Rechtsprechungsdatenbank

49 P - 6/76 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 02.06.1976
Aktenzeichen: 49 P - 6/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Zur fristgerechten Einreichung einer Berufungsbegründung gemäß Art. 37 Abs. 3 der Mannheimer Akte.

2) Ein Tankschifflöschplatz muß von vorbeifahrenden Schiffen mit größter Vorsicht passiert werden, um ein Brechen der zum Festmachen der zu löschenden Schiffe ausgebrachten Beidrähte zu vermeiden.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 2. Juni 1976 

49 P - 6/76

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)

Zum Sachverhalt:

Der Betroffene war durch Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts vom 17.4.1975 wegen Verstoßes gegen § 6.20 Nr. 1 b RhSchPolVO zu einer Geldbuße von 60,- DM verurteilt worden. Es wurde ihm zum Vorwurf gemacht, daß er als verantwortlicher Schiffsführer mit seinem Motortankschiff R mit so hoher Geschwindigkeit an dem bei Rhein-km 430,9 stilliegenden und an einer Verladeanlage löschenden Motortankschiff V talwärts vorbeigefahren ist, daß durch den von seinem Schiff ausgehenden Sog und Wellenschlag der achtere 20 mm starke Beidraht des Stilliegers gerissen ist. Mit Schriftsatz vom 23. 4. 1975 legte der Verteidiger gegen das bis dahin noch nicht, sondern erst am 29. B. 1975 zugestellte Urteil Berufung an die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt ein; er begründete das Rechtsmittel in einem Schriftsatz vom 23. 9. 1976, der am 24. 9. 1975 beim Gericht erster Instanz einging.
Die Berufungskammer der Rheinzentralkommission hat die Berufung als frist- und formgerecht erachtet, aber als unbegründet zurückgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:

Zwar waren im Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Berufungsbegründung (24. September 1975) mehr als vier Wochen seit Anmeldung der Berufung (23. April 1975) verstrichen und somit formell die in Antike) 37 Absatz 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von 1868 vorgeschriebene Berufungsbegründungsfrist überschritten; jedoch erfolgte die Anmeldung der Berufung bereits unmittelbar nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils und zeitlich vor dessen Zustellung. Da die Rechtsmittelfrist des Artikels 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte ausschließlich an die Zustellung des Urteils anknüpft und somit davon auszugehen ist, daß dem Berufungsführer während der gesamten Dauer der Berufungsfrist die schriftliche Ausfertigung des Urteils zur Verfügung stehen soll, erachtet die Berufungskammer die innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Urteilszustellung bei Gericht eingekommene Berufungsbegründungsschrift als eine zulässige und fristgerechte Wiederholung der vor Zustellung erfolgten Berufungsanmeldung, die zugleich auch deren schriftliche Rechtfertigung enthielt. Wie das Rheinschiffahrtsgericht in seinem Urteil vom 17 April 1975 zutreffend darlegte, war das Motortankschiff V ordnungsgemäß und ausreichend an der Verladestelle befestigt, und zwar mit Drähten, die in ihrer Stärke über den im Schiffsattest vorgeschriebenen Stärken lagen und die von dem Polizeiobermeister H. von der Wasserschutzpolizei Ludwigshafen, der die Drähte gesehen hat, als neuwertig bezeichnet wurden. Soweit der betroffene Schiffsführer darauf abhob, daß er die Talfahrt an diesem Tage an der Neckarmündung in Mannheim angetreten habe und somit bis zur Liegestelle des MTS V die Maschine seines Schiffes noch keine ausreichende Betriebstemperatur für volle Fahrtstufe erlangt habe, ist festzustellen, daß unter Berücksichtigung des Ablegemanövers in der Neckarmündung und der Ausfahrt aus dem Neckar in den Rhein bis zum Passieren des Stilliegers bei Rhein-km 430,900 durchaus eine Zeitspanne von ca. 1/2 Stunde vergangen sein kann, die als Maschinenbetriebszeit auch nach den eigenen Angaben des Betroffenen ausreichend war, um ein Fahren mit voller Fahrstufe zuzulassen. Das weitere Vorbringen der Verteidigung, daß auffälligerweise keine anderen der vielen an der dortigen Verladeanlage liegenden Schiffe in Schwierigkeiten geraten seien und die Führung des Talfahrers auch nicht von Bord des Motortankschiffes V auf den Drahtbruch aufmerksam gemacht worden sei, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen; denn wie das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend ausführte, lag das Motortankschiff V nach den glaubwürdigen Bekundungen seines Schiffsführers G. als letztes Fahrzeug am geographisch linken Ufer, so daß sehr wohl schon auf seiner Höhe die Führung des Motortankschiffes R angesichts des Endes der Reihe stilliegender Schiffe die Maschine ihres Fahrzeugs auf höhere Umdrehungszahl gebracht haben kann. Wie der Zeuge G. weiter ausführte, hatte die Besatzung des Motortankschiffes V nach dem Reißen des Drahtes alle Hände voll zu tun, um zunächst den Löschvorgang zu unterbrechen, da ein Abreißen der Rohrverbindung zum Lande drohte, und fand somit keine Zeit, um den Vorbeifahrer von dem Drahtbruch zu verständigen. Nach den Bekundungen des genannten Zeugen G. ist auch davon auszugehen, daß der hintere Beidraht keine übermäßig lose Bucht hatte, da man jedes Längerwerden der Drahtverbindung infolge des Austauchens des Schiffskörpers während des Löschvorgangs durch Einbringen von Reibhölzern ausglich. Im übrigen muß ein Tankschifflöschplatz von vorbeifahrenden Schiffen mit solcher Vorsicht passiert werden, daß auch bei einer geringfügigen Lose eines hinteren Beidrahtes dieser nicht abreißt. Entgegen der Meinung der Verteidigung ist die Berufungskammer der Auffassung, daß auch ein querab stehender hinterer Beidraht bei unvorsichtiger Vorbeifahrt abreißen kann; denn durch eine hohe Heckwelle wird das stilliegende Schiff so weit angehoben, daß bei dem nachfolgenden Wellental ein Beidraht, wenn er, wie durch die örtlichen Gegebenheiten an dem Liegeplatz des Motortankschiffes V bedingt, auf eine Länge von rund 25 m ausgebracht ist, durchaus brechen kann. Die Beiziehung eines Sachverständigen zur Begutachtung dieser Frage erschien der Berufungskammer nicht geboten.