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Urteil des Amtsgerichts St. Goar (Rheinschifffahrtsgericht)
vom 15.05.2006
4 C 9/05.BSchRh
Tenor:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger als Gesamtschuldner 3.133,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2005 zu zahlen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern 77,19 %, den Beklagten 22,91 % auferlegt.
4. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung von 3.700,00 EUR, im übrigen ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die unter der Bezeichnung "FK" handelnden Kläger sind Eigentümer der Fähre "P", welche 3 5,36 m lang und 9,40 m breit ist. Sie ist von zwei Schottelmotoren, welche jeweils 12 0 PS leisten, angetrieben und verkehrt bei Rhein-km 546,200 zwischen dem rechtsrheinisch gelegenen K und der auf der linken Rheinseite gelegenen "Eburg".
Der Beklagte zu 1. ist Eigentümer bzw. Ausrüster von TMS "N", mit dem der Beklagte zu 2. am 13. Februar 2005 gegen 18.20 h in dem fraglichen Bereich leer zu Berg fuhr. Kurz bevor TMS "N" die linksrheinisch gelegene Anlegestelle der Kläger passierte, legte der Kläger zu 1., welcher zu dem fraglichen Zeitpunkt die Fähre führte, mit der Fähre von dem linksrheinischen Ufer ab, um den Fluß zu queren. Etwa in der Mitte des Stromes kam es zum Zusammenstoß der beiden Schiffe, wobei TMS "N" mit dem Steben in das vordere Drittel der Fähre kurz vor dem Steuerhaus auf dessen Backbordseite fuhr.
An der Fähre entstand erheblicher Sachschaden, während TMS "N" lediglich Farbschäden erlitt.
Die Kläger begehren von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz des ihnen entstandenen Schadens, den sie auf insgesamt 13.734,21 EUR beziffern und tragen vor:
Das Tankmotorschiff sei für den Kläger zu 1. nicht erkennbar gewesen, da es rechtsrheinisch dicht unter dem Land zu Berg gefahren sei. Es sei dann auf die Fähre "zugeschossen", ohne dass der Kläger zu 1. habe reagieren können. Der Beklagte zu 2. habe auch keinerlei Schallzeichen gegeben. Dabei sei die Fähre wegen der vorhandenen Lichtführung klar erkennbar gewesen. Der Beklagte zu 2. habe deshalb das Tankmotorschiff anhalten müssen, was bei der Fahrt gegen den Strom ohne weiteres möglich gewesen wäre.
Die Kläger beantragen,
die Beklagten zu 1. u. 2. zu verurteilen, an die Kläger 13.734,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2005 als Gesamtschuldner zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, TMS "N" sei mittig im Strom geführt worden, was vor allem deshalb geschehen sei, um die auf der linken Rheinseite liegende Fähre frei zu fahren. Die Beklagte zu 2. sei davon ausgegangen, dass die Fähre rechtzeitig abstoppe, um nach der Vorbeifahrt des Tankmotorschiffs die Querfahrt fortzusetzen. Als dann erkennbar gewesen sei, dass die Fähre dessen Vorfahrt nicht beachte, sei es für den Beklagten zu 2. nicht mehr möglich gewesen, das Schiff abzustoppen oder durch Warnung dem Kläger zu 1. es zu ermöglichen, den Zusammenstoß zu vermeiden.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Die Ermittlungsakten der WSP St. Goar (AZ: 976/05 WSD Südwest) waren Gegenstand der Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Der Kläger zu 1. hat den Zusammenstoß der beiden Schiffe zum überwiegenden Teil verursacht. Er hat die dem Tankmotorschiff zustehende Vorfahrt grob missachtet. Dem Beklagten zu 2. ist dagegen nur vorzuwerfen, dass er die Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und nicht alles getan hat, um den Zusammenstoß der beiden Schiffe zu vermeiden.
