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425 Z - 5/04 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 25.10.2004
Aktenzeichen: 425 Z - 5/04
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 25. Oktober 2004

425 Z - 5/04

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 10.04.2003 - 5 C 23/02 BSch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Zusammenstoßes, der sich am 10.11.2001 gegen 9.00 Uhr in dem zu diesem Zeitpunkt herrschenden dichten Nebel in der Ortslage Köln, im Bereich zwischen der Deutzer Brücke (bei Strom-km 687,93) und der Severinsbrücke (bei Strom-km 687,28), zwischen dem in der Radarfahrt zu Tal kommenden MS P und dem zu Berg kommenden Schubverband MS D/SL Z ereignet hat.

Die Klägerin ist Kasko-Versicherer des MS D (2013 t; 2 x 825 PS; 94,90 m lang und 11,40 m breit) und des SL Z (1716 t; 76,50 m lang und 11 m breit); sie klagt aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht des Schiffseigners. Der auf 2,10 m abgeladene Schubverband wurde von Pavol Andel, der zum Unfallzeitpunkt noch nicht im Besitz eines für den Rhein gültigen Radarpatentes war, verantwortlich geführt. Die Beklagten sind Eigner, zumindest Ausrüster des MS P (1772 t; 883 kw; 95 m lang, 9,50 m breit, beladen mit 1541 t Raps), das zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 1 verantwortlich geführt wurde. Seinerzeit wurden auf der Höhe der Unfallstelle rechtsrheinisch Baggerarbeiten durchgeführt. Zur Kennzeichnung des Arbeitsbereiches (Sperrfläche) waren am rechtsrheinischen Fahrrinnenrand Wahrschauflöße ausgelegt. Ferner war für die Strecke von Strom-km 689,6 bis Strom-km 687 ein Überholverbot angeordnet. Der Schwimmbagger lag zum Unfallzeitpunkt oberhalb der Deutzer Brücke im Sperrbereich still. Zur angegeben Zeit befand sich der Schubverband im dortigen Bereich, in dem üblicherweise Begegnungen Steuerbord an Steuerbord erfolgen, auf der Bergfahrt mit gesetzter blauer Seitentafel und Funkellicht. Zu Tal kam in der Radarfahrt das MS P, das nachfolgend im Nebel mit dem Vorschiff gegen den Vierkantbug des vorgespannten Schubleichters des Bergfahrers stieß. Bei dem Zusammenstoß wurden beide Fahrzeuge beschädigt. Im Zuge nachfolgender Manöver geriet dann MS P noch gegen das linksrheinisch am Steiger 4 stilliegende MFS B, das hierbei ebenfalls beschädigt wurde. Schallzeichen wurden vor der Kollision von keinem der unfallbeteiligten Fahrzeuge abgegeben. Mit der Klage macht die Klägerin den mit 107.517,11 € bezifferten Schaden geltend.

Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen:

