Rechtsprechungsdatenbank

413 Z - 2/02 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 03.06.2002
Aktenzeichen: 413 Z - 2/02
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 3. Juni 2002

413 Z - 2/02

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.3.01 - 5 C 31/00 BSch)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 29.2.00 gegen 21.30 Uhr auf dem Rheinstrom bei km 823,8 - Ortslage Xanten - ereignet hat.

Die Klägerin ist Eignerin des TMS K (108,40 m lang; 11,20 m breit; 2551 t groß; 750 PS stark). Die Beklagte ist Eignerin des KMS S (82,55 m lang; 11,30 m breit; 1636 BRZ groß; 600 PS stark).

Am Unfalltag befuhr das KMS S den Rhein in der Bergfahrt mit Ballast bei einem Tiefgang von 2,70 m und einer Geschwindigkeit von 9 - 10 km/h. Es wurde von dem Lotsen S. geführt. Gegen 21.30 Uhr näherte es sich der Ortslage Xanten. Die Nacht war klar, es herrschte Wind von WSW aus Richtung des linksrheinischen Ufers mit einer Stärke von ca. 6 Beaufort. Der Rhein führte Hochwasser. Entgegen kam zu Tal das unbeladene TMS K mit einem gemittelten Tiefgang von ca. 1 m und einer Geschwindigkeit von ca. 23 - 24 km/h. Wegen des starken Windes, der auf die 3 m hohen Aufbauten des leeren Schiffes drückte, durchfuhr es den aus seiner Sicht nach rechts führenden Bogen des Rheins in Backbord-Schräglage. Bei Rhein-km 823,8 kam es zur Kollision der beiden Schiffe, indem KMS S mit seinem Bug gegen den vorderen Bereich der Steuerbordseite von TMS K stieß und dann an dieser bis zum Heck entlang schrammte. Anschließend fuhr TMS K weiter in Backbord-Schräglage gegen das linksrheinische Ufer. Die Klägerin hat vorgetragen, KMS S sei rechtsrheinisch im Fahrwasser der Talfahrt gefahren. Schiffsführer M. habe den Bergfahrer mehrfach über Funk angerufen und gewarnt, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Erst durch die Kollision sei TMS K zur linksrheinischen Seite hinübergedrückt worden. Selbst wenn man die Darstellung der Beklagten als richtig unterstelle, treffe den Schiffsführer von KMS S ein Verschulden an der Anfahrung, weil er nicht rechtzeitig zum linken Ufer ausgewichen sei.

