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Leitsatz:
Die Rheinschiffahrtsgerichte sind zuständig, wenn wegen eines Schiffsunfalles auf dem Rhein durch Fernschädigung dem Eigner eines Schiffes ein Schaden entsteht, das in einem unmittelbar mit dem Rhein verbundenen Hafen liegt.
Wird dem Eigner eines Binnenschiffes die Nutzungsmöglichkeit an seinem Schiff für einen Zeitraum von fünf Tagen entzogen, so ist er in seinen Eigentumsrechten gemäß § 823 I BGB nicht verletzt, ein Schadenersatz für erlittenen Nutzungsverlust kommt nicht in Betracht. Dies gilt unabhängig vom Maß des Verschuldens des die Schifffahrtssperre verursachenden Schiffsführers.
Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes Duisburg-Ruhrort
vom 07. April 2008
Aktenzeichen 5 C 16/07 BSchRh
nicht rechtskräftig
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eignerin des TMS »G«. Die Beklagte zu 1. ist Ausrüsterin des MS »E«, das am Vorfallstag verantwortlich von dem Beklagten zu 2. geführt wurde.
Am 25.03.2007 befand sich das MS »E«, beladen mit Containern, auf dem Rhein in der Bergfahrt. Gegen 14.00 Uhr dieses Tages gingen in Höhe des Hafens Köln- Zündorf bei km 677,4 31 Container über Bord. Aufgrund dessen veranlassten die Wasserschutzpolizei/das Wasser- und Schifffahrtsamt gegen 15.00 Uhr eine sofortige Schifffahrtssperre für den gesamten Stromabschnitt von Rhein-Km 675.0 bis 696.0. MS »G« befand sich zum Zeitpunkt der Verhängung der Schifffahrtssperre im Hafen Köln-Mülheim bei Rhein-Km 690. Aufgrund der Schifffahrtssperre konnte MS »G« nicht weiterfahren, dies war erst der Fall, als die Schifffahrtssperre am 30.03.2007 gegen 20.10 Uhr aufgehoben wurde.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Nutzungsausfall für 5 Tage und 5 Stunden mit der Begründung, durch die von MS »E« zu vertretende Schifffahrtssperre sei durch eine Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Nutzung des TMS »G« in das Eigentumsrecht der Klägerin an dem Schiff eingegriffen worden. Zwar hätten Schifffahrtstreibende im Rahmen des Gemeingebrauchs an der Wasserstraße verkehrsadäquate Störungen in Kauf zu nehmen. Es seien aber keine Fahrtunterbrechungen hinzunehmen, die auf grob fahrlässige, leichtfertige oder vorsätzlich gesetzte Ursachen zurück gehen. In diesen Ausnahmefällen erschiene es aufgrund des Grades der Pflichtverletzung, der regelmäßig einer Schiffsverkehrsgefährdung gem. § 315 a StGB gleichkommen dürfte, unbillig, dem durch Nutzungsausfall Geschädigten irgendwelche Duldungspflichten aufzuerlegen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt Der Beklagte zu 2., dessen Verhalten sich die Beklagte zu 1. zurechnen lassen müsse, habe in einer ausgesprochen verantwortungslosen Art und Weise die Reise angetreten, obwohl er positiv gewusst habe, dass weder die Betriebssicherheit für das Schiff, noch die Beförderungssicherheit für die verladenen Container gegeben gewesen seien.
In zeitlicher Hinsicht sei als sozialadäquat als oberste Grenze ein Zeitraum von 24 Stunden entschädigungslos hinzunehmen. Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 9.930,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 7.575,- € seit dem 14.06.2007, aus 550.60 € seit Klagezustellung und aus 1.800,- € seit Zustellung der Klageerweiterungsschrift vom 17.09.2007 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, hilfsweise den Beklagten vorzubehalten, das Recht auf Beschränkung der Haftung gern. §§ 4 bis 5m des Binnenschifffahrtsgesetzes geltend zu machen, wenn ein Fond nach § 5d Binnenschifffahrtsgesetz errichtet worden ist oder bei Geltendmachung des Rechtes auf Beschränkung der Haftung errichtet wird.
Die Beklagten tragen vor, das Rheinschifffahrtsgericht sei nicht zuständig. Der Hafen von Köln-Mülheim sei kein Teil des Rheins. Gem. Art. 34 Mannheimer Akte sei entscheidend nicht das schädigende Ereignis, etwa die Havarie auf dem Rhein, sondern der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist.