1. Aufgrund des beiderseitigen Sachvortrages der Parteien und dem Inhalt der Ermittlungsakten der WSP St. Goar ist davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. den Zusammenstoß der beiden Schiffe zum überwiegenden Teil selbst verschuldet hat. Er war Führer einer Fähre, die beabsichtigte, den Rhein bei Strom-km 54 6,200 zu queren. Gemäß § 6.23 Nr. 1 RhSchPVO dürfen Fähren eine Wasserstraße nur queren, wenn sie sich vergewissert haben, dass der übrige Verkehr eine gefahrlose Überfahrt zulässt. Dieser Verpflichtung ist der Kläger zu 1. objektiv nicht nachgekommen: Er hat zwar behauptet und auch durch Zeugenbeweis unter Beweis gestellt, er habe sich vor Beginn der Überfahrt sorgfältig vergewissert, dass weder Berg- noch Talfahrt im Revier sei. Da es indes kurze Zeit nach dem Ablegen der Fähre zu dem Zusammenstoß mit dem zu Berg fahrenden TMS "N" kam, kann die Behauptung des Klägers nicht stimmen: TMS "N" war ordnungsgemäß beleuchtet. Der Rhein ist im Bereich der Unfallstrecke über mehrere km zu Tal frei einsehbar. Der Kläger hätte jedenfalls auch bei herrschender Dunkelheit TMS "N" auf dem Radarbildschirm erkennen können, wenn er das Radarbild sorgfältig ausgewertet hätte. Dabei spielt keine Rolle, dass TMS "N", wie gemäß § 9.07 RhSchPVO vorgeschrieben, nicht entlang des linken Rheinufers die Fahrspur der Bergfahrt einhielt, vielmehr in der Mitte des Stromes oder gar rechtsrheinisch zu Berg fuhr. Die Vorfahrt des Längsverkehrs bezieht sich nämlich auf die gesamte Wasserfläche des Rheines. Dies folgt bereits daraus, dass jedenfalls Fahrgastschiffe auch auf der rechten Rheinseite festmachen und alsdann den Übergang zum linken Fahrwasser machen müssen. Dass TMS "N" infolge Fehlechos auf dem Radarbildschirm nicht sichtbar gewesen sei, haben die Kläger weder behauptet, noch sind entsprechende technische Gegebenheiten bekannt. Auch der von den Klägern angebotene Zeugenbeweis ist nicht geeignet, ihren Sachvortrag zu stützen. Die auf der Fähre ebenfalls anwesenden Zeugen haben im Ermittlungsverfahren ausgesagt, das zu Berg fahrende Tankmotorschiff erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß oder danach wahrgenommen zu haben. Der Zeuge D, der auf einer Skizze einen Kollisionswinkel von 45 Grad beschrieben hat, war selbst nicht Zeuge des Unfalles und hat die Skizze aufgrund von Mitteilungen des Klägers zu 1., die dieser über Funk gemacht hatte, gefertigt.
2. Allerdings ist davon auszugehen, dass auch der Beklagte zu 2. nicht alles getan hat, um den Unfall zu verhindern und somit zumindest gegen § 1.04 RhSchPVO verstoßen hat. Dabei ist das Gericht der Auffassung, dass der Verstoß gegen das Rechtsfahrverbot nicht als gravierendes Verschulden ins Gewicht fällt. Dem Beklagten kann nicht widerlegt werden, er habe den Kurs in der Strommitte deshalb gewählt, um schädlichen Sog- und Wellenschlag auf die Fähre zu vermeiden. Eine solche Rücksichtnahme mag im vorliegenden Fall auch deshalb geboten gewesen sein, weil wegen des Niederschlages in den vergangenen Tagen die Pegel des Rheines stark angewachsen waren. Dies hatte aber auch zur Folge, dass der Fährführer verstärkt auf Treibgutachten musste. Dieses ist vor allem für querfahrende Fahrzeuge, wie die Fähre der Kläger, die auf ihrer Breitseite über 35 m von den zu Tal schießenden Wassermassen angeströmt wird, der Fall. Der Beklagte zu 2. musste deshalb auch damit rechnen, dass die Aufmerksamkeit des Fährführers verstärkt auf dieses Treibgut gerichtet war und er das nicht im normalen Weg der Bergfahrt fahrende TMS übersehen hatte. Auch wenn es üblich sein sollte, dass Fähren sich dem Kurs der längsfahrenden Schiffe auf wenige Meter nähern, hätte deshalb Anlass bestanden, die Fähre entweder über Funk oder durch Schallzeichen zu warnen. Dem steht nicht entgegen, dass, wie die Beklagten meinen, eine ausreichende, den Schaden verhütende Reaktion des Fährführers nicht mehr möglich gewesen wäre: Die Warnpficht war bereits gegeben, als sich die Fähre dem Kurs des Bergfahrers soweit genähert hatte, dass der Beklagte zu 2. mit einem Fehlverhalten des Klägers zu 1. hat rechnen müssen. Dabei ist zu beachten, dass die Fähre sicherlich in einer Entfernung von etwa 15 m vom Kurs des Bergführers zum Stillstand kommen musste und auch zuvor die Fahrt aus dem Schiff hat nehmen müssen, was dem Beklagten zu 2. bei aufmerksamer Beobachtung nicht entgangen wäre. Hätte der Beklagte zu 2. zu diesem Zeitpunkt, also etwa 2 0 Sekunden vor dem Zusammenstoß das Typhon betätigt, so wäre der Kläger sofort auf den Bergfahrer aufmerksam geworden. Es ist nicht auszuschließen, dass Manöver beider Schiffe den späteren Zusammenstoß dann hätten verhindern können.
