hat der Frachtführer seine Absicht, die Anzeige nach dem Schluß der Geschäftszeit zu bewirken, dem Absender (Empfänger) innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeit mitzuteilen (Voranmeldung)' - Rundschreiben des Vereins zur Wahrung der Rheinschiffahrtsinteressen e.V. vom 2. September 1949 -.
Bei dieser Voranmeldung handelt es sich zweifellos nicht um den Ersatz der Anzeige der Lade- und Löschbereitschaft. An den Grundsätzen, wie die Anzeige- oder Löschbereitschaft zu melden ist, ändert sich nicht das geringste. Der Sinn der Voranmeldung besteht nur darin, daß der Frachtführer die Meldung ankündigen darf in den Fällen, in denen er schon vorher weiß, daß er die vorgeschriebene Meldung vor 18.00 Uhr nicht mehr vor Schluß der ortsüblichen Geschäftszeit erstatten kann. Die Voranmeldung bildet also keinen Ersatz der Anzeige, sondern soll diese nur vorbereiten (vgl. Krieger bei Pfundtner-Neubert, Das neue deutsche Reichsrecht' Il.b Nr. 77 S. 3 Anm. 2).
Deshalb ist es nicht erforderlich, daß das Schiff schon bei der Voranmeldung den Lade- oder Löschort erreicht hat. Wollte man dies verlangen, wäre die Voranmeldung überflüssig und sinnlos, weil der Frachtführer in der Lage wäre, nach Erreichen des Lade- und Löschorts sofort die Anzeige nach §§ 28, 47 BSchG abzugeben. Die Voranmeldung allein setzt auch die Lade- bzw. Löschzeit für den nächsten Werktag nicht in Gang. Hierzu bedarf es nach wie vor der Anzeige nach Eintreffen des Schiffs am Lade- bzw. Löschort (§§ 28, 48 BSchG). Die Voranmeldung innerhalb der Geschäftsstunden hat also lediglich die Wirkung, daß der Absender bzw. Empfänger gegenüber der bis 18.00 Uhr eines Werktages abzugebenden Anzeige sich nicht darauf berufen kann, daß diese nach dem Schluß der ortsüblichen Geschäftsstunden eingegangen sei und mithin erst für den nächsten Werktag zähle.
Die hier vertretene Auffassung entspricht in vollem Umfang den seit vielen Jahren gegebenen Auskünften auf mannigfache Anfragen, einer Stellungnahme des BVM vom 19. Mai 1958- B 483/248-58 - sowie der einschlägigen Literatur (s. Vortisch-Zschucke 3. Aufl. § 28 Anm. 2e) und § 47 Anm. 2e) sowie Storke in einem Sonderdruck der DVZ 1959)".
Das erkennende Gericht ist aus den Gründen der Stellungnahme des Bundesverbandes der Auffassung des Klägers.
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Soweit die Beklagte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die VO vom 17. Mai geltend macht, sind diese unbegründet. Das Schiffahrtsobergericht Köln hat in seinem Urteil vom 29. 4. 1977 - 3 U 205/76 - zur Gültigkeit der Verordnung über die Ladezeit und die Löschzeit sowie das Liegegeld in der Binnenschiffahrt vom 9. November 1940 (RGBI. II, S. 257) ausgeführt, daß diese Verordnung geltendes Recht sei, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gäbe, daß sie national-sozialistisches Gedankengut enthielte. Sie ist geltendes Recht, wie sich auch daraus ergibt, daß sie im Pfundstellennachweis A des Bundesrechtes unter der Gliederungsnummer 4103-4 aufgeführt ist. Der Erlaß der Verordnung vom 17. Mai 1943 mag durch die damalige wirtschaftliche Situation bedingt gewesen sein. Das ändert jedoch nichts an ihrer weiteren Gültigkeit bis zu einer anderweitigen Regelung durch den Gesetzgeber.
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