Durch den Unfall sei den Interessenten von TMS K ein Schaden entstanden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, auch dinglich haftend mit dem KMS S an sie zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, TMS K sei in Backbord-Schräglage auf das linke Rheinufer zu in den Kurs von KMS S hineingefahren. Der Lotse S. habe den Talfahrer zweimal über Kanal 10 angesprochen, dass die Begegnung backbord/backbord durchzuführen sei, habe aber keine Antwort erhalten. Obwohl Kapitän Mi. die Maschine noch auf „voll zurück" gestellt habe, habe die Kollision nicht mehr verhindert werden können.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beiziehung der genannten Verklarungsakten durch das am 26.3.2001 verkündete Urteil die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht festgestellt werden, dass KMS S entgegen dem Rechtsfahrgebot an der Unfallstelle über die Fahrwassermitte hinaus rechtsrheinisch im Kurs der Talfahrt gefahren sei. Im Gegenteil sei davon auszugehen, dass TMS K beim Durchfahren der Kurve des Rheins über die Fahrwassermitte hinaus in den Kurs der entgegen kommenden Bergfahrt gelangt sei. Nach der Aussage des Zeuge M. habe der genaue Kollisionspunkt in der Mitte des Fahrwassers gelegen. Da TMS K bis zur Kollision unverändert in Backbord-Schräglage durch die dortige Kurve des Rheins gefahren sei und mit der Steuerbordseite gegen KMS S gestoßen sei, müsse sein Kopf über die Fahrwassermitte hinausgeragt haben. Zudem spreche der Umstand, dass es nach der Kollision gegen das linksrheinische Ufer gefahren sei - also offenbar nicht mehr in der Lage gewesen sei, aufzustrecken und zwischen KMS S und dem linken Ufer hindurch zu Tal zu fahren - nachhaltig dafür, dass der Kollisionspunkt im linksrheinischen Teil des Fahrwassers gelegen habe. Ein Verschulden der Schiffsführung von KMS S deshalb, weil es nicht rechtzeitig hart an das linksrheinische Ufer herangefahren sei, bleibe zweifelhaft. Bei einem Kurs von etwa 70 m aus dem linksrheinischen Ufer könne ein Verstoß gegen § 9.04 Nr. 2 RhSchPV nicht angenommen werden. Das Fahrwasser sei im Bereich der Unfallstelle unstreitig so breit gewesen, dass die Talfahrt für eine Backbord/Backbord-Begegnung genügend Platz gehabt habe. Dass KMS S über die Mitte des Fahrwassers hinausgeraten sei, sei nicht erwiesen. Ein Verstoß gegen § 1.04 RhSchPV könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Es bleibe fraglich, ob eine Kollision vermieden worden wäre, wenn KMS S frühzeitig hart an das linksrheinische Ufer herangesteuert hätte; denn es sei nicht auszuschließen, dass TMS K nicht ohnehin so weit nach linksrheinisch gekommen wäre, dass es dort gegen den Bergfahrer gestoßen wäre. Ein Verschulden sei der Schiffsführung von KMS S auch nicht deshalb anzulasten, weil sie nicht kurz vor der Kollision noch nach steuerbord oder nach backbord gehalten und keine Achtungssignale gegeben habe. Schließlich könne ein Verschulden auch nicht aus unterlassener Geschwindigkeitsverringerung von KMS S abgeleitet werden.

Gegen dieses ihr am 5.4.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2.5.2001 Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16.5.2001, bei Gericht eingegangen am 17.5.2001, begründet.

Sie macht geltend, durch den Seitenwind sei das leere TMS K mit einem geschätzten Tiefgang des Vorschiffs von 0,20 - 0,30 m besonders gefährdet gewesen und habe daher in leichter Backbord-Schräglage den Kopf in den Wind halten müssen, um nicht auf das rechte Ufer abgetrieben zu werden. Erst durch die Kollision sei es in einen scharfen Backbordkurs in Richtung auf das linke Ufer hin abgedrängt worden. KMS S sei viel zu breit im rechtsrheinischen Teil der Fahrrinne zu Berg gekommen, die im Unfallbereich linksrheinisch verlaufe. Jedenfalls hätte es rechtzeitig mindestens 60 m näher zum linksrheinischen Ufer ausweichen können und müssen, da die Gefahrenlage schon frühzeitig erkennbar gewesen sei. Stattdessen habe KMS S rechthaberisch seinen Kurs beibehalten und das Rückwärtsmanöver viel zu spät eingeleitet, als der Unfall schon unvermeidbar gewesen sei. Die Interessenten von KMS S müssten sich daher jedenfalls ein erhebliches Verschulden anrechnen lassen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den in der Klageschrift gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, die stürmischen Winde hätten auf die Fahrweise von KMS S keinen Einfluss gehabt. Hingegen sei die Schiffsführung des windanfälligen, durch Sturm und starke Strömung bedrängten TMS K verpflichtet gewesen, die Fahrt einzustellen, um Beschädigungen fremder Rechtsgüter zu vermeiden. Seine Fahrweise habe eine Gefahrenlage hervorgerufen, die dann auch eingetreten sei. Bei nur kurzzeitigem Abflauen des Windes habe TMS K zwangsläufig in das Fahrwasser der Bergfahrt geraten müssen. Dem Schiffsführer von KMS S könne nicht vorgeworden werden, seinen Kurs beibehalten zu haben. Zwar habe der Zeuge S. den Talfahrer rechtzeitig gesehen, sei aber davon ausgegangen, dass dieser wieder den normalen Kurs nach rechtsrheinisch nehme. Als Kapitän Mi. die Gefahrenlage bemerkt habe, habe er sofort auf „voll zurück" gestellt. Dies sei die einzige Möglichkeit gewesen, eine Havarie eventuell noch zu vermeiden.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie kann von der Beklagten gemäß §§ 823, 249 BGB, 3, 92 ff., 114 BSchG 1/3 des ihr infolge des Schiffsunfalls vom 29.2.2000 entstandenen Schadens ersetzt verlangen. In Höhe von 2/3 muss sie sich gemäß §§ 254 BGB, 92 c BSchG ein Mitverschulden der Schiffsführung von TMS K anrechnen lassen. Entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts trifft auch die Schiffsführung von KMS S ein Verschulden an der Kollision; denn sie hat gegen ihre sich aus § 9.04 Nr. 1 b, 2 RhSchPV ergebende Verpflichtung verstoßen, ihren Kurs so weit nach Steuerbord zu richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr backbord an backbord stattfinden kann.