Der Beklagte zu 1 als Schiffsführer des MS P habe den Unfall verschuldet, weil er entgegen der dort geltenden geregelten Begegnung Steuerbord an Steuerbord im Bereich der Bergfahrt rechtsrheinisch zu Tal gefahren sei. Im Fahrwasser der Bergfahrt habe sich die Kollision ereignet. Darüber hinaus habe der Schiffsführer des MS P die Kursweisung des SV D, der mit blauer Tafel und Funkellicht rechtsrheinisch zu Berg gefahren sei, nicht beachtet. Statt weisungsgemäß seinen Kurs leicht nach Backbord für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu legen, habe MS P eine Begegnung Backbord an Backbord gefordert und den Kurs nach Steuerbord gelegt. Dem Schiffsführer des SV D könne nicht vorgeworfen werden, dass er ohne Radarpatent gefahren sei. Die Sicht sei klar gewesen. Erst als SV D die Deutzer-Brücke unterfahren habe, habe er erkennen können, dass von der Severinsbrücke her Nebel schnell zu Tal gezogen sei. Wegen des Liegeverbots im Bereich der dortigen Brücken sei er langsam weiter gefahren in der Absicht, oberhalb der Severinsbrücke am nächsten Ankerplatz anzulegen. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 107.517,11 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 5.7.2002 zu zahlen, zusätzlich dinglich haftend mit einem am 10. November 2001 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS P. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen: Als MS P im dichten Nebel in Fahrwassermitte mit Radarhilfe zu Tal fahrend dabei gewesen sei, die Severinsbrücke zu unterqueren, sei das lange Echo des zu Berg kommenden Schubverbandes zu erkennen gewesen, der ebenfalls ziemlich die Mitte gehalten habe. Der Beklagte zu 1 als Schiffsführer des MS P habe sich über Funk als oberhalb der Köln-Deutzer Brücke fahrend gemeldet, die Geschwindigkeit reduziert und auf eine Kursweisung des Bergfahrers gewartet. Weil der Bergfahrer sich nicht gemeldet habe, habe der Beklagte zu 1 seine Funkdurchsage an die Bergfahrt wiederholt und danach gefragt, ob diese Steuerbord an Steuerbord oder Backbord an Backbord mache. Weil er zunächst keine Antwort erhalten habe, habe er seine Maschine gestoppt und sich entschlossen, nach Steuerbord auszuweichen. Rückwärts machen habe er nicht können, weil dadurch das Schiff die Steuerfähigkeit verloren hätte. Etwa zur gleichen Zeit habe der Schubverband nach rechtsrheinisch gehalten und über Funk durchgegeben: „Steuerbord an Steuerbord“. Da sei es jedoch schon zu spät gewesen. Der Unfall sei auf ein Verschulden des Schiffsführers des SV D zurückzuführen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren sei davon auszugehen, dass zur Unfallzeit im Bereich der Kölner Brücken dichter Nebel geherrscht habe und dass insoweit eine Weiterfahrt nur noch mit Radarhilfe zulässig gewesen sei. Der Schiffsführer des SV D sei jedoch, ohne einen Ausguck aufgestellt zu haben, mit dem Schubverband nach Sicht und ohne Abgabe von Signalen gefahren, obwohl die Fahrt schon vor Erreichen der Kölner Brücken wegen unsichtigen Wetters hätte eingestellt werden müssen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beiziehung der genannten Verklarungsakten durch das am 10.4.2003 verkündete Grund- und Teilurteil die Klage dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt und sie wegen des weiteren Drittels abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte zu 1 als Schiffsführer des MS P den Unfall verschuldet habe. Nach § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV müsse ein Fahrzeug in der Radarfahrt zu Tal das Dreitonzeichen geben und dieses Schallzeichen so oft wie notwendig wiederholen, seine Geschwindigkeit vermindern und, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen, sobald es auf dem Radarbildschirm ein Fahrzeug bemerke, dessen Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen könne, oder wenn es sich einer Strecke nähere, in der sich auf dem Radarbildschirm noch nicht wahrzunehmende Fahrzeuge befinden könnten. Gegen diese Sorgfaltspflicht habe der Beklagte zu 1 als Schiffsführer des MS P schuldhaft verstoßen. Dieser sei nach eigener Aussage mit MS P mit Radar in dichtem Nebel zu Tal gefahren und habe, wie auch durch seine Ehefrau, die Beklagte zu 2, bestätigt worden sei, dann im Bereich der Severinsbrücke ca. 700 bis 800 m voraus das Echo eines Bergfahrers bemerkt. Da, wie er weiter berichtet habe, die Vorauslinie seines Radargerätes auf den Kopf des entgegenkommenden Echos verlaufen sei und dieser Bergfahrer, nämlich SV D, auf zweifachen Anruf über Funk nicht geantwortet habe, sei ihm somit nach seiner eigenen Darstellung bewusst gewesen, dass der Standort oder der Kurs des entgegenkommenden Schiffes eine Gefahrenlage verursache. Als Radartalfahrer habe er somit seine Fahrt nur noch so schnell fortsetzen dürfen, dass er sofort hätte anhalten können. Der Kurs hätte so eingerichtet werden müssen, dass eine Vorbeifahrt mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand hätte erfolgen können. Angesichts der gegebenen unklaren Verkehrssituation auf dem Strom und einer möglichen Gefahrenlage hätte MS P anhalten und aufdrehen müssen. Es habe nicht genügt, die Maschine zu drosseln. Denn den Radartalfahrer treffe eine besondere Verantwortung, weil er mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal fahre und einen größeren Halteweg benötige als der Bergfahrer. Außerdem hätte MS P das Dreitonzeichen geben und so oft wie notwendig wiederholen müssen. Gegen diese besondere Sorgfaltspflicht habe der Beklagte zu 1 verstoßen, indem er trotz erkannter Gefahrenlage weitergefahren sei. Ein weiterer schuldhafter Verstoß des Schiffsführers von MS P gegen die RheinSchPV könne nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme dagegen nicht festgestellt werden. Ein Verstoß gegen § 6.04 RheinSchPV wegen Nichtbeachtung einer Kursweisung des Bergfahrers sei nicht gegeben, weil der Schiffsführer von SV D keine rechtzeitige und eindeutige Kursweisung, die die Talfahrt zu beachten gehabt hätte, erteilt habe. Ein schuldhafter Verstoß des Schiffsführers des MS P gegen eine bestehende Anordnung einer geregelten Begegnung Steuerbord an Steuerbord im Bereich der Unfallstelle könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Unstreitig sei zwischen den Parteien lediglich, dass der dort übliche Kurs der Schifffahrt eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord vorsehe. Ob darüber hinaus durch Schifffahrtszeichen gemäß Anlage 7 zur RheinSchPV auch eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord vorgeschrieben gewesen sei (Zeichen B.3 a), habe hingegen nicht festgestellt werden können.  Allein der Umstand, dass der Schiffsführer von MS P schließlich kurz vor der Kollision seinen Kurs nach Steuerbord gehalten habe und damit nicht im schifffahrtsüblichen Kurs habe begegnen wollen, begründe kein Verschulden an dem Unfall. Die Beachtung der schifffahrtsüblichen Kurse sei zur Zeit der Schleppschifffahrt von großer Bedeutung gewesen, weil starke Strömungen in den Flusskrümmungen die Fahrt schwierig und gefahrvoll gestaltet hätten. Die heutige Schifffahrt sei hingegen zu einer sicheren Fahrt auch gegen erhebliche Strömung in Flusskrümmungen und Hanglagen hinreichend technisch ausgerüstet. Unter diesen Umständen komme auf dem Rhein schifffahrtsüblichen Kursen nur noch an besonderen Gefahrenstellen Bedeutung in dem Sinne zu, dass anderen Fahrzeugen dort ein Weg zu weisen sei, der den gesteigerten Anforderungen an die Sorgfalt zur Vermeidung gefahrvoller Begegnungen entspricht (Straßburg, Urteil vom 10.06.1998, AZ 374 Z 7/98). Vorliegend sei bereits nicht ersichtlich, dass die Unfallstelle eine solche besondere Gefahrenstelle darstelle. Darüber hinaus verbleibe es aber auch im Bereich solcher besonderen Gefahrenstellen dabei, dass der Bergfahrer zur Kursweisung berechtigt und verpflichtet sei und der Talfahrer die Kursweisung zu beachten habe, selbst wenn die Talfahrt (gemeint: Bergfahrt) eine Weisung entgegen dem üblichen Kurs erteile. Aber auch den Schiffsführer des SV D treffe ein Mitverschulden an dem Unfall, weil der Schubverband in dichtem Nebel auf die spätere Unfallstelle zugefahren sei. Damit habe dessen Schiffsführer, da er kein Radarpatent besessen habe und deshalb nach § 4.06 Nr. 1 c RheinSchPV das Radar nicht habe benutzen dürfen, gegen die genannte Vorschrift verstoßen und die sich aus § 6.30 Nr. 3 RheinSchPV ergebende Verpflichtung zur sofortigen Fahrteinstellung nicht beachtet. Er sei nicht berechtigt gewesen, im Nebel auch nur bis zum nächsten Ankerplatz weiterzufahren. Ferner habe der Schiffsführer gegen die ihn nach § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV treffende Verpflichtung zur Abgabe von Schallzeichen verstoßen, weil auch aus seiner Sicht MS P in einem gefährdenden, zumindest unklaren Kurs entgegen gekommen sei. Darüber hinaus habe er als Bergfahrer entgegen § 6.04 RheinSchPV auch keine eindeutige und rechtzeitige Kursweisung gegeben. In Höhe der Hohenzollernbrücke und der Deutzer Brücke habe er nur Standortmeldungen abgegeben, letztere zudem nur ganz leise und undeutlich. Die schließlich auf Funkanfrage der Talfahrt erfolgte Kursweisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord sei zu spät erfolgt. Zur ausreichenden Kursweisung hätten wegen des Nebels das Funkellicht und die gesetzte blaue Tafel nicht genügt.

