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5 A 1955/87 - Oberverwaltungsgericht (-)
Entscheidungsdatum: 04.11.1988
Aktenzeichen: 5 A 1955/87
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberverwaltungsgericht Münster
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Die in der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) vom 17.10.1868 (i. d. F. des deutschen Wortlauts vom 11.3.1969, BGBIII., 597) gewährleistete Freiheit der Schifffahrt stellt nicht jegliche Betätigung, die gelegentlich des Transportes von Personen oder Waren auf dem Rhein erfolgt, von den Bindungen des innerstaatlichen Rechtes frei (hier: Betrieb von Spielbanken auf einem Rheinschiff).

2) Die Vorschriften des SpielbankG NW, die den Betrieb von Spielbanken juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von ihnen beherrschten Privatrechtsubjekten vorbehalten, stehen mit höherrangigem Recht in Einklang.

 

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster

vom 4. November 1988

5 A 1955/87

Zum Tatbestand:

Eine schweizerische Gesellschaft (Klägerin) beabsichtigte, auf einem den Rhein befahrenden Fahrgastschiff eine Spielbank zu betreiben. Sie vertrat die Auffassung, dass dieser Betrieb aufgrund des Freiheitsprinzips der Mannheimer Akte nicht genehmigungspflichtig sei. Im Hinblick auf die ablehnende Haltung der zuständigen Behörde erhob die Klägerin im Verwaltungsgerichtsverfahren Feststellungsklage und beantragte hilfsweise, die Behörde zur Erteilung der Genehmigung zu verpflichten.

Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Auch die Berufung wurde bezüglich beider Anträge zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

I.

Der Feststellungsantrag, dessen Zulässigkeit das VG mit zutreffender Begründung bejaht hat, ist unbegründet. Die KI. bedarf für den geplanten Spielbankbetrieb einer Erlaubnis.

1. Das Erfordernis einer Erlaubnis für den Spielbankbetrieb ergibt sich sowohl aus §284 StGB, der die öffentliche Veranstaltung eines Glückspiels ohne behördliche Erlaubnis mit Strafe bedroht, als auch aus den Vorschriften des Spielbankgesetzes NW, die die Erlaubnispflicht des Spielbankbetriebes voraussetzen (vgl. §§ 1, 2 SpielbankG NW).

2. ....
Gemäß Art. 1 der Mannheimer Akte soll die Schifffahrt auf dem Rhein von Basel bis in das offene Meer unter Beachtung der in diesem Vertrage festgesetzten Bestimmungen und der zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften den Fahrzeugen aller Nationen zum Transport von Waren und Personen gestattet sein (Absatz 1). Abgesehen von diesen Vorschriften soll kein Hindernis, welcher Art es auch sein mag, der freien Schifffahrt entgegengesetzt werden (Absatz 2).

Bereits nach ihrem Wortlaut gilt die Gewährleistung des Art. 1 der Mannheimer Akte nur für den „Transport von Waren und Personen". Dies schließt - wie das VG zutreffend hervorgehoben hat - grundsätzlich auch die mit dem Transport notwendig verbundenen Rechtsgeschäfte und Handlungen ein, zu denen etwa der Abschluss von Fracht- und Beförderungsverträgen oder der Ankauf von Treibstoff oder Proviant durch die Rheinschiffer gehören mögen, mit denen der Betrieb einer Spielbank aber nichts zu tun hat. Art. 1 der Mannheimer Akte stellt hingegen nicht etwa jegliche Betätigung, wenn sie nur gelegentlich des Transportes von Personen oder Waren auf dem Rhein erfolgt, von den Bindungen des innerstaatlichen Rechtes frei. Das folgt bereits aus dem Vorbehalt zugunsten „der zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften" (Art. 1 Abs. 1 3. Halbsatz der Mannheimer Akte) und wird durch die weiteren Vorschriften dieses Übereinkommens bestätigt. So verbietet Art. 3 Abs. 1 Abgaben, die sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung" gründen. Das lässt - ebenso wie andere spezifisch auf Beschiffung und Transport als solche zugeschnittene Bestimmungen (Art. 3 Abs. 2, Art. 4, 5) - den Schluss zu, dass die Uferstaaten solche Verhaltensweisen wegen des ihnen innewohnenden Gefahrenpotentials weiter reglementieren können, die nur gelegentlich der Beschiffung vorgenommen werden, ohne mit dieser zwangsläufig verbunden zu sein. Dem entspricht weiter, dass die Mannheimer Akte auch sonst die Befugnis der Uferstaaten als selbstverständlich voraussetzt, die Einhaltung von nicht spezifisch gegen die Beschiffung als solche gerichteten Bestimmungen zu überwachen, wozu namentlich Zollvorschriften (vgl. Art. 9, 11 -13 Mannheimer Akte) oder gesundheitspolizeiliche Bestimmungen (Art. 7 Abs. 1 Mannheimer Akte) gehören. Die ohnehin fernliegende Annahme, die Signatarstaaten der Mannheimer Akte hätten sich der Einflussnahme auf alle Verhaltensweisen begeben wollen, die gelegentlich der Beschiffung des Rheines erfolgen, selbst wenn diese mit Strafe bedroht sind, wird schließlich auch durch Nr. 8 des Schlussprotokolls entkräftet. Darin hatte der französische Bevollmächtigte unter Zustimmung der übrigen Bevollmächtigten bemerkt, dass die Befugnis der Uferstaaten nicht beschränkt werde, auch Übertretungen solcher polizeilicher Vorschriften unter Strafe zu stellen, die in den gemeinsam erlassenen Verordnungen nicht erwähnt seien.