Zwar hält es die Berufungskammer in Anbetracht der einander widersprechenden Aussagen des Zeugen M. und des Zeugen A. einerseits und der Zeugen Mi. und S. andererseits, die alle dem Rechtsstreit nicht unbeteiligt gegenüber stehen, nicht für nachgewiesen, dass KMS S vor der Kollision im rechtsrheinischen Fahrwasser gefahren wäre. Die Zeugen M. und A. haben dies allerdings bekundet.

Nach der Aussage des Zeugen S. fuhr dagegen KMS S bis zur Kollision einen unveränderten Kurs mit einem Abstand von 70 m zum linksrheinischen Ufer. Auch der Zeuge Mi. hat die Entfernung zum linken Ufer auf 60 - 80 m geschätzt. Diesbezüglich erscheint die Angabe des Zeugen S. zuverlässiger, da er seinen Bekundungen zufolge den variablen Ring des Radargeräts auf 70 m eingestellt hatte und dieser gerade das Ufer berührte. Berücksichtigt man, dass Hochwasser herrschte - die Büsche und Bäume standen nach Darstellung des Zeugen Mi. im Wasser -, dürfte die Fahrrinne mindestens 30 m vom Ufer entfernt gewesen sein. Der Kurs von KMS S hätte also in einem Abstand von ca. 40 m vom linksrheinischen Rand der Fahrrinne gelegen. Unter diesen Voraussetzungen hätte die Kollision tatsächlich im linksrheinischen Fahrwasser stattgefunden. Nach Auffassung der Berufungskammer spricht mehr dafür, dass sich KMS S tatsächlich linksrheinisch gehalten hat, zumal für seine Schiffsführung kein Grund bestand, einen rechtsrheinischen Kurs zu steuern; denn die Fahrrinne verläuft in der Ortslage Xanten linksrheinisch, auf der Strecke herrscht die geregelte Begegnung. Angesichts der Windverhältnisse konnte es zudem günstiger erscheinen, sich näher ans linksrheinische Ufer zu halten, da die dort stehenden Büsche und Bäume einen gewissen Windschutz boten. Im Hinblick darauf, dass KMS S mit Ballast fuhr und einen Tiefgang von 2,70 m hatte, war es auch lange nicht so windanfällig wie TMS K. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass es etwa vor der Kollision durch die Sturmböen nach rechtsrheinisch versetzt worden ist. Der Zeuge M. und der Zeuge A. haben auch nichts über eine plötzliche Kursänderung von KMS S nach backbord im Zuge der Annäherung berichtet, sondern angegeben, es sei ihnen mit gleichbleibendem Kurs entgegen gekommen.