Es seien somit die Verschuldensbeiträge der Schiffsführer des MS P und des Schiffsführers des SV D gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sei eine Verteilung von 2/3 zu Lasten des Schiffsführers von MS P und von 1/3 zu Lasten des Schiffsführers von SV D angemessen. Dem Schiffsführer von SV D könne zugute gehalten werden, dass er im Nebel nur vorsichtig und sehr langsam weitergefahren sei und dabei den üblichen Kurs rechtsrheinisch gewählt habe. Dem Schiffsführer des MS P könne zugute gehalten werden, dass er ebenfalls im Nebel vor eine von ihm nicht zu verantwortende unklare Situation gestellt worden sei. Beide Schiffsführer hätten im Nebel nicht hinreichend sorgfältig gehandelt. Schwerer wiege allerdings der Verstoß des Schiffsführers des MS P, denn nach § 6.32 RheinSchPV treffe gerade den Radartalfahrer eine besondere Verantwortung, weil er mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal fahre und einen größeren Anhalteweg benötige als der Bergfahrer. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und ihre Rechtsmittel jeweils fristgerecht begründet. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass in dem angegriffenen Urteil ein Mitverschulden der Schiffsführung des SV D festgestellt worden ist.  Sie meint, der Unfall sei auf ein alleiniges Verschulden der Schiffsführung des Talfahrers zurückzuführen. Ein Mitverschulden des Schiffsführers des Schubverbandes sei nicht gegeben. Wenn ihm in dem angefochtenen Urteil angelastet werde, nicht die erforderlichen Kenntnisse in der Radarfahrt besessen zu haben, sei dies unzutreffend, weil er bereits seit dem 11.4.1978 über das tschechische Radarpatent verfüge und darüber hinaus im Februar 2002 das für die Fahrt auf dem Rhein erforderliche Radarpatent und das ungarische Radarpatent erworben habe. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage entsprechend den in 1. Instanz zuletzt gestellten Anträgen in vollem Umfang dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
ferner, unter Abänderung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 10.4.2003 die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Sie wiederholen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und meinen, die Nichtabgabe des Dreitonsignals, auf dessen Abgabe im übrigen der Verordnungsgeber durch Neufassung des § 6.32 RheinschPV ab 1.4.2002 verzichtet habe, könne dem Beklagten zu 1 als Schiffsführer nicht angelastet werden. Dies sei auch nicht unfallursächlich geworden. Bei der Fahrt nach optischer Sicht (Sichtweite praktisch null) habe der Schubverband notwendigerweise die Orientierung verloren und sei erst recht nicht in der Lage gewesen, der entgegenkommenden Schifffahrt sachgerechte Weisungen zu erteilen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Schiffsführer des Schubverbandes das Funksprechgerät unsachgemäß benutzt habe. Für den Schiffsführer des Talfahrers habe es nahegelegen, auf den Sprechfunk zu achten, anstatt beim Erkennen der Gefahr die Dreitonsignale zu geben, deren Lärm bekanntlich den Sprechfunk übertöne, so dass etwaige Ansagen gleichzeitig nicht wahrgenommen werden könnten. Nicht zutreffend sei auch, dass der Talfahrer unter den gegebenen Umstanden hätte anhalten und aufdrehen müssen, denn damit würden unerfüllbare Anforderungen gestellt.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten
Sie tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht angebrachten und begründeten Berufungen der Parteien sind zulässig; begründet ist, wenn auch nur teilweise, allein jene der Beklagten.  Das Rheinschifffahrtsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass beide Schiffsführungen den Zusammenstoß schuldhaft verursacht haben. Die Berufungskammer vermag jedoch unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrages der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren nicht festzustellen, dass das Verschulden der einen oder der anderen Seite überwiegt, so dass die in § 92c Abs. 1 Satz 2 BSchG enthaltene Regelung zur Anwendung kommt.

I.