Die Meinung der KI., dass die Vertragspartner über die Freiheit der Beschiffung des Rheins als solche hinaus eine allgemeine, am Land nicht gewährleistete Freiheit der wirtschaftlichen oder sonstigen Betätigung auf dem Strom hätten garantieren wollen, wird schließlich auch durch die Entstehungsgeschichte widerlegt. Denn nach der Präambel (vgl. PrGS 1869, 798) sollte die Freiheit der Rheinschifffahrt „in Bezug auf den Handel", nicht aber in Bezug auf andere Zwecke gewährleistet sein. Soweit es um den Betrieb von Spielbanken ging, fanden die Vertragschließenden der Mannheimer Akte im übrigen das kurz zuvor ergangene Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 1.7.1868 (BGBI NDB S. 367) vor, nach dessen § 1 öffentliche Spielbanken weder konzessioniert noch geduldet wurden. Dass es in der Absicht Preußens als Mitglied des Norddeutschen Bundes gelegen haben könnte, sich vertraglich zu einer Ausnahme von diesem bundesintern uneingeschränkt verbindlichen Verbot zu verpflichten, wäre eine durch nichts gerechtfertigte Annahme. 3. Soweit die KI. schließlich die Verfassungsmäßigkeit von § 3 SpielbankG NW in Zweifel zieht, wonach Gesellschafter eines Spielbankunternehmens nur juristische Personen des öffentlichen Rechts oder von ihnen abhängige juristische Personen des Privatrechts sein können, ist ihr Einwand ungeeignet, die Erlaubnispflicht als solche in Frage zu stellen. Dass der Landesgesetzgeber befugt war, eine solche Erlaubnispflicht einzuführen, steht im übrigen außer Frage.
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.3. 1970 - 2 BvO 1/65 - BVerfGE 28, 119 f.

II.

Auch die hilfsweise gestellten Sachanträge sind unbegründet, weil die KI. keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis hat. Es fehlt ihr schon an den in § 3 SpielbankG genannten persönlichen Voraussetzungen; überdies ist die von § 1 Satz 2 SpielbankG höchstens zugelassene Zahl von vier Spielbanken bereits erleicht.

Soweit die KI. die zuerst erwähnte, ihren Genehmigungsanspruch ausschließende Vorschrift pauschal in ihrer Verfassungsmäßigkeit anzweifelt, ist hierauf lediglich folgendes zu bemerken: Da die Erlaubnispflicht als solche verfassungsrechtlich unbedenklich ist, würde die Verfassungswidrigkeit des § 3 SpielbankG dazu führen, dass die Voraussetzungen der - weiterhin erforderlichen - Erlaubnis gesetzlich nicht geregelt wären. Die dadurch entstandene Lücke könnte nur der Gesetzgeber schließen; keinesfalls hätte sie zur Konsequenz, dass die Erlaubnis einstweilen voraussetzungslos zu erteilen wäre.

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.2.1976, - 1 B 96.75 -, Buchholz 11 Art. 12 Nr. 114, OVG NW, Urt. v. 28.2. 1979 - IV A 1663/75 -, OVGE 34,66 (67).

Der von der KI. gerügte Verfassungsverstoß liegt aber ohnehin nicht vor. Die Beschränkung des Kreises der Spielbankunternehmer in § 3 SpielbankG verletzt die KI. schon deshalb nicht in dem Grundrecht aus Art. 12 GG, weil ihr als ausländischer juristischer Person (Art. 19 Abs. 3 GG) dieses nur Deutschen vorbehaltene Freiheitsrecht nicht zusteht. Die Beschränkung ist im Übrigen unabhängig davon im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG unbedenklich, und zwar auch dann, wenn der Betrieb von Spielbanken dem Schutzbereich dieses Freiheitsrechtes zugerechnet würde.

Vgl. hierzu Scholz in Maunz-Dürig, GG, Art. 12 Rn 25, 28; BVerwG, Beschl. v. 2.2.1976, a.a.O.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.1 (Sammlung Seite 1247); ZfB 1989, 1247