Da die Klägerin somit nicht nachgewiesen hat, dass KMS S zu weit nach rechtsrheinisch in den Kurs der Talfahrt geraten ist, können nur die Angaben der Zeugen Mi. und S. zugrunde gelegt werden, wonach es im Verlaufe der Annäherung einen unveränderten Abstand von rund 70 m zum linksrheinischen Ufer eingehalten hat. Mit dieser Fahrweise hat der Zeuge S. aber gegen das sich aus § 9.04 Nr. 1 b, 2 RhSchPV ergebende Gebot verstoßen, seinen Kurs so weit nach steuerbord zu richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr backbord an backbord hätte stattfinden können. Nach seinen eigenen Bekundungen hatte er den Talfahrer bereits aus größerer Entfernung sowohl auf dem Radargerät, mit dem er eine Voraussicht von ca. 1600 m hatte, als auch mit bloßem Auge gesehen und erkannt, dass dieser sich in Backbord-Schräglage auf Kollisionskurs näherte und leer war. Unter diesen Umständen musste sich dem Zeugen S. der Gedanke aufdrängen, dass der Talfahrer auf Grund der herrschenden Wind- und Strömungsverhältnisse in der Strombiegung Probleme hatte und seine Backbord-Schräglage beibehalten könnte, um eine Abdrift auf den rechtsrheinischen Grund zu verhindern. Er war daher gehalten, dem Talfahrer Platz zu machen und zum linksrheinischen Ufer auszuweichen, und zwar rechtzeitig, sobald er die Gefahrenlage erkannt hatte; dies war seinen eigenen Angaben zufolge bereits vor seiner Funkdurchsage bei einer Entfernung von ca. 500 m der Fall. Zwar mag die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts zutreffen, dass ein unmittelbar vor dem Zusammenstoß durchgeführtes Steuerbordmanöver nur zu einer Kopf-auf-Kopf-Kollision geführt hätte. Der Zeuge S. muss sich aber vorwerfen lassen, dass er nicht schon erheblich früher reagiert, vielmehr seinen Kurs unverändert beibehalten hat.

Die Berufungskammer ist abweichend vom Rheinschifffahrtsgericht davon überzeugt, dass der Unfall dann hätte vermieden werden können.

Wie bereits ausgeführt, lag der Kurs von KMS S bei einem Abstand von ca. 70 m zum Ufer etwa 40 m vom linksrheinischen Rand der Fahrrinne entfernt. Es hätte also mindestens 30 m nach steuerbord ausweichen können. Dass sich die Kurse von TMS K und KMS S auch dann geschnitten hätten, wenn letzteres hart linksrheinisch am Rande des Fahrwassers gefahren wäre, kann nicht angenommen werden. Die Stromkrümmung zwischen Rhein-km 822 und Rhein-km 824 ist ausweislich der Rheinkarte bei weitem nicht so stark, wie dies die Zeugen Mi. und S. in ihren Unfallskizzen dargestellt haben. Entsprechend geringer muss die Backbord-Schräglage von TMS K gewesen sein. Berücksichtigt man, dass KMS S mit dem Bug vorne in Höhe des ersten Tanks gegen die Steuerbordseite von TMS K gestoßen ist, kann letzteres den Kurs des Bergfahrers mit seinem Steuerbordvorschiff nur um wenige Meter geschnitten haben. Dass es ohne die Kollision weiter Vorausfahrt nach backbord zum linken Ufer gemacht hätte, ist nicht nachgewiesen.

Der Zeuge Mi. hat zwar ausgesagt, der Talfahrer sei in Schräglage auf sie zugekommen und unter Beibehaltung seines Kurses nach der Kollision gegen das linksrheinische Ufer gefahren. Eine entsprechende Querfahrt hat der Zeuge auch in der von ihm gefertigten Unfallskizze dargestellt. Dagegen hat der Zeuge S. bekundet, der Talfahrer habe sich richtig in den Hang hineinfallen lassen. Insofern kann eine Querfahrt von TMS K nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, zumal die beiden Zeugen - wie auch das Rheinschifffahrtsgericht nicht verkennt - in eigener Sache ausgesagt haben. Auch der Umstand, dass TMS K nach der Kollision in das linksrheinische Ufer gefahren ist, spricht nicht zwingend dafür, dass es schon vorher einen entsprechenden Backbord-Kurs gefahren wäre; denn es erscheint ohne weiteres möglich, dass es durch den Zusammenstoß weiter nach backbord abgedrängt wurde, zumal seine Geschwindigkeit nach der Darstellung des Zeugen M. immer noch 16 - 17 km/h betrug.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Unfall vermieden worden wäre, wenn KMS S rechtzeitig zum linksrheinischen Fahrwasserrand ausgewichen wäre.