Der Beklagte zu 1 als Schiffsführer von MS P hat die ihn bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter als Radartalfahrer treffende gesteigerte Sorgfaltspflicht nicht beachtet, was für den Unfall ursächlich geworden ist. Das Rheinschifffahrtsgericht hat dem Beklagten zu 1 zu Recht angelastet, dass er es bei der aus seiner Sicht bestehenden Gefahrenlage entgegen der Vorschrift des § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV unterlassen hat, das vorgeschriebene Dreitonsignal abzugeben und die Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass erforderlichenfalls noch Bug zu Tal hätte angehalten werden können. Auch wenn bei ihm die persönlichen Voraussetzungen zur Radarfahrt vorlagen, fällt zunächst auf, dass er bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren zur Sichtweite auf dem Bildschirm des benutzten Radargeräts eine Voraussicht von gut 1000 m und eine Achteraussicht von ca. 400 m angegeben hat und die eingeblendeten Entfernungsringe im Abstand von 200 m erwähnte. Das kann nicht stimmen, denn eine derartige Einstellung mit den geschilderten Sichtweiten gibt es bei den für den Rhein zugelassenen Radargeräten nicht, was auch unschwer der in den polizeilichen Ermittlungsakten befindlichen technischen Beschreibung seines Radargerätes entnommen werden kann. Es ist bei seinen Angaben anzunehmen, dass das Gerät seinerzeit auf den Entfernungsbereich 2 (800 m-Bereich, Entfernungsringabstand: 200 m) eingestellt war. Das bedeutet bei dem Gerät, dass - ohne Dezentrierung des Mittelpunkts - eine Voraussicht von 1200 m (150% des eingestellten Bereichs) und eine Achteraussicht von 800 m (100% des eingestellten Bereichs) vorhanden ist. Wird mit dezentriertem Mittelpunkt gefahren, so kann hierdurch die Voraussicht auf maximal 1400 m (175%) ausgedehnt werden, wobei dann eine Achteraussicht von noch 600 m (75%) vorhanden ist. Auf die letztgenannte Einstellung kann das Verhältnis zwischen den angegeben Werten für die Voraus- und Achteraussicht hindeuten, mit der recht häufig bei unsichtigem Wetter gefahren wird; so waren auch die Radargeräte auf dem Schubverband und auf TMS Zu eingestellt.

Berücksichtigt man, dass die Radarantenne achtern an Steuerbordseite auf dem 95 m langen Fahrzeug aufgestellt war, so war selbst bei nur 1200 m Voraussicht auf jeden Fall eine Strecke von gut 1100 m vor dem Bug seines Fahrzeuges zu überblicken. Wurde das lange Echo des immerhin ca. 170 m langen Verbandes erst erkannt, als dieser schon kurz oberhalb der Hohenzollernbrücke fuhr, wie der Beklagte zu 1 angegeben hat, als sich das Achterschiff des Talfahrers eben unterhalb der Severinsbrücke befand, so ist dies mit der zumindest vorhanden Sichtweite voraus auf dem Radarschirm vereinbar, da der Abstand zwischen der Severinsbrücke und der Hohenzollernbrücke etwa 1200 m beträgt. Allerdings wäre dann der sehr langsam und schon oberhalb der Hohenzollernbrücke bergwärts fahrende Schubverband bereits etwas früher auf dem Radarschirm - sorgsame Beobachtung des Bildes vorausgesetzt - sichtbar und auszumachen gewesen, und zwar überschlägig auf einem Abstand Kopf auf Kopf von ca. 1000 m. Wie die Beklagten im Verklarungsverfahren bekundet haben, lag ihr Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt so, dass der Kopf des Verbandes auf der Vorauslinie ihres Radargerätes lag. Wie der Verband selbst zur Vorauslinie lag, wurde nicht angegeben, und es fehlen auch Angaben dazu, wie der Verband bezogen auf die auf dem Radarschirm aufgrund der Kennzeichnung mit Radarreflektoren sichtbaren rechts- und linksrheinischen Pfeiler der erkannten Brücken lag. Immerhin ergibt sich hieraus aber, dass Berg- und Talfahrt auch aus Sicht des Talfahrers auf solchen Kursen lagen, aus denen bei weiterer Annäherung mangels Begegnungsabsprache eine Gefahrenlage entstehen konnte, so dass für den Talfahrer Anlass zum sofortigen Handeln bestand. Eine bloße Standortmeldung über Funk, wie sie nach den Angaben der Beklagten im Bereich der Severinsbrücke abgegeben worden sein soll, war kein geeignetes Mittel zur Abwehr der sich abzeichnenden Gefahr. Vielmehr wird die erkannte Bergfahrt in einem solchen Fall üblicherweise direkt wegen der anstehenden Begegnung angesprochen. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese Standortmeldung, die weder von dem Zeugen Kulsen noch von dem Zeugen van Ingen vernommen worden ist, tatsächlich abgegeben wurde. Denn selbst wenn dies zutrifft, hätte, nachdem eine Funkmeldung der Bergfahrt ausblieb, sofort gehandelt werden müssen durch Abgabe des Dreitonsignals und Geschwindigkeitsreduzierung auf das Maß, dass erforderlichenfalls noch rechtzeitig Bug zu Tal hätte angehalten werden können. Hierdurch wäre mit Sicherheit die Kollision zu vermeiden gewesen, zumindest in dieser Schwere. Denn bei rechtzeitiger Abgabe des Dreitonsignals wäre der Schiffsführer des Schubverbandes auf ankommende Talfahrt aufmerksam geworden und hätte - sei es über Funk oder durch Schallzeichen - der Talfahrt die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord erteilt, der diese dann noch hätte folgen können. Bei der von dem Beklagten zu 1 berichteten Geschwindigkeit des Talfahrers von ca. 14 - 15 km/h und der Geschwindigkeit des Verbandes von 4 - 4,5 km/h näherten sich die Fahrzeuge mit maximal 5,4 m/sec. Die behauptete Standortmeldung des Talfahrers erfolgte, als der höhenmäßige Abstand Kopf auf Kopf noch bei etwa 800 Metern lag. Um diese Strecke zurückzulegen, wäre ohne jegliche Geschwindigkeitsreduzierung eine Zeitspanne von rund zweieinhalb Minuten erforderlich gewesen, bei einem sofortigen Aufstoppen noch wesentlich mehr. Schon hieraus wird deutlich, dass nach dem Ausbleiben einer Antwort der Bergfahrt auf die behauptete Standortmeldung die sofortige Abgabe des Dreitonsignals noch rechtzeitig eine Verständigung über die dort übliche Begegnung Steuerbord an Steuerbord ermöglicht hätte und damit auch die Kursänderung der Talfahrt nach Steuerbord, nach rechtsrheinisch, kurz vor der Kollision unterblieben wäre. Zwar haben die Beklagten angegeben, dass erst nach der zweiten Funkdurchsage (Begegnungsanfrage), die nach Angaben des Beklagten zu 1 auf einen Abstand zwischen 200 bis 400m erfolgt sei, und Ausbleiben einer Antwort der Bergfahrt der Kurs des Talfahrers etwas nach Steuerbord gelegt worden sei. Das ist jedoch erkennbar so nicht zutreffend.