Darüber hinaus stehe der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch nicht zu. Die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung durch Nutzungsentzug seien nicht gegeben, eine Sperre von nur 5 Tagen reiche dazu nicht aus. Nur in extremen Fällen sei die Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung anzusehen, etwa bei einer Dauer von 8 Monaten. Behinderungen von wenigen Tagen seien in der Binnenschifffahrt hingegen typisch und als verkehrsadäquat hinzunehmen. Ein etwaiger Verschuldensgrad der Beklagten sei kein Maßstab für die Frage, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt.
Zudem liege keine Verletzungshandlung der Beklagten vor, denn sie hätten die Sperre nicht verhängt Die Sperre war zudem weder nötig noch sinnvoll.
Dem Beklagten zu 2. sei auch kein Verschulden an der Havarie anzulasten. Die Beladung sei nicht falsch oder fehlerhaft gewesen. Die während der Reise eingetretene Stabilitätsproblematik sei Folge verschiedener Ursachen gewesen, welche die Beklagten weder verursacht noch verschuldet hätte. Hilfsweise sei die Einrede der Beschränkung der Haftung im Sinne von § 5d Binnenschifffahrtsgesetz zu erheben...
Entscheidungsgründe:
Die Klage war als unbegründet abzuweisen.
1. Das Rheinschifffahrtsgericht ist zuständig gem. Art. 34 Abs. 2 c Mannheimer Akte. Danach ist das Rheinschifffahrtsgericht zuständig für alle mit der Rheinschifffahrt zusammenhängenden Unfälle, wobei auch Fernschädigungen erfasst werden (vgl. Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., Art. 34 Mannheimer Akte, Rdn 5 mit weiteren Nachweisen. Vorliegend wird ein Schadensersatzanspruch wegen eines Unfalls geltend gemacht, den das MS ”E“ bei seiner Fahrt auf dem Rhein erlitten hat, also aus einem mit der Rheinschifffahrt zusammenhängenden Unfall.
Zudem werden Häfen, die unmittelbar am Rhein liegen und mit diesem unmittelbar verbunden sind, im Hinblick auf die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte als Teile des Rheins angesehen (vgl. Straßburg Zfb 1969, Sammlung S. 74; Bemm/v. Waldstein, Einführung Rdn 91, Stichwort: Häfen mit weiteren Nachweisen). Dazu zählt auch der Hafen Köln-Mülheim.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin kann gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Eigentumsrechts der Klägerin an dem TMS »G« nicht zuerkannt werden. Zwar kann auch eine Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eine Eigentumsverletzung darstellen. Das setzt aber einen vollständigen und längerfristigen Entzug des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache voraus (vgl. BGHZ 55. 153; 86, 152). Die dazu erforderliche Frist kann als erfüllt angesehen werden bei einem mehrmonatigen Entzug (BGH a.a.O.) oder auch bereits bei einem mehrwöchigen Nutzungsausfall (vgl. Köln ZfB 1976, Sammlung S. 521), nicht aber bereits einer Nutzungsbeeinträchtigung von nur 5 Tagen. Aus den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Köln kann nicht entnommen werden, dass bereits ein Entzug von einigen Tagen ausreichen soll, sondern es wird auf einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen oder Monate) abgestellt.
Erst dann wird dem bloßen Nutzungsentzug die Qualität einer Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zugemessen, vergleichbar mit einer Substanzverletzung oder Substanzentziehung.
Auf das Maß des Verschuldens ist bei Beantwortung der Frage, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt, nicht abzustellen. Denn ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt zunächst eine Eigentumsverletzung voraus. Ist diese zu bejahen, so ist als weitere Voraussetzung des Anspruchs ein Verschulden des Schädigers erforderlich. Die beiden Kriterien sind also getrennt und unabhängig voneinander zu prüfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei der Frage der Eigentumsverletzung darauf abgestellt wird, dass eine sozialadäquate Störung hinzunehmen sei. Dies ist lediglich Ausfluss des Gedankens, dass bei dem Gemeingebrauch von Straßen vorübergehende Störungen der Nutzungsmöglichkeit der Fahrzeuge keine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, sondern erst - wie ausgeführt - bei erheblicher Dauer.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2008 - Nr.7 (Sammlung Seite 1983 f.); ZfB 2008, 1983 f.