Die Klägerin muss sich aber ein mitwirkendes Verschulden des Zeugen M. an der Kollision anrechnen lassen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat im Ergebnis zu Recht ein Verschulden des Schiffsführers von TMS K an der Kollision bejaht, da er unter Verstoß gegen § 9.04 Nr. 1 b, 2 RhSchPV in den Kurs der Bergfahrt geraten ist.

Allerdings kann dem Zeugen M. nicht schon allein daraus ein Vorwurf gemacht werden, dass er sich als Talfahrer im Bereich der geregelten Begegnung nach § 9.04 Nr. 1 b RhSchPV nicht ausschließlich in der rechten Hälfte der Fahrrinne gehalten hat, wie es das Rheinschifffahrtsgericht angenommen hat. Denn ein dem Straßenverkehr vergleichbares Rechtsfahrgebot gibt es hier nicht. Im Rahmen der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung bestehen Rechtsfahrgebote nur aus Gründen der Verkehrssicherung im engen Fahrwasser, nicht aber allgemein bei der geregelten Begegnung (Bemm/v. Waldstein, RhSchPV, 3. Aufl., § 9.04 Rn. 1; Pabst, ZfB 72, 1359). Dementsprechend hat auch die Berufungskammer der Zentralkommission keineswegs einem strengen Rechtsfahrgebot das Wort geredet und das Fahrwasser im Bereich der geregelten Begegnung nicht zwischen Berg- und Talfahrt aufgeteilt, sondern die beiderseitigen Pflichten beim Begegnungsverkehr an den bei diesem Manöver möglichen Gefahren ausgerichtet (ZfB 96, 1570 und 98, 1671; Urt. v. 22.11.2000 - 403 Z - 7/00 - und v. 10.5.2001 - 406 Z - 2/01 -). § 9.04 Ziff. 2 RhSchPV gebietet es nur, dass die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs so weit nach steuerbord richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr backbord/backbord stattfinden kann.

Von einer Gefahrenlage ist aber auszugehen, wenn Berg- und Talfahrer nicht hart am Rande ihres Fahrwassers fahren (Bemm/v. Waldstein a.a.O. § 9.04 Rn.3). Dies war hier der Fall. Nach der Aussage des Zeugen M. im Verklarungsverfahren hat die Kollision in der Mitte des Fahrwassers stattgefunden. Der Bergfahrer war ihm auf Kollisionskurs entgegen gekommen, was der Zeuge M. bereits bemerkt hatte, als er sich etwa in Höhe von Rheinkm 821, also in einer Entfernung von über 2,5 km von der späteren Unfallstelle, befand. Seine nach seiner Darstellung bei Rhein-km 221,5 und bei einer Entfernung der beiden Schiffe von ca. 1000 m erfolgten Anrufe über Kanal 10 waren ohne Reaktion geblieben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er daher zur Vermeidung einer möglichen Kollision nach steuerbord näher zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne hin ausweichen müssen.

Auch unter Berücksichtigung der ungünstigen Witterungsverhältnisse war dort noch genügend Platz vorhanden. Ausweislich der Rheinkarte beträgt die Strombreite im Unfallbereich ca. 300 m. Am Unfalltag mögen es im Hinblick auf das Hochwasser rund 400 m gewesen sein, wie der Zeuge S. angegeben hat. Wie sich aus der Rheinkarte ergibt, verläuft die Fahrrinne zwischen Rhein-km 823 und Rhein-km 824 nahe am linksrheinischen Ufer und ist ca. 150 m breit. Auch wenn der Zeuge M. im Bereich der Rechtskurve des Rheins den Kopf von TMS K in den Wind halten wollte, um zu verhindern, dass das Schiff durch die Sturmböen gegen den rechtsrheinischen Grund abgetrieben wurde, hätte er mit einer entsprechenden Backbord-Schräglage ein erhebliches Stück weiter rechtsrheinisch fahren können und müssen, um eine gefahrlose Begegnung zu ermöglichen. Der Zeuge M. hat jedoch seinen eigenen Angaben zufolge seinen Kurs im Bereich der Mitte der Fahrrinne unverändert beibehalten. Damit hat er schuldhaft gegen § 9.04 Nr. 1 b, 2 RhSchPV verstoßen. Sofern aber das leere TMS K unter den zur Unfallzeit herrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen nach der Einschätzung des Zeugen M. nur dann ohne die Gefahr einer Abdrift ans Ufer durch die Strombiegungen fahren konnte, wenn es sich mitten im Fahrwasser in Backbord-Schräglage hielt, so hätte es die nautische Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 RhSchPV geboten, die Fahrt rechtzeitig einzustellen; denn eine solche Fahrweise brachte eine erhebliche Gefährdung der sonstigen Schifffahrt mit sich. Insbesondere bestand die Gefahr, dass TMS K bei einem plötzlichen Abflauen des Windes Vorausfahrt nach backbord machte und so den Kurs eines Bergfahrers schnitt.