Denn wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Bergfahrt sofort geantwortet, und zu diesem Zeitpunkt lag die Talfahrt im höhenmäßigen Abstand zum Kopf des Schubverbandes von weniger als 200 m bereits in leichter Steuerbordschräglage, noch ein wenig geografisch links von dem gestreckt fahrenden Schubverband. Da sich die Anstoßstelle am Kopf des Schubleichters ausweislich der Lichtbilder in den Ermittlungsakten ganz außen im Bereich des Übergangs zur steuerbordseitigen Bordwand und bei MS P im Vorstevenbereich befindet, hat ersichtlich nur wenig zum Freifahren gefehlt.
Zu Unrecht halten die Beklagten der Auffassung des Erstrichters, die Talfahrt hätte bei der vorhandenen Situation anhalten und aufdrehen müssen, entgegen, bei dem geforderten Rückwärtsmanöver hätte das Fahrzeug die Steuerfähigkeit verloren. Das 95 m lange MS P ist entsprechend § 5.07 Nr. 1 RheinSchUO technisch so eingerichtet, dass unter Beibehaltung ausreichender Manövrierfähigkeit rechtzeitig Bug zu Tal angehalten werden kann, was von der SUK überprüft wird. Mithin war auch ein Anhalten, zumindest eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung bei MS P durchaus möglich. Nach den Anforderungen in den Richtlinien für die SUK muss bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 13 km/h die Geschwindigkeit Null nach Zurücklegen einer Fahrstrecke von maximal 480 Metern erreicht sein.

II.

Aber auch der Schiffsführer A des SV D hat den Unfall durch schuldhaftes Handeln, das die Klägerin sich zurechnen lassen muss, mitverursacht.


1.  Ihm ist zunächst vorzuwerfen, dass er entgegen § 6.30 Nr. 3 und Nr. 7 RheinSchPV bei Einsetzen des unsichtigen Wetters (dichter Nebel) mit dem ca. 170 m langen Schubverband nicht sofort die Bergfahrt eingestellt und soweit als möglich das Fahrwasser freigemacht hat. Zutreffend hat das Rheinschifffahrtsgericht - erkennbar vor allem aufgrund der Aussagen der unbeteiligten Zeugen K und I - es als bewiesen erachtet, dass der Schubverband im dichten Nebel auf die spätere Unfallstelle zugefahren ist, ohne jedoch näher darauf einzugehen, wo die wegen Einsetzen unsichtigen Wetters gebotene Fahrteinstellung durch den Bergfahrer hätte erfolgen müssen. Hierauf muss indessen eingegangen werden, denn die Beklagten behaupten, dass schon vor Erreichen der Kölner Brücken, mithin weit unterhalb der späteren Kollisionstelle, wieder Nebel aufgekommen sei und dass der Bergfahrer bereits dort die Fahrt hätte einstellen müssen. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass von dem Schubverband aus schon beim Erreichen der Zoobrücke und während der Fahrt auf der Strecke von der Zoobrücke (bei Strom-km 690,16) bis zur Hohenzollernbrücke (bei Strom-km 688,48) die zunehmende Sichtverschlechterung auszumachen war und dass der Verband spätestens in Höhe der Hohenzollernbrücke in dichten Nebel geraten ist. Das ergibt sich insbesondere aus der glaubhaften Aussage des Zeugen K, die in wesentlichen Punkten auch durch die Aussage des Zeugen I bestätigt wird. Wie Kulsen, der Schiffsführer von TMS Zu, der bei der Annäherung des Verbandes an die Zoobrücke vom Unterstrom her mit seinem Fahrzeug hinter dem Verband fuhr, ausgeführt hat, beabsichtigte er mit seinem Fahrzeug, den Schubverband noch vor der Baustelle zu überholen. Hiervon hat er dann abgelassen und ist dicht, ca. 100 m, hinter dem Verband geblieben. Wie er weiter berichtet hat, kam dann, als sie in Höhe der Zoobrücke waren, sehr schnell dichter Nebel - Sichtweite nur noch 100 m, vielleicht noch etwas weniger - auf. Der Verband vor ihm sei dann immer langsamer geworden und schließlich so langsam gewesen, dass er auf seinem Fahrzeug die Maschinenleistung soweit habe zurücknehmen müssen, dass die Maschine mit Minimaldrehzahl (Standgas) gelaufen sei. Er habe sich, wie er weiter ausgeführt hat, nicht getraut, an dem Verband vorbeizufahren, zum einen wegen des kurz oberhalb bestehenden Überholverbots, zum anderen, weil die Sicht für ein Überholen in der kommenden Brücke nicht gut genug gewesen sei und wegen der im Brückenbereich auf dem Radarschirm auftretenden Fehlechos. Er habe den Verband, als dieser die Hohenzollernbrücke passiert habe, schon nicht mehr optisch, sondern nur noch auf dem Radarschirm gesehen. Das deckt sich mit den Angaben, die der Zeuge vier Tage nach dem Unfall gegenüber der Wasserschutzpolizei gemacht und mit denen er die Situation noch etwas klarer beschrieben hat. Danach war er an der ersten Brücke (Zoobrücke) schon hinter dem Schubverband, den er noch vor der Baustelle zu überholen versucht hatte. Wegen der Sichtverhältnisse entschloss er sich, hinter dem Schubverband zu bleiben, an den er bis auf 100 m heranfuhr. Er fuhr direkt in Kiellinie und musste, wie er es ausgedrückt hat, hinter dem Verband fast stationär drehen, da dieser immer langsamer machte. Ab der Zoobrücke sei in sehr kurzer Zeit der Nebel ganz zugefallen und er habe den Verband nur noch im Radar erkennen können. Berücksichtigt man, dass nach den Angaben des Schiffsführers A im Verklarungsverfahren das Überholverbotsschild etwas oberhalb der Zoobrücke, etwa bei Rheinkilometer 690, stand und dass dem Vermerk der Wasserschutzpolizei vom 15.11.2001 in den Ermittlungsakten zu entnehmen ist, dass die Engstelle bergwärts mit dem bei Strom-km 689,6 ausgelegten Wahrschaufloß unterhalb der Hohenzollernbrücke begann, so wird aus dem Zusammenhang deutlich, dass der Zeuge K schon unterhalb der Zoobrücke von dem beabsichtigten Überholmanöver nach optischer Sicht Abstand genommen hat, weil er die Sichtverhältnisse dafür nicht als ausreichend ansah. Es war schon zu diesem Zeitpunkt neblig, was sich recht klar aus seiner Angabe gegenüber der Wasserschutzpolizei ergibt: “Ab der Zoobrücke fiel in sehr kurzer Zeit der Nebel ganz zu“.