Ist somit der Schaden durch das gemeinsame Verschulden beider Schiffsführer entstanden, so sind die Beklagten gemäß § 92c Abs. 1 Satz 1 BinSchG den Klägern nur insoweit zum Schadensersatz verpflichtet, als der Schaden durch das Verschulden des Beklagten zu 2. verursacht worden war. Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens ist davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. als Fährführer vor allem verpflichtet war, das Vorfahrtsrecht des zu Berg fahrenden Schiffes zu beachten und ihm dessen Existenz nur entgangen sein kann, wenn er den Verkehr auf der Wasserfläche nicht mit der notwendigen Sorgfalt beobachtet hat. Demgegenüber erschöpft sich das Verschulden des Beklagten zu 2. in dem Umstand, dass er erst zu spät auf die Vorfahrtverletzung des Klägers reagierte und nicht bereits vorausschauend Anzeichen für dessen Fehlverhalten erkannt hat. Das Verschulden des Klägers ist deshalb drei Mal so hoch zu bewerten wie das des Beklagten zu 2., weshalb sich eine Schadensverteilung in dem Verhältnis 1/4 zu 3/4 ergibt.
Der an der Fähre entstandene Schaden ist durch kontradiktorische Schadenstaxe ermittelt worden und steht somit fest. Die Beklagten haben nicht in Frage gestellt, dass die Kläger wegen eines Betrages von 7.408,71 EUR und der Selbstbeteiligung von 1.000,00 EUR nicht Ersatz von der Versicherung erhalten haben. Ihren Verdienstausfall haben die Kläger kon¬kret nach den Einnahmen drei Monate vor und drei Monate nach dem Ereignis berechnet, allerdings, ohne dabei die Kosten für Brennstoffe und Wartung der Fähre zu berücksichtigen. Diese schätzt das Gericht auf 150,00 EUR pro Tag, sodass ein Verdienstausfall von 467,20 EUR pro Tag verbleibt. Auch die vorgerichtlichen Kosten, welche nicht auf die Prozessgebühr anzurechnen sind, müssen in der berechneten Höhe als Schaden berücksichtigt werden.
Bei der Berechnung des den Klägern entstandenen Schadens ist deshalb von folgenden Beträgen auszugehen:
1. Nichterstattete Reparaturkosten 7.408,71 EUR
2. Selbstbeteiligung an Reparaturkosten 1.000,00 EUR
3. Nutzungsausfall für 8 Tage à 467,20 EUR 3.737,60 EUR
4. Vorgerichtliche Kosten gemäß Rechnung 387,90 EUR
verbleiben 12.534,21 EUR.
Hiervon haben die Beklagten als Gesamtschuldner 1/4, das sind 3.13 3,55 EUR zu zahlen.
Die Kläger haben unwidersprochen vorgetragen, die Beklagten zum 26. Juli 2005 in Verzug gesetzt zu haben. Die Beklagten schulden deshalb ab diesem Zeitpunkt Zinsen in gesetzlicher Höhe.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Streitwert: 13.734,21 EUR.