Dass sich diese Gefahr auch tatsächlich in dieser Weise verwirklicht hätte, ist allerdings - wie schon erörtert - nicht nachgewiesen. Dem Zeugen M. kann daher nur angelastet werden, dass er nicht rechtzeitig vor der Begegnung nach steuerbord gehalten hat, um eine gefahrlose Vorbeifahrt backbord an backbord zu gewährleisten.

Nach alledem ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass beide Schiffsführer die Kollision schuldhaft verursacht haben. Bei der gemäß §§ 254 BGB, 92 c BSchG vorzunehmenden Abwägung erscheint eine Schadensverteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Interessenten von TMS K angemessen. Beide Schiffsführer haben gegen ihre sich aus § 9.04 Nr. 1 b, 2 RhSchPV ergebende Verpflichtung verstoßen, ihren Kurs so weit nach steuerbord zu richten, dass eine gefahrlose Begegnung hätte stattfinden können. Sie haben auch gleichermaßen die in der Gefahrenlage gebotenen Achtungssignale unterlassen (vgl. Bemm/v. Waldstein, RhSchPV, § 6.04 Rn. 28 ff; § 9.04 Rn. 2). Allerdings kann nicht angenommen werden, dass dieser Verstoß für die Kollision mitursächlich geworden ist, da sowohl der Zeuge M. als auch der Zeuge S. die gefährliche Situation nach ihren eigenen Angaben frühzeitig erkannt, aber gleichwohl an ihrem Kollisionskurs festgehalten haben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abgabe von Schallsignalen durch den jeweiligen Gegenfahrer Einfluss auf ihre Fahrweise genommen hätte; denn jeder beharrte auf seinem Kurs und erwartete von dem Anderen ein Ausweichen.

Dabei wiegt allerdings der Verschuldensanteil des Zeugen M. deutlich schwerer als derjenige des Zeugen S. Der Zeuge M. hat mit seiner Fahrweise in Backbord-Schräglage eine besondere Gefahrenlage geschaffen. Nach der eigenen Darstellung der Klägerin war das leere, mit einem Tiefgang des Vorschiffs von nur 0,20 - 0,30 m äußerst seitenwindempfindliche TMS K bei den zur Unfallzeit herrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen nur noch eingeschränkt manövrierfähig und bildete, wenn es nach der Einschätzung seines Schiffsführers die Strombiegungen nur bewältigen konnte, indem es in Schrägstellung wie ein Segelschiff den Kopf in den Wind hielt, ein erhebliches Hindernis für die übrige Schifffahrt. Die dem Zeugen M. obliegenden nautischen Sorgfaltspflichten hätten es daher geboten, die Fahrt rechtzeitig einzustellen. Bei dieser Sachlage bewertet die Berufungskammer das Verschulden des Zeugen M. doppelt so hoch wie dasjenige des Zeugen S. Die Klägerin kann daher nur 1/3 des ihr entstandenen Unfallschadens ersetzt verlangen.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.3.2001 - 5 C 31/00 BSch - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage ist dem Grunde nach zu 1/3 gerechtfertigt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs wird der Rechtsstreit an das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.