Weniger präzise sind indes die Angaben des Zeugen van Ingen, der mit TMS C hinter TMS Zu bergwärts fuhr. Er erwähnte zunächst, dass er in Höhe der Zoobrücke noch ca. 300 m hinter TMS Zu gefahren sei. Er hat aber ersichtlich bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren verschiedentlich die Brücken durcheinander gebracht. Wenn er zunächst weiter berichtet hat, bei der Annäherung an die Hohenzollernbrücke sei Nebel aufgekommen und er sei dann, kurz nach Passieren der Hohenzollernbrücke, in den Nebel (Sichtweite vielleicht 100 m) geraten, so ist damit erkennbar die Zoobrücke gemeint. Denn der Zeuge hat später auf Frage ausgeführt, dass es beim Passieren der Zoobrücke noch nicht nebelig gewesen sei. Der Nebel sei aufgezogen, als sie sich der Hohenzollernbrücke genähert hätten. Man sei schon vor Erreichen dieser Brücke im Nebel gewesen. Der Schubverband sei dann ganz langsam gefahren.

Zwar hat auch dieser Zeuge noch am Unfalltag bei der Wasserschutzpolizei ausgesagt und dabei die Sichtweite mit ca. 100 m angegeben; konkrete Angaben zur Fahrt und zu den Sichtverhältnissen in diesem Bereich sind in der Vernehmungsniederschrift jedoch nicht enthalten. Immerhin kann aber auch seinen Angaben entnommen werden, dass dichter Nebel schon unterhalb der Hohenzollernbrücke vorhanden war, wie dies von dem Zeugen K berichtet wurde, und dass der Schubverband dann sehr langsam fuhr.

Was diese beiden, am Unfall nicht beteiligten Zeugen zu den Sichtverhältnissen berichtet haben, wird auch ansatzweise durch den nur von der Wasserschutzpolizei vernommenen Schiffsführer D von TMS D bestätigt. Er gab dabei an, er sei vor MS P im dichten Nebel zu Tal gefahren und habe im weiteren Verlauf weitere Bergfahrt, u.a. MS D, ganz normal (in diesem Bereich im Moment schifffahrtsüblich) Steuerbord an Steuerbord passiert. Da er selbst mit der Nebellage genug beschäftigt gewesen sei, habe er auf andere, nicht sein Schiff betreffende Funkgespräche nicht geachtet. Wenige Minuten später habe er dann eine weinerliche weibliche Stimme mit niederländischem Akzent gehört, die über Kanal 22 der NIF von der Kopf auf Kopf Kollision mit dem Koppelverband berichtet habe. Nach der Fahrweise des Schubverbandes befragt, gab er an, dass dieser, solange er ihn im Radar habe sehen können, ganz normal rechtsrheinisch zu Berg gefahren sei.  Angesichts dieser in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen dreier unbeteiligter Zeugen sind die Angaben des Schiffsführers A bei seiner Vernehmung als Zeuge im Verklarungsverfahren, die Sicht sei vollkommen klar gewesen und erst, als er mit dem Verband bereits oberhalb des ca. 200 m bergwärts von der Hohenzollernbrücke ausgelegten Wahrschaufloßes gewesen sei, habe sich oberhalb der Severinsbrücke (bei Strom-km 687,28) Nebel gebildet, nicht glaubhaft. Das gilt in diesem Punkt auch für die Angaben der beiden weiteren als Zeugen vernommenen Besatzungsmitglieder des Schubverbandes, es sei zunächst klar gewesen und man sei erst kurz vor dem Zusammenstoß im Nebel gewesen. Der Zeuge L, der Stammkapitän des Schubverbandes nur mit Donaupatent, der sich zum damaligen Zeitpunkt unter Deck in der Küche aufhielt, gab an, dass ihn der Schiffsführer A über Sprechfunk gerufen habe, er solle sofort ins Steuerhaus kommen. Dort habe ihm der Schiffsführer A gesagt, dass abgestoppt und ein Ankermanöver gemacht werde. Er habe dann nach der Kollision das Steuerhaus verlassen und sei in die Wohnung gegangen, um dort die Mannschaft zu wecken. Dem gegenüber berichtete der weitere Schiffsführer S, der nach seinen Angaben bis 06.00 Uhr die Schiffsführung innehatte und dann zu Bett gegangen ist, er sei von L geweckt worden, der gesagt habe, es käme Nebel und er müsse aufstehen, um Anker zu setzen. Als er daraufhin im Schlafanzug an Deck gegangen sei, sei die Sicht in diesem Augenblick klar gewesen. Diese Aussagen weichen erheblich voneinander ab und lassen auch keine Erklärung dafür erkennen, weshalb der Schiffsführer S, der nach dem Eintrag im Bordbuch von 06.00 bis 12.00 Uhr Ruhezeit hatte, zur Durchführung eines Ankermanövers geweckt worden sein soll, obwohl zur Unfallzeit nach dem Bordbuch neben dem Beklagten 2 und dem Stammkapitän L noch der Steuermann B und der Steuermann/ Maschinist im Einsatz waren. Auch die weitere Angabe des Zeugen S, er habe die Silhouette der Baggermaschine etwa 70 - 80 m vor dem Kopf des Verbandes und zu diesem Zeitpunkt etwa auf gleicher Höhe mit dem Koppelverband am linksrheinischen Ufer das MFS B liegen sehen, kann so nicht richtig sein. Das Fahrgastschiff lag am KD-Steiger Nr. 4 etwa in Höhe des bei Strom-km 688,28 ausgelegten Wahrschaufloßes, der Bagger jedoch etwa in Höhe von Strom-km 687,6. Träfen die Angaben des Zeugen zu, so hätte der Schubverband eine Länge von rund 500 m aufweisen müssen. Der Schiffsführer Andel wäre daher schon im Hinblick darauf, dass er nicht im Besitz eines für den Rhein gültigen Radarpatentes war und das Radargerät deshalb nicht benutzt werden durfte (§ 4.06 Nr. 1 Buchst. c RheinSchPV), als Führer des ca. 170 m langen Schubverbandes bei Einsetzen des unsichtigen Wetters bereits unterhalb der Hohenzollernbrücke zur Fahrteinstellung verpflichtet gewesen. Denn nach der seinerzeit gültigen Vorschrift des § 6.30 Nr. 7 RheinSchPV war die Fahrt bei unsichtigem Wetter für Fahrzeuge mit einer Länge von mehr als 110 m nur unter Benutzung der Radaranlage zulässig. Dem kann die Klägerin nicht unter Hinweis auf angeblich hinreichende Radarkenntnisse des Schiffsführers A entgegenhalten, dass nach ganz herrschender und richtiger Auffassung Schiffe Radar unterstützend zur Navigation bei der Fahrteinstellung einsetzen dürfen, wenn kein Inhaber des Radarpatentes an Bord ist. Denn dabei wird übersehen, dass dies nur jene Fälle betrifft, in denen die Benutzung des Radars gem. § 4.06 RheinSchPV erlaubt ist, aber im konkreten Fall nach optischer Sicht gefahren wird. Nichts anderes ergibt sich aus der von den Beklagten angeführten Fundstelle im Kommentar von Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizei¬verordnung, 3. Aufl., unter § 6.30 Rdnr. 10, insbesondere wenn dazu die Kommentierung unter § 4.06 Rdnr. 6 und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.9.1973 (Versicherungsrecht 1974, S.134 (135)) berücksichtigt werden. Unabhängig davon hätte, worauf das Rheinschifffahrtsgericht abgehoben hat, die Fahrt auch nach der allgemeinen Vorschrift des § 6.30 Nr. 3 RheinSchPV eingestellt werden müssen, denn mit einem Verband von 170 m Länge, auf dem, wie von der Klägerin unbestritten vorgebracht, nicht einmal ein Ausguck aufgestellt war, war bei einsetzendem dichten Nebel mit schwankenden Sichtweiten die gefahrlose Fortsetzung der Fahrt nicht mehr möglich. Gegen dieses Gebot hat der Schiffsführer A verstoßen, indem er weiter bergwärts bis in den Bereich gefahren ist, in dem nach seiner Darstellung seinerzeit eine Engstelle zwischen dem rechtsrheinisch liegenden Bagger und linksrheinisch liegenden Wahrschauflößen vorhanden gewesen sein soll. Dass der Schiffsführer Andel wegen des im dortigen Bereich bestehenden absoluten Liegeverbots beabsichtigte, noch etwas weiter zu fahren, um oberhalb der Liegeverbotstrecke (oberhalb der Severinsbrücke) vor Anker zu gehen, vermag ihn nach den zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts, denen sich die Berufungskammer anschließt, nicht zu entlasten. Es muss in diesen Fällen sofort angehalten werden, wobei allerdings das Fahrwasser so weit wie möglich freizumachen ist.

2.  Zu Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht dem Schiffsführer des SV D als weiteren schuldhaften Verursachungsbeitrag den Umstand angelastet, dass er unstreitig die bei dem unsichtigen Wetter nach § 6.33 RheinSchPV vorgeschriebenen Schallzeichen nicht gegeben hat.

3.  Darüber hinaus hat er es – ausgehend von seiner Darstellung der Sichtverhältnisse – auch versäumt, die nach § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV zur Kursweisung vorgeschriebenen Schallsignale abzugeben. Dies hätte, wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfolgen müssen, denn bei dem herrschenden Nebel und aufgrund der Tatsache, dass er selbst den ankommenden Talfahrer nicht optisch sehen konnte, war nicht nur zu befürchten, sondern von vornherein klar, dass der Talfahrer seine Begegnungsweisung gem. § 6.04 Nr. 3 Buchst. b RheinSchPV nicht rechtzeitig würde erkennen können, was notwendig gewesen wäre, um dieser noch ohne Gefahr Folge leisten zu können. Dies um so mehr, als der Schiffsführer des Schubverbandes sogar wusste, dass der Talfahrer mehr oder weniger auf Kollisionskurs entgegen kam. Denn nach eigener Angabe hatte er auf dem Radarschirm den Talfahrer etwa in Höhe der Severinsbrücke ausgemacht, als dieser sich etwa 10 m rechts neben der Vorauslinie seines Fahrzeuges befand, was bei einem höhenmäßigen Abstand von überschlägig 500 m zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 2 Grad entspricht.

Unter den gegebenen Umständen reichte es, um der Bergfahrt die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu geben, nicht aus, dass der Schubverband, wie aufgrund der Aussagen der Zeugen K und I feststeht, im rechtsrheinischen Fahrwasser mit gesetzter blauer Tafel und Funkellicht fuhr. Denn die Begegnungsweisung der Bergfahrt durch Setzen der blauen Tafel und Funkellicht war infolge des Nebels vom Talfahrer bei der Annäherung nicht zu erkennen. Dass dort, wie die Beklagten geltend machen, die Begegnung üblicherweise Steuerbord an Steuerbord erfolgt, ist ohne Belang, wie bereits das Rheinschifffahrtsgericht im einzelnen zutreffend dargelegt hat. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Die Abgabe der Schallsignale wäre unter diesen Umständen nur dann entbehrlich gewesen, wenn zu diesem Zeitpunkt durch eine Begegnungsabsprache über Funk, wie sie nur für Fahrzeuge in der Radarfahrt durch § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV ausdrücklich vorgeschrieben ist, Klarheit über die bevorstehende Begegnung schon bestanden hätte oder sofort geschaffen worden wäre. Nach § 6.30 Nr. 2 RheinSchPV müssen alle Fahrzeuge bei unsichtigem Wetter den anderen Fahrzeugen die für die Sicherheit der Schifffahrt notwendigen Nachrichten geben. Das ist jedoch nicht geschehen. Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend dargelegt hat, hat der Schiffsführer des Schubverbandes keine eindeutige und rechtzeitige Begegnungsweisung über Funk erteilt, weil es sich bei den in Höhe der Hohenzollernbrücke und der Deutzer Brücke erfolgten Funkdurchsagen nur um Standortmeldungen gehandelt hat und weil die erst danach gegebene Kursweisung zu spät erfolgt ist. Nach den Angaben des Zeugen K hat der Schiffsführer des SV D unterhalb der Hohenzollernbrücke lediglich eine Standortmeldung (“Schubverband zu Berg unterhalb der Hohenzollernbrücke”) abgegeben. Danach ist eine weitere Meldung bei der Deutzer Brücke erfolgt, deren Inhalt der Schiffsführer A im Verklarungsverfahren zwar mit “Begegnung Steuerbord an Steuerbord” angegeben hat. Das steht jedoch in Widerspruch zu der Aussage des Zeugen K, es sei sinngemäß durchgegeben worden “Schubverband zu Berg unterhalb der Köln-Deutzer Brücke”; dieser Funkspruch sei zudem sehr leise und nur undeutlich zu hören gewesen. Das ist glaubhaft, zumal der Zeuge dies in vergleichbarer Weise schon bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hat und dabei bereits zu der ersten Durchsage erwähnte, dass auch diese sehr leise und undeutlich zu hören gewesen sei. Dies wird, was die Vernehmbarkeit von Durchsagen des Schubverbandes betrifft, auch von dem Zeugen I bestätigt. Es hat dann, darin stimmen die Angaben der beiden unfallbeteiligten Schiffsführer überein, der Talfahrer über Funk die Bergfahrt angesprochen und, wie es der Zeuge K schilderte (“ Was wird das mit der Bergfahrt, Backbord an Backbord ?”), danach gefragt, wie die anstehende Begegnung erfolgen solle. Darauf hin wurde, so der Zeuge K, vom Bergfahrer die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord erteilt. Das deckt sich in etwa mit den Angaben des Schiffsführers A und des Zeugen L und ist, anders als die Angaben der Besatzung des Talfahrers, glaubhaft, zumal K dies schon so bei seiner Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei geschildert hat, insbesondere, dass der Schubverband sofort geantwortet habe. Zu diesem Zeitpunkt betrug jedoch, wie bereits oben ausgeführt wurde, der höhenmäßige Abstand keine 200 m mehr, so dass hierin keine rechtzeitige Begegnungsweisung des Bergfahrers mehr gesehen werden kann (vergl. BGH, VersR 1974, 282).

III.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass beide Schiffsführungen in erheblicher Weise die sie bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter treffenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt haben, bei deren Beachtung auf beiden Seiten es nicht zu dem Zusammenstoß gekommen wäre. Allein nach den zum Unfallhergang vorliegenden verlässlichen Erkenntnissen zum tatsächlichen Geschehen vermag die Berufungskammer jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass das Verschulden der einen Seite als schwerer zu bewerten ist als das der Gegenseite. Demgemäß sind nach § 92c Abs. 1 Satz 2 BSchG die Schiffseigner zu gleichen Teilen ersatzpflichtig, was gem. § 92 f BSchG auch für die Haftung der unfallbeteiligten Schiffsführer gilt und zur Folge hat, dass die Klage dem Grunde nach zu ½ gerechtfertigt ist. Insoweit hat von den von beiden Seiten eingelegten Berufungen nur jene der Beklagten in geringem Umfang Erfolg. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

Aus den dargelegten Gründen wird deshalb für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.4.2003 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort – 5 C 23/02 BSch – geändert:

Die Klage ist dem Grunde nach zur Hälfte gerechtfertigt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.